Der heute veröffentlichte BVerfG-Beschluss enthält wichtige Fortschritte, springt aber auch an einigen Stellen enttäuschend kurz.
Fortschritte
- Die Besoldung wurde für 95% der Betroffenengruppen als zu niedrig erkannt
- Die Mindestbesoldung lässt sich nun SEHR wesentlich einfacher prüfen. Für 15% über Grundsicherung mussten erhebliche Datenmengen erhoben werden, wobei die Besoldungsgesetzgeber in nicht wenigen Fällen auf dubiose Ersatzdaten zurückgriffen, um die Grenze zu drücken. Das wird nun nicht mehr möglich sein. Zudem können Verfahren ganz erheblich beschleunigt werden, wenn man diesen ganzen Weg nicht mehr gehen muss (bisher aufwenigige Erhebnungen bis hin zu lokalen sozialen Vergünstigungen für Grundsicherugnsempfänger). Sehr gut, dass sich das BVerfG hier zu einer Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG durchringen konnte, obwohl einzelne Foristi in der Vergangenheit zu argumentieren versuchten, das BVerfG würde seine eigene Rectssprechung nicht ändern
- Die 15-Jahres-Zeiträume werden durch einen festen Bezugspunkt 1996 ersetzt, auch das ist eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG. Und sie ist wichtig! Das ergibt sich schon daraus, dass in vilen Fällen keine verfassungsgemäße Besoldung für 2011 vorliegt, so dass eine Berechnung der "notwendigen" Besoldung 2026 alleine dadurch schon unmöglich gewesen wäre. Auch der Hamburger "Trick" der vorübergehenden Angleichungszulage (bis zum Ende des 15-JZR) wird dadurch unmöglich. Last but not least entfällt hier ein erheblicher Prüfaufwand für Gesetzgeber und Gerichte
- Künftig sind 2 von 4, unter Umständen nur 1 von 4 Parameter, für eine Verfassungswidrigkeit zu erfüllen, statt bisher i.d.R. 3 von 5
- Insgesamt ist die Prüfung der Paramter damit auf eine erheblich vereinfachte und bessere Grundlag gestellt worden.
- Es wird klar formuliert, dass alle Widerspruch einlegenden Beamten Ansprüche generiert haben, unabhängig vom Verfahrensstand oder -ausgang
- Klare Aussagen, dass Vorgaben für die Prüfung der Richterbesoldung auch für die Beamtenbesoldung gelten
- Klare Festlegung, dass länderspezifische Werte für Inflation und Nominallohn zu berücksichtigen sind. Das könnte in einigen, teuren Bundesländern wohl noch Wellen schlagen
Fehlende Fortschritte
- Die Entscheidung über die maximale Ausschweifung von familienabhängigen Besoldungsbestandteilen wurde ein weiteres mal vertagt. Dadurch ist die Mindestbesoldung für Alleinstehende weiter völlig unklar.
- Die Entscheidung über die Einbeziehung von Partnereinkommen wurde vertagt. Sie spielten in den betroffenen Entscheidungen keine Rolle und wurden auch nicht mit einbezogen, so dass dieses Vorgehen der Besoldungsgeber verfassungsrechtlich völlig unklar bleibt.
- Versorgungsempfänger stehen weiterhin im Regen, insbesondere hinsichtlich der Mindestversorgung. Sie profitieren zwar ein Stück weit von Tabellenwerterhöhungen, sind aber erstens i.d.R. ohne berücksichtigungsfähige Kinder (-> Problem der unklaren Alleinstehendenmindestbesoldung) und leiden zweitens unter neuartigen Zulagen, die als nicht ruhegehaltsfähig deklariert wurden und damit faktisch den Ruhegehaltssatz senken
- Ein direktes Durchgriffsrecht unterer Gerichtsbarkeiten auf die Besoldung erfolgte nicht, so dass weiterhin das BVerfG einzge Hoffnung der Beamten bleibt.
- Wer keinen Widerspruch eingelegt hat, geht in bezug auf die Vergangenheit leer aus
Fazit
Einerseits ist hier ein großer Wurf erfolgt in Hinblick auf Verfahrenspraktikabilität und -beschleunigung. Gewichtige systematische Probleme der bisherigen BVerfG-Rechtssprechung hat das BVerfG zum Glück selbst erkannt und revidiert. Damit ist eine erheblich verbesserte Grundlage geschaffen worden, mehr und schnellere Entscheidungen zu fällen. Zudem wurde eine deutlich klarere Rechtsgrundlage für die Besoldungsanpassungen 2026 gelegt, und es wird sehr spannend, deren Auswirkungen für die verschiedenen Länder zu berechnen
Andererseits sind wichtige aktuelle Fragen der Besoldung unbeantwortet geblieben (s.o.), und insbesondere Versorgungsempfänger werden weiterhin wohl eher sterben als zu ihrem (vollen) Recht zu kommen.
Es bleibt daher trotz Fortschritten das gleiche Spiel wie zuvor: Wir haben Fortschritte gemacht, hoffen aber auch direkt schon wieder auf das nächste Urteil. Das Urteil für die 2016er-Verfahren könnte nun zeitnah folgen, weil der heutige Beschluss wohl (fast?) alle offenen Fragen dafür geklärt hat (-> Frage: sieht jemand noch ungeklärte Aspekte der offenen 2016er-Urteile?). Hoffen wir 2026 auf neue Antworten...