Autor Thema: Abmahnung rechtens?  (Read 19570 times)

Achim

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Abmahnung rechtens?
« am: 15.09.2019 17:35 »
Vor einigen Jahren bekam ich eine Abmahnung, weil ich bei Facebook einen Beitrag während der Kernarbeitszeit (9 bis 15 Uhr) geschrieben habe. Der Arbeitgeber konnte es nachweisen, weil er anhand der elektronischen Zeiterfassung genau nachweisen konnte, dass ich an dem besagten Tag am Arbeitsplatz anwesend war, als der Beitrag bei Facebook geschrieben wurde. Einen Satz bestehend aus lediglich drei Wörtern habe ich mit dem Smartphone geschrieben, als ich auf dem Klo war. Mehr konnte mir der Arbeitgeber diesbezüglich nicht nachweisen. Mag sich lächerlich anhören, aber ich bekam dafür tatsächlich eine Abmahnung. Eigentlich wollte mir der Arbeitgeber etwas anderes vorwerfen, aber das konnte er mir nicht nachweisen. Ist die Abmahnung nach eurem Rechtsgefühl rechtmäßig erfolgt? Ich bezweifel das. Drei Wörter tippe ich in weniger als einer Minute. Wenn es danach gehen würde, dann könnte man ja auch für jedes kurze private Telefongespräch abgemahnt werden. Aber ist wie gesagt schon mehr als 5 Jahre her. Ist auch fraglich, ob die Abmahnung überhaupt noch in meiner Personalakte liegt.

Spid

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #1 am: 15.09.2019 17:38 »
Der TVÖD trifft dazu naheliegenderweise keine Regelung. Gefühlchen sind unbeachtlich. Wer während der Arbeitszeit privaten Verrichtungen nachgeht, vollendet grundsätzlich einen abmahnwürdigen Tatbestand. Das gilt auch für Privatgespräche. Arbeitszeit dient -Überraschung! - dem erbringen der geschuldeten Arbeitsleistung.

Mask

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #2 am: 15.09.2019 17:55 »
Ist auch fraglich, ob die Abmahnung überhaupt noch in meiner Personalakte liegt.

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Dann wäre doch am sinnvollsten, erstmal Einsicht in die Personalakte zu nehmen (dazu trifft der TVöD sogar eine Regelung §3 V ).

Wenn nichts mehr da ist, ist alles weitere müßig. ( Allerdings neigen viele AGs seit Emmely dazu, Abmahnungen unbegrenzt aufzubewahren).

Spid

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #3 am: 15.09.2019 18:00 »
Warum auch nicht? Das BAG hat mit Urteil v. 13.07.2012 - Az. 2 AZR 782/11 entschieden, daß eine rechtmäßig erteilte Abmahnung in der Akte verbleiben darf und der AN keinen Anspruch auf Entfernung hat.

Achim

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #4 am: 15.09.2019 18:05 »
Ja, das habe ich auch mal irgendwo gelesen. Aber eine Abmahnung verliert mit dem Ablauf von einigen Jahren ihren Wert als Vorbereitung für eine Kündigung. Da meine Abmahnung älter als 5 Jahre ist, dürfte sie arbeitsrechtlich wertlos sei.

Und das habe ich im Internet gefunden:
"Darüber hinaus muss der Arbeitgeber nachweisen, dass es durch die Internet-Nutzung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung gekommen ist. "
Oder anders ausgedrückt, die drei geschriebenen Wörter bei Facebook dürften im Ernstfall für eine Kündigung nicht reichen, weil das ganz bestimmt keine erhebliche Beeinträchtigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung ist.

Spid

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #5 am: 15.09.2019 18:17 »
Weshalb der AG ja das mildere Mittel der Abmahnung gewählt hat.

inter omnes

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #6 am: 15.09.2019 20:03 »
Wie Spid bereits schrieb ist für einen etwaigen Entfernungsanspruch maßgebend, ob die Abmahnung rechtmäßig ist.
Hieran bestehen m.E. bei der gegebenen Sachverhaltsschilderung ernsthafte Zweifel. Das gerügte Verhalten hat absoluten Bagatellcharakter, das die Schwelle zur abeitsvertraglichen Pflichtverletzung nach meiner Einschätzung nicht überschritten hat.

RsQ

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #7 am: 15.09.2019 20:07 »
Aber hätte man das sinnvollerweise nicht bereits bei Entstehung (also vor fünf Jahren) klären können/sollen/müssen?

