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Nichts als die Wahrheit in einem Vorstellungsgespräch?!
WasDennNun:
Dem kann ich nur beipflichten, man hat ja die "Probezeit", die man für so etwas ja eben nutzen kann.
Warum jemanden der eine brüchige Vergangenheit nicht eine Chance geben, wenn die anderen subjektive und objektive Kriterien nicht dagegen sprechen.
Tilly:
Ich beschäftige mich intensiver damit, so habe ich reflektiert, weil ich 1. noch relativ wenig Erfahrung habe (man lernt ja nie aus!) und 2. wenn ich an der Stelle des Mannes gewesen wäre, ich mich nicht getraut hätte, so eigene Fehler anzusprechen, was ja aber auch von einer gewissen Selbstreflexion spricht und auch davon, davon bin ich überzeugt, dass der Mann wohl nie wieder dieselben Fehler machen wird, wobei wir alle, und das ist gut so, nicht fehlerfrei sind. Selbst die, die es immer sein wollen und behaupten. Ich hatte "größere Probleme" damit, dass er seine ehemalige Vorgesetzte so erwähnt. Eigentlich soll man ja nicht schlecht über ehemalige Vorgesetzte/Arbeitgeber sprechen, wenn es aber für einen dienlich ist, bevor man irgendwelche Geschichten erfindet, die einen später einholen können, warum sollte man tatsächlich nicht die subjektive Darstellung offenlegen? Dass er mit der Kündigung vor Ablauf der Probezeit zu knabbern hat(te), merkte man diesem "Kerl wie ein Baum" dann doch an. Das machte ihn, nicht nur für mich, sehr menschlich und überaus sympathisch.
Natürlich kann und wollte ich von Euch nicht verlangen, wie ihr zu diesem Mann steht. Hätte ich das so gelesen, hätte ich auch überwiegend eher "Nein" gesagt. Da spielt sicherlich das "Gesamtpaket" eine sehr wichtige Rolle! In meiner Ausbildung und auf Seminaren habe ich gelernt, dass Stellenbesetzungsverfahren menschlicher werden müssen und habe dabei gemerkt, dass gerade die alten Hasen, aber nicht pauschal, damit gewisse Probleme haben. Es zählt immer erst das Fachliche, hört man oft. Aber wir alle haben irgendwann einmal klein angefangen und wenn man möchte, dann kann man (fast) alles lernen. Man kann sich für den fachlich Besten am Ende der Gespräche entscheiden, man stellt diese Person ein, und die ist ein riesengroßes ... Man kann sich aber auch für jemanden entscheiden, in den man bisschen mehr Einarbeitungszeit investieren muss und man bekommt den besten Mitarbeiter/Kollegen überhaupt. Stellenbesetzungsverfahren ist auch immer für uns Arbeitgeber/Personaler ein gewisses "Glücksspiel". Deswegen ja auch die Probezeit. Ich bin mir sicher, dass viele Arbeitgeber lieber den sicheren Weg gehen, entsprechende Personalentscheidungen treffen, die sie dann sehr schnell bereuen, aber dann oftmals in diesen Fällen eben nicht die Reißleine ziehen, sondern alles so weiterlaufen lassen. Ich bin mir sicher, dass im Falle des Mannes die Situation beim vorherigen Arbeitgeber eine gänzlich andere gewesen wäre, wenn er eineN VorgesetzteN gehabt hätte.
Mich würden halt aber auch von Euch irgendwelche Fälle interessieren, wo ihr mal positiv oder vielleicht auch negativ in Gesprächen und nach Einstellungen überrascht worden seid. Wo ihr mal mit offenen Augen und Ohren vielleicht jemandem zugehört habt, als wenn ihr ein spannendes Buch gelesen oder spannenden Film gesehen habt.
Tagelöhner:
Natürlich soll man vielversprechenden Bewerbern eine Chance geben und innerhalb der Probezeit herausfinden, ob Leistung und Charakter für ein unbefristetes Arbeitsverhältnis sprechen.
Wenn ich aber alleine die Beschreibung ...
--- Zitat ---Eingeladen wurde ein Mann, Anfang 40, mit einem wilden, abenteuerlichen, bunten Lebenslauf. D. h., die verschiedensten Tätigkeiten im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft. Viele befristete, z. T. auch sehr kurze, Arbeitsverhältnisse, zwischenzeitlich mal drei Jahre am Stück arbeitslos und so auch immer mal paar Wochen zwischen zwei Beschäftigungen. In den drei Jahren jobbte er als Regalauffüller, Statist, Pizzabote, Hilfsarbeiter in einer Autowerkstatt, Briefzusteller, Datenerfasser, Verpacker.
--- End quote ---
...lese, klingeln bei mir die Alarmglocken. Aber man kann ja aus meist allem etwas Positives ableiten, hier z. B. eine große Verwendungsbreite oder Flexibilität usw.
