Wer so kurz vor einem Stufenaufstieg steht, wäre ja schön blöd, vorher die Höhergruppierung zu beantragen
Die Regelungen treten erst zum 01. Januar 2020 in Kraft und der Antrag zur Höhergruppierung muss innerhalb von 12 Monaten nach Inkrafttreten der neuen Eingruppierungsregelungen gestellt werden.
Das scheint ein verbreitetes Fehlverständnis. Der Anspruch auf entsprechende Eingruppierung entsteht durch die Übertragung entsprechender Tätigkeitsmerkmale für die entsprechenden Entgeltgruppen und kann jederzeit geltend gemacht werden.
Allerdings besteht dieser Anspruch aufgrund der Ausschlussfrist des TV-H nur 6 Monate rückwirkend ab dem Moment, an dem der Anspruch auf Eingruppierung gestellt wird.
Wenn wie hier eine Entgeltordnung geändert wird, ist allerdings mit einer Flut von Anträgen zu rechnen. Die Mitarbeiter müssen auch erstmal eine verständliche Darstellung finden, um zu prüfen, ob sie einen Antrag stellen sollten - es könnte ja auch nachteilig sein. Entsprechend ist eine Sonderregelung vorhanden, die abweichend von der tariflichen Ausschlussfrist von 6 Monaten eine Frist von 12 Monaten vorsieht.
Sprich: Wer die 12 Monate verpasst, geht nicht leer aus, sondern hat den Anspruch dann eben nur 6 Monate rückwirkend.
Damit löst man auch das Problem des Verfalls der Stufenlaufzeit.
Wer zum 1. Oktober 2020 (Fälligkeit Entgelt: 31.10.2020) in eine höhere Entgeltstufe käme, durch den Antrag binnen 12 Monaten nach Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung jedoch die Stufenlaufzeit verlöre (so dass rückwirkend die Stufenlaufzeit entfallen würde und man schlechter dastünde) , stellt den Antrag eben erst am 1. April 2021. Das ist dann ein Einspruch gegen die falsche Einstufung nach Entgeltordnung mit einer Ausschlussfrist von 6 Monaten. Wenn die Voraussetzungen für die neue Eingruppierung vorliegen, wäre diese 6 Monate rückwirkend zum November 2020 vorzunehmen (und eben nicht zum Januar 2020); damit war man zum Zeitpunkt der Höhergruppierung bereits in der höheren Stufe der alten Gruppe. Aus dieser höheren Stufe wechselt man dann in die höhere Entgeltgruppe...
Diejenigen, die ihre momentane Stufenlaufzeit im Januar-Mai 2020 beenden, haben durch die 12 Monatsfrist natürlich den Nachteil, einige Monate weder von der (noch ausstehenden) Stufenerhöhung, noch von der Höhergruppierung zu profitieren. Unterm Strich dürfte sich das Warten aber trotzdem rechnen.
Also sauber unterscheiden:
1. Wer kaum Stufenlaufzeit verlieren würde, kann den Antrag auf Neueingruppierung entsprechend der neuen Entgelttabelle binnen 12 Monaten stellen und hat die neue Entgeltgruppe rückwirkend zum 1.1.2020.
2. Wer sich durch den Verlust der Stufenlaufzeit schlechter stellen würde, stellt nach Ablauf der 12 Monate (und frühestens 6 Monate nach dem Stufenwechsel) die Forderung auf Vergütung entsprechend der (dann gültigen neuen) Entgelttabelle entsprechend des von ihm ausgeübten Tätigkeitsfeldes, rückwirkend für 6 Monate (tarifliche Ausschlussfrist)
Die beiden Varianten muss der Betreffende selbst ausrechnen und dann - ggf. nach Beratung durch einen Anwalt - entscheiden, wie er vorgeht.
Es ist bedauerlich, dass Verdi nicht einmal seine Mitglieder auf die Tücken der entfallenden Stufenlaufzeit und den Weg, wie man dies ggf. umgehen könnte, hinweist. "Antrag muss binnen 12 Monaten nach Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung gestellt werden" ist eine extrem unglückliche Formulierung. Ein "wird der Antrag binnen 12 Monaten nach Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung gestellt, erfolgt die Neueingruppierung unter Verlust der Stufenlaufzeit rückwirkend zum 1.1.2020 bzw. dem Zeitpunkt der Aufnahme der neu bewerteten Tätigkeiten. Bei späterem Antrag erfolgt die Neueingruppierung 6 Monate rückwirkend (Ausschlussfrist nach TV-H)" wäre besser. Momentan erweckt Verdi den Eindruck, als müsse man den Antrag binnen 12 Monaten stellen, danach gäbe es nichts. Das ist so aber nicht richtig.
Dies betrifft natürlich nicht nur die neue Entgeltordnung - auch "Beförderungen" erfolgen regelmäßig zu ungünstigen Zeitpunkten. Auch da kann es sinnvoll sein, eine Höhergruppierung abzulehnen, die übertragenen höherwertigen Aufgaben aber tatsächlich auszuführen. Natürlich muss man sich bewusst sein, dass sich der Arbeitgeber gegen eine spätere Höhergruppierung sträubt und man ggf. Klage führen muss. Es ist daher stets geraten, in solchen Fällen zunächst auszurechnen, um wieviel Geld es dabei geht und sich anwaltlich beraten zu lassen.