Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen
Sehr geehrter Herr Dr. Mangelsdorff,
sehr geehrte Damen und Herren,
einer näheren Befassung mit dem Gesetzentwurf ist zunächst der Hin-weis voranzustellen, dass wir die für eine Stellungnahme gewährte Frist von wenigen Tagen für unzureichend halten. Zu einem Gesetzentwurf, der derart weitreichende und grundlegende Rechtsänderungen vor-sieht, muss eine Stellungnahmefrist eingeräumt werden, die uns eine angemessene Rückkoppelung mit unseren Mitgliedern ermöglicht. Das ist vorliegend nicht der Fall, sodass von einer angemessenen Beteili-gung der kommunalen Spitzenverbände nicht gesprochen werden kann. Wir behalten uns daher vor, unsere Stellungnahme im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch zu präzisieren bzw. zu ergänzen. Unter diesem Vorbehalt nehmen wir zu den Gesetzentwürfen Stellung und verweisen im Übrigen auf die ebenfalls dargelegten weiteren Anmerkungen.
Zu 1: Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung einer einmaligen Corona-Sonderzahlung
Der gesamte öffentliche Dienst ist während der COVID-19-Pandemie vielfältigen Herausforderun- gen
ausgesetzt, die mit lang andauernden, zusätzlichen Belastungen und zum Teil auch besonde- ren
Risiken für die Bediensteten einhergehen. Die Bewältigung einer solchen andauernden Aus-
nahmesituation verlangt von allen Bediensteten eine besondere Einsatz- und Verantwortungsbe-
reitschaft sowie ein außerordentlich hohes Maß an Flexibilität. Das deutlich erhöhte Arbeitsauf-
kommen und die sich fortlaufend pandemiebedingt ändernden Arbeits- und Rahmenbedingun- gen haben
den Arbeitsalltag geprägt und zuweilen tiefgreifend verändert. Dies hat alle Bedienste- ten
besonders beansprucht und immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt, die es zu bewältigen
galt. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, dass die entsprechenden tarifrechtli- chen
Vereinbarungen zeit- und wirkungsgleich auf die Beamtinnen und Beamten übertragen wer- den.
Zu 2: Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2022
Auch hier wird die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des Tarifabschlusses begrüßt. Auf die- sem
Wege wird ein Beitrag dafür geleistet, dass die Attraktivität des öffentlichen Dienstes auch im
Vergleich zur Privatwirtschaft gewahrt werden kann.
Zu 3: Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Alimentation von Familien sowie zur Änderung
weiterer dienstrechtlicher Vorschriften
Dieser Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu einer
verfassungskonformen Argumentation. Insoweit sei auf nachfolgende Aspekte hingewie- sen:
1. Bemessung des Grundsicherungsniveaus
In der Kürze der Zeit konnte nicht abschließend geprüft werden, ob die Systematik zur Fest-
stellung des Mindestabstands zwischen Grundsicherung und Besoldung eingehalten wird. So hat das
Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Einhaltung des Alimentations- prinzips (2 BvL
4/18, Rn. 55 ff.) ausgeführt, dass für die Bemessung des Grundsicherungsni- veaus das 95%-Perzentil
der Leistungen für Unterkunft und Heizung einer 4-köpfigen Bedarfs- gemeinschaft heranzuziehen sei.
Erst im zweiten Schritt können die Berechnungen anhand des Wohngeldgesetzes (WoGG) regional
differenziert werden. Der Gesetzentwurf könnte da- rauf hindeuten, dass dieser erste Schritt nicht
oder nicht hinreichend bedacht wurde. Denn die Unterkunftskosten des WoGG werden unmittelbar als
Berechnungsgrundlage herangezo- gen (Gesetzesbegründung unter A 1 Buchst. cc). In der Folge dürften
sich dann gegebenen- falls für einige Mietstufen Beträge ergeben, die unter dem 95%-Perzentil
liegen. Insoweit wird eine Überprüfung der Vereinbarkeit mit den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts
angeregt.
2. Fehlende Regelungen zu Altfällen
Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen sollen erst ab 2022 gelten. Damit wäre allerdings
die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Vorjahre noch nicht um- gesetzt. Die
Gründe dafür sind uns nicht abschließend bekannt. Sollte es so sein, dass dafür noch notwendige
Daten ermittelt werden müssen, erwarten wir sobald wie möglich eine ent- sprechende gesetzliche
Regelung zur Lösung dieser Altfälle. Das gilt im Übrigen auch für das mittlerweile in Kraft
getretene Gesetz zur Anpassung der Alimentation kinderreicher Familien sowie zur Änderung weiterer
dienstrechtlicher Vorschriften vom September 2021, und zwar insoweit, als es um die Jahre vor 2011
geht.
Unabhängig von diesen beiden zuvor genannten gesetzlichen Regelungsbedarfen sollen nach Kenntnis
der kommunalen Spitzenverbände noch etliche Widersprüche/Klagen anhängig sein, die weitergehende
Kritikpunkte an die Verfassungsmäßigkeit der Besoldung betreffen und mitunter auch ein
gesetzgeberisches Handeln erfordern könnten. Die kommunalen Spitzen- verbände sind nicht Beteiligte
an den entsprechenden Verfahren und können insoweit auch nicht die Erfolgssausichten einschätzen.
