Autor Thema: Vergütung während "Cyber"vorfall  (Read 1811 times)

kheldorn

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Vergütung während "Cyber"vorfall
« am: 20.07.2024 17:51 »
Der gestrige Crowdstrike-Vorfall (lief denke ich hinreichend durch die Nachrichten), der uns zum Glück erspart geblieben ist, hat mal wieder die Frage aufgeworfen, was eigentlich an Zulagen möglich ist, wenn man auf Grund eines solchen Vorfalls (wie auch bei Ransomwarevorfällen) von seinem Arbeitgeber erwarten kann - und was man als Arbeitnehmer eigentlich leisten muss.

Derartige Vorfälle sind ja oftmals mit viel Personal- und Zeitaufwand verbunden und erstrecken sich teilweise über Wochen und Monate, wo auch mal am Wochenende oder länger als 10h/Tag gearbeitet werden "muss", damit der Laden wieder läuft und wir als öffentliche Verwaltung unseren Versorgungsauftrgen nachkommen können.

Daher mal ein paar Fragen:

- Einmal genehmigter Urlaub darf ja nicht einfach so wieder vom Arbeitgeber storniert werden. Es muss schon ein zwingender Grund vorliegen, der keine andere Lösung zulässt. Außerdem muss der Arbeitgeber sämtliche entstandenen Kosten erstatten, inkl. ggf. gestiegener Preise für den gleichen Urlaub zu einem späteren Zeitpunkt. Das hilft aber nur bedingt, wenn man z.B. gar nicht verreisen wollte, sondern einfach nur zu Hause entspannt, oder sich keine Kosten ermitteln lassen (der Arbeitgeber wird sicherlich Belege einfordern und nicht pauschal jeden Wunschbetrag des Arbeitnehmers erstatten). Daher die Frage, ob es Richtwerte gibt, was in so einem Fall pauschal an Entschädigung stattlich wäre? Kann man als Arbeitnehmer das Verlangen des Arbeitgebers, trotz der Notsituation, den Urlaub abzubrechen, zurückweisen?

- Und dann wären da noch die in §8 TVöD-V geregelten Zulagen für Überstunden, Nacht- und Wochenendarbeit usw.. Über die Vergütung der 39h/Woche brauchen wir hier vermutlich nicht reden, aber wie sieht es bei angeordneter Mehrarbeit in einem solchen Kriesenfall aus? Die in §8 geregelen Zulagen sind ja, bei der zu erwartenden Mehrbelastung, eher lächerlich. Auch der Ausgleich der Überstunden durch Freitzeit stellt irgendwie keine wirklich befriedigende Kompensation dar, zumal es am Ende des Vorfalls sicherlich nicht sinnvoll ist, wenn dann die ganze IT-Abteilung geschlossen frei macht. Daher hier die Frage, was in einem solchen Vorfall an Zulagen für die anfallende Mehrarbeit, über den §8 hinaus, möglich ist.

- Ist es möglich und macht es Sinn im Rahmen eines IT-Notfallkozepts die oben angesprochenen Punkte gesondert zu regeln und entsprechende zusätzliche Vergütungen, über den TvöD hinaus, in einer separaten Diensterveinbarung festzulegen?

Vielleicht haben ja einige hier schon in einer solchen Situation gesteckt und können berichten, wie das bei ihnen geregelt wurde.

Ein schönes Restwochenende noch,

-
kheldorn

clarion

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Antw:Vergütung während "Cyber"vorfall
« Antwort #1 am: 21.07.2024 09:16 »
Der Grund dafür, jemanden einen bereits genehmigten Urlaub zu untersagen oder Urlauber zurück zu holen, muss schon sehr schwerwiegend sein.

Nehmen wir an, ein solcher Notfall sei gegeben. Dann hat man m.E. Schadensersatzansprüche für angefallene nachweisbare(!) Kosten, auch wenn es die Miete für ein Luxusressort auf Bali ist. Man hat m.E. aber keinen Anspruch auf fiktive Schadensersatzansprüche für den geplanten Urlaub zu Hause. Wobei es für Eltern sicher sehr doof ist, wenn man in den Schulferien endlich freie Zeit mit den Kids verbringen wollte.