Spid

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #8 am: 15.09.2019 20:30 »
Wie Spid bereits schrieb ist für einen etwaigen Entfernungsanspruch maßgebend, ob die Abmahnung rechtmäßig ist.
Hieran bestehen m.E. bei der gegebenen Sachverhaltsschilderung ernsthafte Zweifel. Das gerügte Verhalten hat absoluten Bagatellcharakter, das die Schwelle zur abeitsvertraglichen Pflichtverletzung nach meiner Einschätzung nicht überschritten hat.

Es bleibt allerdings dabei, daß AN die Arbeitszeit ausschließlich für die Zwecke des Unternehmens einzusetzen haben. Social Media-Nutzung über private Smart Phones in der Arbeitszeit ist insofern weiterhin von der expliziten Gestattung durch den AG abhängig. Sofern dies nicht der Fall ist - und ich vermag derlei der Sachverhaltsschilderung nicht entnehmen - handelt es sich um eine Verletzung der Hauptpflicht des AN. Sieht die Kommentierung auch so, z.B. Haufe,
Personal Office Platin, Frik, HI2590046. Derlei kann selbstverständlich abgemahnt werden. Es ist qualitativ der gleiche Verstoß wie eine absichtlich zu geringe Gehaltszahlung durch den AG.

inter omnes

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #9 am: 15.09.2019 21:07 »
Grundsätzlich ist das so auch richtig, der geschilderte Fall würde aber wohl bei einer Gesamtbetrachtung nicht ausreichen, um die Schwelle zur Pflichverletzung zu erreichen. Selbst wenn man aber diese annehmen würde, wäre fraglich, ob eine Abmahnung i.S.d. BAG-Rechtsprechung in solchen Fällen als verhältnismäßig anzusehen ist.
Nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten rechtfertigt eine Abmahnung. Unverhältnismäßig ist eine Abmahnung dann, wenn diese dem abgemahnten Mitarbeiter große Nachteile zufügt, obwohl andere, weniger drastische Maßnahmen ausgereicht hätten, zum Beispiel eine bloße Ermahnung. Das Abmahnen von Bagatelverstößen ist daher unverhältnismäßig (BAG vom 30.05.1996, 6 AZR 537/95)-


Spid

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #10 am: 15.09.2019 21:26 »
Es handelt sich um einen Verstoß gegen die Hauptpflicht des AN, den dieser mit Vorsatz begangen hat. Wie kann man da von geringfügig reden? Fändest Du es geringfügig, wenn Dein AG Dir vorsätzlich 41,57€ weniger Entgelt überweisen würde?

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #11 am: 15.09.2019 21:36 »
Die Richtigkeit des Sachverhalts unterstellt, haben wir einen AN der während der Verrichtung seiner Notdurft einen Social-Media-Beitrag unter einer Minute Zeitdauer verfasst hat. Da die Verrichtung der Notdurft als solche bereits ein vom Arbeitgeber hinzunehmendes, sozialübliches Verhalten darstellt, vermag ich keine Verletzung der Hauptpflicht zu erkennen, wenn der Gang zur Schüssel nicht in dem Hauptzweck bestand, den besagten Beitrag zu verfassen und sich die "Sitzung" dadurch nicht verlängerte.

Spid

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #12 am: 15.09.2019 22:08 »
Deine Argumentation geht dahingehend fehl, als daß es für den Verstoß unbeachtlich ist, ob der AN ohnehin an der Leistungserfüllung gehindert gewesen wäre. Deutlich wird das daran, daß der AN auch einen Pflichtverstoß beginge, wenn er sich während der Arbeitszeit einen Döner holt, weil er gerade 15 Minuten nicht seinen Rechner benutzen kann, weil ein automatisches Update installiert wird.

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #13 am: 15.09.2019 22:14 »
Der von dir konstruierte Fall ist nicht mit dem vorliegenden vergleichbar, nicht nur, weil das Leisungshindernis dort nicht in der Person des Arbeitnehmers liegt, sondern auch weil der Arbeitsort hier durch den AN verlassen wird, ohne dass dies der Arbeitgeber dulden müsste.

Spid

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Antw:Abmahnung rechtens?
« Antwort #14 am: 15.09.2019 22:20 »
Ich habe auch nicht behauptet, daß der Fall vergleichbar wäre, noch wäre dies erforderlich für mein Argument. Ich habe lediglich an einem Beispiel verdeutlicht, daß es für den Pflichtverstoß unbeachtlich ist, ob der AN ohnehin an der Leistungserfüllung gehindert gewesen wäre.