Führt eine Regelung eindeutig evidentermaßen dazu, daß die Familie wegen der größeren Zahl der Kinder und der mit ihrem Unterhalt und ihrer Erziehung verbundenen Ausgaben - also regelmäßig für die Jahre, in denen sie zum Haushalt gehören - auf den Abschluß eines Bausparvertrags, auf die Anschaffung der üblichen Haushaltsmaschinen, auf die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, auf Urlaub verzichten und sich im Zuschnitt ihres Privatlebens, beispielsweise bei dem Kauf von Bekleidung, Einschränkungen auferlegen muß, also in diesem Sinne bescheidener leben muß als der - beamten- und besoldungsrechtlich gleich eingestufte - ledige Beamte, kinderlos verheiratete Beamte oder die Beamtenfamilie mit einem oder zwei Kindern, so ist der Grundsatz amtsangemessener Alimentierung für jene Familie mit größerer Kinderzahl verletzt." (BVerfGE 44, 240, 267 f.)
Yep. Das BVerfG sagt wortwörtlich, dass ein Beamter mit drei oder mehr Kindern nicht "bescheidener leben muss" als ein Beamter mit null, einem oder zwei Kindern.
Es schließt jedoch explizit NICHT aus, dass ein Beamter mit zwei Kindern gegebenenfalls für einen gewissen Zeitraum ein wenig Verzicht gegenüber seinem (gleich eingestuften) kinderlosen oder Ein-Kind-Kollegen üben können muss.
Hätte es dies tun wollen, hätte es problemlos die Ausnahmeregel ab dem dritten Kind stattdessen bereits ab dem ersten (oder zweiten) Kind einführen können.
Hat es aber nicht..
Die abschließende These ist eine recht freie Interpretation, die an Rechtsprechung zu erhärten wäre. Denn ansonsten bleibt sie ein reines Postulat, das als solches generell und also auch in diesem Falle zumeist nicht weiterführt.
Es hilft am Ende weder den Besoldungsgesetzgebern, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ohne sachliche Erhärtung in ihrem Sinne zu interpretieren, noch dem Beamten genauso zu verfahren. Wo der Wunsch Vater des Gedankens ist, ist zumeist die Mutter der Porzellankiste zu weit entfernt.
Im Gesamtzusammenhang bleibt zugleich auch zu beachten, Nelson, dass der Beamte und seine Familie lebenslang amtsangemessen zu alimentieren sind, dass aber soziale Besoldungskomponenten kein Teil des Alimentationsprinzips sind und deshalb keine besonderen Schutz genießen. Sie können also nur einen begrenzten Beitrag zur Gewährleistung der amtsangemessenen Alimentation leisten. Von daher bleibt sowohl in BVerfGEs Vorstellungen von Zeit zu Zeit der Wunsch Vater des Gedankens - nämlich in dem Moment, wo er indizielle Verletzungsgrade materiell-rechtlich interpretieren möchte bzw. das tut und das tut er seit geraumer Zeit regelmäßig -, so wie das auch in den Zuschlagsorgien der Besoldungsgesetzgebern der Fall ist, wie sie sich seit 2021 zum nicht zu rechtfertigenden Standard entwickelt haben.
Entsprechend hat der Senat in derselben vorhin bereits zitierten Entscheidung hinsichtlich der Höhe von sozialen Besoldungskomponenten für die zwei-, drei- oder vierköpfige Beamtenfamilie ausgeführt:
"Legt man etwa das gegenwärtige System der Besoldungsstruktur zugrunde, das, wie dargelegt, verfassungsrechtlich nicht festgeschrieben ist, so entspricht es bei natürlicher Betrachtung einer gewissen Selbstverständlichkeit, daß bei der Familie mit einem oder zwei Kindern der Kindesunterhalt ganz überwiegend aus den allgemeinen, d. h. 'familienneutralen' und insoweit auch ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten. In diesem Fall bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, wenn dieser Betrag in seiner Höhe erheblich unter den Beträgen bleibt, die von der Rechtsordnung als Regelsätze für Kindesunterhalt als angemessen erachtet und veranschlagt werden. Ganz anders verhält es sich dagegen bei der Beamtenfamilie, zu der drei und mehr unterhaltsberechtigte Kinder gehören. Hier vervielfältigt sich die Differenz zwischen Unterhaltsbedarf und kinderbezogenen Gehaltsbestandteilen entsprechend der Zahl der Köpfe in einem solchen Maße, daß hierdurch wesentliche Teile der 'familienneutral' gewährten Besoldung aufgezehrt werden. Das Prinzip amtsangemessener Alimentation verlangt hier zusätzliche Leistungen, um die Auszehrung der familienneutralen allgemeinen Gehaltsbestandteile durch Unterhaltsleistungen zu verhindern." (BVerfGE 44, 240, 274 f.)