Die Vergütung der Notfallbearbeitung in Form von angeordneten Überstanden richtet sich nach Tarifvertrag. Inwieweit soll es Gründe für einen Notfallzuschlag geben? Die IT am Laufen zu halten, ist Eure ureigene Aufgabe.

MoinMoin

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Antw:Vergütung während "Cyber"vorfall
« Antwort #2 am: 21.07.2024 09:32 »
Daher die Frage, ob es Richtwerte gibt, was in so einem Fall pauschal an Entschädigung stattlich wäre?
Ich habe es bisher so verstanden, dass es eine Entschädigung gibt für den entstanden Schaden.
Eine pauschale kann der Ag sicherlich auszahlen, aber mir wäre nicht bekannt, dass man auf eine Pauschale einen Rechtsanspruch hätte.
Zitat
Kann man als Arbeitnehmer das Verlangen des Arbeitgebers, trotz der Notsituation, den Urlaub abzubrechen, zurückweisen?
Er kann es stets gerichtlich überprüfen lassen.
Er kann anrufe und Emails ignorieren. Das erste Problem was ein Ag in einem solchem Fall hat, den An rechtsverbindlich aufzufordern, dass er sich umgehend zur Arbeitsstätte zu begeben hat.
Leichter ist es natürlich den AN, der morgen in den Urlaub fahren will, anzuweisen zu bleiben, da hilft nur der Eilantrag bei Gericht.

[/quote]- Und dann wären da noch die in §8 TVöD-V geregelten Zulagen für Überstunden, Nacht- und Wochenendarbeit usw.. Über die Vergütung der 39h/Woche brauchen wir hier vermutlich nicht reden, aber wie sieht es bei angeordneter Mehrarbeit in einem solchen Kriesenfall aus? Die in §8 geregelen Zulagen sind ja, bei der zu erwartenden Mehrbelastung, eher lächerlich. Auch der Ausgleich der Überstunden durch Freitzeit stellt irgendwie keine wirklich befriedigende Kompensation dar, zumal es am Ende des Vorfalls sicherlich nicht sinnvoll ist, wenn dann die ganze IT-Abteilung geschlossen frei macht. Daher hier die Frage, was in einem solchen Vorfall an Zulagen für die anfallende Mehrarbeit, über den §8 hinaus, möglich ist.[/quote]
Ausser- und übertariflich ist vieles möglich.
Bei uns werden z.B. bei unangenehmer Samstagsarbeit auch mal 100% Stunden Gutschrift gegeben.
Und klar: die 15% Aufschlag sind natürlich ein Witz, aber es sind eben 15%
Aber wenn du von Mehrbelastung redest, dann sehe ich da nicht wirklich eine Mehrbelastung.
Hier wäre es halt nervig zu jedem Rechner zu tapern, im abgesicherten Modus hochfahren, die olle Datei löschen und die reboots abzuwarten. Was daran -außer die Zeitverschüttung- ist da eine Belastung?
Leichter kann man sein Geld doch nicht verdienen, da sehe ich in einigen Teammeeting während der Regulären Arbeitszeit eine wesentlich höhere Belastung :o ;D
Zitat
- Ist es möglich und macht es Sinn im Rahmen eines IT-Notfallkozepts die oben angesprochenen Punkte gesondert zu regeln und entsprechende zusätzliche Vergütungen, über den TvöD hinaus, in einer separaten Diensterveinbarung festzulegen?
Da wir Vertragsfreiheit haben sicherlich, sofern der AG nicht irgendwelche rechtlichen Fesseln hat.
Kann aber auch ein Bumerang werden. So könnte das Konzept z.B. vorsehen, dass bei in einem Team immer nur einer Urlaub haben darf.
Dass man vereinbart, dass wenn jemand vom Bestandteam vor dem Urlaub krank wird, der Urlaub gestrichen wird, sofern keine erhebliche Kosten entstehen (also man nichts konkretes gebucht hatte)
und natürlich, dass es doppelt Geld anstelle von 15% gibt, wenn man aus dem Urlaub gerufen wird.