Es ist aber auch aus Gründen des Rechtsfriedens not- wendig, dass gegebenenfalls notwendige
Entscheidungen von Seiten des Landes zeitnah ge- troffen worden.
3. Die Abschaffung der sog. „Kostendämpfungspauschale“ wird als sachgerecht angesehen. Da- bei
gehen die kommunalen Spitzenverbände auch davon aus, dass diese nicht in die Berech- nung der
Sicherstellung der verfassungsgemäßen Mindestalimentation eingeflossen ist.
Ergänzende Anmerkungen
1. Landesbeamtenversorgungsrecht (dienstordnungsgemäße Angestellte)
Bei den kommunalen Spitzenverbänden und etwa auch der Kommunalen Stelle für Verwal- tungsmanagement
(KGSt) sind Angestellte tätig, denen eine Versorgung nach beamtenrechtli- chen Grundsätzen gewährt
wird. Nach derzeit geltendem Recht können die Regelungen der Versorgungslastenteilung z. B. im
Falle des Wechsels eines kommunalen Beamten zu einem kommunalen Spitzenverband nicht unmittelbar
herangezogen werden. Selbst wenn sich in einem solchen Fall die Beteiligten darüber einig sein
sollten, dass eine pauschalierte Abfin- dung der erworbenen Versorgungsanwartschaften prinzipiell
wünschenswert wäre, handelt es sich für den abgebenden kommunalen Dienstherrn nach geltendem Recht
um eine freiwil- lige Ausgabe. Daher regen wir an, in das Landesbeamtenversorgungsrecht – ähnlich
wie in § 78 LBeamtVG Baden-Württemberg – eine Vorschrift aufzunehmen, wonach in die
Regelungen zu Dienstherrenwechseln und zur Versorgungslastenteilung dienstordnungsgemäße Ange-
stellte der kommunalen Spitzenverbände oder auch der KGSt einbezogen werden, soweit eine
Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährleistet ist und keine unverfall- bare
Anwartschaft auf eine Betriebsrente besteht. Wir sind dankbar, wenn Sie unsere vorste- henden
Überlegungen und Hinweise (einschließlich der Vorschläge aus unserem beigefügten Schreiben vom
07.10.21, Anlage) bei den weiteren Überlegungen berücksichtigen.
2. § 9 LBeamtVG
Der Landesgesetzgeber hat im Zuge des Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2016 den § 9
LBeamtVG geändert und für Beigeordnete, die keine für eine Beamtenlauf- bahn klassische
Erwerbsbiografie haben, eine Verschlechterung des Versorgungsan- spruchs verursacht. Seit dieser
Änderung werden Zeiten im privatrechtlichen Arbeitsver- hältnis im öffentlichen Dienst, neben
anderen Voraussetzungen, nur noch dann als ruhe- gehaltsfähig anerkannt, wenn zu Beginn der
Tätigkeit die Laufbahnbefähigung vorgelegen hat. Beigeordnete haben allerdings angesichts ihrer
besonderen beruflichen Biografien häufig keine Laufbahnbefähigung, so dass ihnen frühere
Angestelltenzeiten im öffentli- chen Dienst seit der Neuregelung nicht mehr anerkannt werden
können. Nach aktueller Rechtslage können diese Zeiten lediglich als förderliche Zeiten im Umfang
von max. vier Jahren als ruhegehaltsfähig anerkannt werden. Zur Stärkung der Attraktivität eines
kom- munalen Wahlamtes ist daher eine gesetzliche Verbesserung erforderlich.
3. Eingruppierung von Beigeordneten in Gemeinden mit einer Größenordnung bis 10.000 Einwohner
Seit dem 14. November 2015 sind Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Gemeinden bis 10.000
Einwohnern in die Besoldungsgruppe B 2 eingruppiert. Zuvor war dies die Be- soldungsgruppe A 16.
Damals wurde jedoch nicht zugleich die entsprechende Besoldungs- gruppe der Beigeordneten
angepasst. Auch vor dem Hintergrund der Stärkung der Attrak- tivität des kommunalen Wahlamtes
sollte dies nunmehr nach mehr als sechs Jahren erfol- gen. Denn es ist gerade in Gemeinden in einer
solchen Größenklasse nicht leicht, geeig- nete Kandidaten und Kandidaten für dieses Amt zu
gewinnen. Dabei ist den kommunalen Spitzenverbänden bewusst, dass die Zuständigkeit für die
Änderung dieser Eingruppie- rungsverordnung der Landesregierung obliegt. Gleichwohl sollte der
Gesetzgeber inso- weit ein entsprechendes politisches Signal an die Landesregierung senden.
4. Wegfall der Genehmigungspflicht für Nebentätigkeiten der Bürgermeisterinnen und Bür-
germeister
Die in § 118 Abs. 7 in Verbindung mit § 57 Landesbeamtengesetz angeordnete Genehmi- gung der
Nebentätigkeit für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister durch die Aufsichts- behörde entspricht
nicht die durch die Urwahl begründete besondere kommunalverfas- sungsrechtlichen Stellung der
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und ist daher ent- sprechend ersatzlos zu streichen.
Wir bitten Sie, diese Hinweise bei der Beratung der gesetzlichen Regelungen zu berücksichtigen.