Diese Spannweite der von mir hier und zuvor aus derselben Entscheidung zusammengetragenen Zitate muss man in den Kontext der neueren Rechtsprechung zum Besoldungsrecht stellen, um am Ende zu sachgerechten Schlüssen zu gelangen.
Unsere je eigenen, also persönlichen Wünsche, Interessen und Ziele spielen dabei keine Rolle. Denn sie sind genauso wenig unmittelbar der Verfassung zu entnehmen wie sowohl die Struktur als auch die Höhe der Besoldung, welche letztere der Verfassung ebenfalls nicht unmittelbar, als fester und exakt bezifferbarer Betrag zu entnehmen ist (vgl. die Rn. 26 der aktuellen Entscheidung).
Am Ende bleibt die letztlich so einfache wie schlagende Gewissheit, die ich weder hier noch an anderer Stelle müde werde zu wiederholen. "Die Parameter [des bundesverfassungsgerichtlichen "Pflichtenhefts"; ST.] sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (Rn. 30 der aktuellen Entscheidung). Die regelmäßige Fixierung auf das Mindestabstandsgebots und damit auf die Mindestalimentation sowohl hier im Forum als auch in der Gesetzgebung der Besoldungsgesetzgeber führt regelmäßig in die Irre, weil mit ihr hinsichtlich der Besoldungsbemessung kein Staat zu machen ist. Das will aber regelmäßig hier ein nicht geringer Teil der Schreibenden (und wohl auch - so schätze ich - Lesenden) nicht wahrhaben wollen, genauso wie das regelmäßig die Besoldungsgesetzgeber nicht wahrhaben wollen.
Denn die Mindestalimentation markiert im Prüf- und Kontrollverfahren nur die Grenze zur Unteralimentation, also den Betrag einer amtsangemessenen Alimentation, in den dem Gesetzgeber keine Einschnitte gestattet sind, sodass sich regelmäßig die Besoldungsgruppen als unmittelbar verfassungsrechtlich evident verletzt zeigen, deren Netto- die Mindestalimentation unterschreitet, und die ansonsten - sofern die Nettoalimentation aller Besoldungsgruppe oberhalb der Mindestalimentation liegt - nur ein Indiz auf der ersten Prüfungsstufe dafür ist, dass keine Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation vorliegt.
Vernachlässigt man diese grundlegenden Erkenntnisse, wird man weder hier noch in einem Gesetzgebungsverfahren zu sachgerechten Schlüssen kommen. Die einen sehen deshalb exorbitant hohe Familienzuschläge als rechtfertigungsfähig an, während die anderen - zumindest in Teilen von ihnen - zwangsläufige Anhebungen von Grundgehaltssätzen voraussetzen, die ebenfalls deutlich überzogen sein dürften. Richtig bleibt dabei allerdings, dass in allen 17 Rechtskreisen die Grundgehaltssätze spürbar anzuheben sind. Wir dürfen davon ausgehen, dass der Zweite Senat hier im Rahmen der alsbald ausgefertigten Pilotentscheidungen für erheblich mehr Klarheit sorgen wird. Denn täte er das nicht, dürften auch diese Entscheidungen fortgesetzt ins Leere laufen. Daran aber kann der Zweite Senat allein schon, um seine durch das Handeln der Besoldungsgesetzgeber angegriffene Autorität zu wahren, kein Interesse haben.
Schauen wir also mal, was wir alsbald zu lesen bekommen werden. Danach sollten wir hoffentlich alle schlauer sein.