Aber ansonsten, warum sollte bei einer einfache Mehrarbeitsanweisung (also ohne Urlaubsstreichung) der AG was verbindlich vereinbaren um es zu verteuern, schließlich hat man doch genau das schon vertraglich vereinbart und der VZ An hat dem zugestimmt, dass er halt jederzeit vom Ag dazu gezwungen werden kann.

Zitat
Vielleicht haben ja einige hier schon in einer solchen Situation gesteckt und können berichten, wie das bei ihnen geregelt wurde.
Wir haben aus oben genannte Gründen auf eine vertragliche Sonderlocke verzichtet, regeln alles untereinander im Team, sind freiwillig auch im Urlaub jederzeit erreichbar, wenn mal die Vertretung einen Rat braucht und leben damit prima.
Da unsere kritischen Systeme eh nichts mit dem Internet am Hut haben (sauber getrennte Netze) benötigen wir solche on the fly Updates nicht für die Bereich wo es weh tun würde (und wenn es da schlechte Updates mal gibt, dann bemerkt es ja die Welt und wir hinken ausreichend hinterher  8) )und wenn mal wieder das Internet als solches,  AWS oder irgend so eine Cloud down ist, dann juckt es uns halt nicht sonderlich.
Leben halt in einer Welt der Glückseligen.

MoinMoin

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Antw:Vergütung während "Cyber"vorfall
« Antwort #3 am: 21.07.2024 09:34 »
Nehmen wir an, ein solcher Notfall sei gegeben. Dann hat man m.E. Schadensersatzansprüche für angefallene nachweisbare(!) Kosten, auch wenn es die Miete für ein Luxusressort auf Bali ist.
Interessant ist da doch die Frage:
Alleinerziehender mit Kinder -> Kosten des Rückfluges aller müssen gezahlt werden?
Paar mit Kindern oder ohne -> Kosten nur für den AN müssen gezahlt werden? Die anderen können ja weiter Urlauben.  :o

BAT

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Antw:Vergütung während "Cyber"vorfall
« Antwort #4 am: 21.07.2024 11:03 »
Oder Reisegruppe.

Zuschläge für einen Samstag halte ich grundsätzlich für Unfug.

kheldorn

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Antw:Vergütung während "Cyber"vorfall
« Antwort #5 am: 21.07.2024 11:15 »
Aber wenn du von Mehrbelastung redest, dann sehe ich da nicht wirklich eine Mehrbelastung.
Hier wäre es halt nervig zu jedem Rechner zu tapern, im abgesicherten Modus hochfahren, die olle Datei löschen und die reboots abzuwarten. Was daran -außer die Zeitverschüttung- ist da eine Belastung?
Leichter kann man sein Geld doch nicht verdienen, da sehe ich in einigen Teammeeting während der Regulären Arbeitszeit eine wesentlich höhere Belastung :o ;D

Das CrowdStrike Ding war jetzt halt nur ein aktuelles Beispiel. Mit über 200 Standorten (Homeoffice nicht mitgerechnet) und über 5000 Geräten wäre dies aber sicherlich auch kein Spass gewesen, zumal man in die Kitas und Schulen ja auch nicht jederzeit reinkommt, um an den Rechnern was zu machen. Schlussendlich hätten wir die Rechner in einigen Tagen sicher wieder online gehabt.

Die richtige Belastung sehe ich da eher bei Ransomware-Vorfällen, wo die Wiederherstellung im schlimmsten Fall Wochen bis Monate dauert (siehe Südwestfalen-IT, Anhalt-Bitterfeld, Potsdam, ...). Die Berichte von Leuten, die bei diesen Vorfällen dabei waren, sind schon sehr eindrucksvoll und bestätigen, dass hier Dienst nach Vorschrift von 9-17Uhr nicht wirklich realistisch ist.

MoinMoin

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Antw:Vergütung während "Cyber"vorfall
« Antwort #6 am: 21.07.2024 11:28 »
Ja, dafür wäre ein Lebensarbeitszeitkonto, auf dem man diese Stunden aufspielt eine Sache die man als DV machen kann.
Für viele die bessere Alternative als gezwungen zu werden, die Überstunden auszuzahlen, insbesondere da sie ja bei Stufe 4 gedeckelt sind.