Nun gut, das Verwaltungsgericht Hamburg hat jetzt als erstes deutsches Gericht in mehreren Vorlagebeschlüssen die neuen Direktiven des BVerfG auf die Hamburger Besoldung der Jahre 2011 bis 2019 angewandt (Beschlüsse vom 29.09.2020 - 20 K 7510/17 u.a.). Konkret hat es dabei die Besoldungsgruppen A9 bis A 11 und A 13 sowie A 15 betrachtet. Deren Besoldungshöhe hat es allesamt als verfassungswidrig bewertet: Jeweils zwei bis vier der fünf Parameter der ersten Prüfungsstufe wurden zum nicht geringen Teil deutlich nicht erfüllt, sprachen also für die Vermutung der Verfassungswidrigkeit; jene Vermutung sah es auf der zweiten Stufe durchgehend als so erfüllt an, dass es zum Teil sowohl eine Gesamtabwägung als auch eine Prüfung der Prozeduralisierungspflichten nicht mehr für notwendig erachtet hat.
Zugleich zeigt sich als Trend, dass die Anzahl und Höhe der Parameter in den höheren Besoldungsgruppen tendenziell deutlicher nicht erfüllt werden als in den niedrigeren (vgl. die Beschlüsse zu den Bes.Gr. A 9 und A 10, 20 K 7510/17 und 20 K 7517/17, jeweils Rn. 104; A 11, 20 K 7511/17, Rn. 113; A 13, 20 K 7506/17, Rn. 112; A 15, 20 K 7509/17, Rn. 104). Das dürfte seine Ursache darin haben, dass in der Vergangenheit die unteren Besoldungsgruppen tendenziell eine stärkere Steigerung der Besoldungserhöhung erfahren haben als die höheren, da wiederkehrend Sockelbeträge eingeführt wurden. Zugleich sprechen diese Daten dafür, dass es für die Besoldungsgesetzgeber nicht einfacher werden sollte, durch gerade noch verfassungskonformes Abschmelzen der Differenz zwischen den Besoldungsgruppen die Verfassungswidrigkeit nach oben hin "wegzurechnen". Nicht umsonst heben alle Beschlüsse hervor, dass ausnahmslos in allen Fällen die Grundgehaltssätze aller betrachteten Besoldungsgruppen aller betrachteten Jahre als nicht verfassungskonform angesehen werden müssen.
Die Entscheidungen wurden jeweils ausgesetzt und als Vorlage dem BVerfG vorgelegt, was solange der Fall bleiben wird, bis jenes seine Entscheidung anhand der A-Besoldung in Berlin vollziehen wird (jenes dürfte auch hier das erste Besoldungsgesetz sein, das das BVerfG betrachten wird). Da das BVerfG für die nun ausstehende Hamburger Entscheidungen die identischen Direktiven anwenden wird - denn das VG Hamburg hat ja dessen Direktiven jetzt zur Grundlage genommen -, wird es die Entscheidungen des VG Hamburg bestätigen.
Die Fehlbetrag zwischen dem sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveau und der Mindestalimentation sieht das VG als so hoch an, dass das Mindestabstandgebot in allen Jahren "deutlich verletzt" worden sei (vgl. beispielsweise den Beschluss 20 K 7506/17, Rn. 94). Nicht umsonst lag die Nettoalimentation der Bes.Gr. A 4 in allen Jahren unterhalb des Grundsicherungsniveaus; genauso wie in Berlin hatte eine vierköpfige Familie, die Grundsicherungsleistungen bezogen hat, auch in Hamburg einen höheren Nettobetrag zur Verfügung als die entsprechende Beamtenfamilie der Bes.Gr. A 4. Der Fehlbetrag fällt anhand jener BesGr. A 4 wie nachfolgend gezeigt aus (vgl. ebd., Rn. 110):
Fehlbetrag: Euro % %-Differenz zwischen
Mindest- und Nettoalimentation
2011: 5.346,36 17,01 20,5
2012: 4.967,95 15,76 18,7
2013: 5.040,93 15,72 18,6
2014: 4.931,36 15,12 17,8
2015: 4.668,64 14,21 16,6
2016: 4.914,46 14,54 17,0
2017: 4.784,95 14,01 16,3
2018: 5.683,97 16,20 19,3
2019: 5.865,32 16,27 19,4
Damit liegen nun - anders als zu Berlin - auch aktuelle Zahlen vor. Die Summe der Fehlbeträge ergibt für neun Jahre netto 46.203,94 €. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das VG die Bedarfe für Bildung und Teilhabe zu gering ansetzen musste, da bislang noch keine realitätsgerechten Werte vorliegen (Rn. 92-94).
Laut aktuellem DGB-Besoldungsreport weist Hamburg aktuell im Jahr 2020 in der Eingangsstufe der Bes.Gr. A 13 bundesweit die vierthöchste Bruttobesoldung auf (vgl. dort die Abb. 11). Allerdings ist auch zu bedenken, dass Hamburg mit der Mietenstufe VI über ein deutlich überdurchschnittliches Mietenniveau verfügt.
Auf Grundlage dieser Entscheidungen kann sich nun jede und jeder seinen eigenen Reim darauf machen, wie es vermeintlich in den anderen Ländern und im Bund weitergehen wird.