Meine Erfahrung ist eher, dass derartig brüchige Lebensläufe meist auch negative Rückschlüsse auf den Bewerber zulassen wie z. B. fehlendes Durchhaltevermögen, Impulsivität, schwierige Charaktere die sich schlecht in Teams einfügen, sich schnell einstellende Langeweile usw. oder zusammengefasst, ein "Hallodri", der nicht weiß was er will oder nehmen muss was er überhaupt noch kriegt.
Ich habe eher den Eindruck Tilly ist selber noch ein wenig von Restzweifeln erschüttert und möchte sich hier sowas Ähnliches wie die "Absolution für ihr Bauchgefühl" abholen.
Ernst:
Und diese Antwort von einem User, der sich Tagelöhner nennt. ;-) Troll?
Das einzige, woran ich erkennen kann, dass Tilly noch ein wenig grün ist ... wild, bunt, abenteuerlich bezeichnet man keinen Lebenslauf.
Ich bin selbst ein Hallodri gewesen - bis Ende 30. Nach der Ausbildung zum VA keinen Job gefunden, dann Unfall gehabt. Wegen Unfall 3/4 Jahr krank, dann arbeitslos 2 Jahre. Die erwähnten Nebenjobs kommen mir nicht unbekannt vor. ;-) Habe selbst auch in Kneipen gearbeitet oder als Türsteher.
Danach gab es auch Befristungen oder Entscheidungen, den Arbeitgeber (vorzeitig) wechseln zu wollen, weil noch nicht mal mehr Geld, z. T. sogar auch weniger, aber dafür bessere Arbeitsatmosphäre, bessere Kollegen ...
Jetzt sitze ich seit vielen Jahren auch als Personaler in Bewerbungsgesprächen und was mir meine EIGENE Erfahrung gezeigt hat, dass solche Menschen, wie der beschriebene Mann die viel zuverlässigeren Arbeitnehmer sind. Auch ist nichts langweiliger, als einen Menschen gegenüber sitzen zu haben, der seit 25 Jahren in einer kleinen Kommunalverwaltung ein und dasselbe gemacht hat und nur des Geldes wegen auf einmal was anderes machen möchte. Geld ist ohnehin immer der falsche Antrieb!
Es ist durchaus legitim, in den verschiedensten Bereichen Erfahrungen zu sammeln, um zu wissen, was einem gefällt und was nicht. Bei dem einen dauerts länger und bei dem anderen geschieht das nie. Dienst nach Vorschrift bis zur Rente. Schnarch!
Aufgrund unzähliger Bewerbungsgespräche, kann ich sagen, dass der Mann der pure Durchschnitt ist. Und das ist durchaus positiv gemeint. 3 Jahre arbeitslos? Ich habe regelmäßig welche vor mir sitzen, die das toppen. Nebenjobs ohne Ende in der Arbeitslosigkeit? Warum nicht? Faul? Fühlt sich als was Besseres? Sich zu schade, um mal richtig anzupacken? Verschiedenste Arbeitgeber und somit verschiedene Aufgaben? Besser, als z. B. arme Justizfachangestellte, die sich Kettenbefristungen gefallen lassen. Und, ich habe schon wirklich die wildesten Storys gehört. Die meisten schlicht und ergreifend erfunden (Mimik, Gestik, Körpersprache), aber es gibt tatsächlich immer wieder einfach Lebensgeschichten, die kein Autor hätte besser schreiben können.
Ich selbst halte Workshops bzgl. Stellenbesetzungsverfahren und die Meinung von Tagelöhner ist leider in vielen Köpfen drin. Das muss ich selbst als älterer Hase, der jung - körperlich und geistig - geblieben ist, leider sagen. Ich möchte nicht, dass man seine eigene Meinung komplett ändert. Nur sollte man die eigene private Meinung strikt von der beruflichen trennen und in JEDES Bewerbungsgespräch vollkommen vorurteilsfrei reingehen. Wenn man die Bewerbungen auf den Tisch bekommt und da schon keine Lust hat, dann sollte man gar nicht erst am Gesprâch teilnehmen und/oder seine Einstellung überdenken. Diese "Kollegen" projezieren dann sehr oft ihre fehlgeleitete Meinung auf andere Teilnehmer und beeinflussen negativ andere. So habe ich schon leider oft von fachlichen Teilnehmern ein Nein gehört, obwohl es nur ein Nein gab und andere mit einem "ja, aber ..." umgestimmt hat. Glücklicherweise nimmt das ab und es gibt sehr oft auch wahre Glücksgriffe mit Bewerbern, die man so nicht auf dem Schirm hatte.
Tilly, es lohnt sich! Sei mutig, hör auf dein Bauchgefühl - aber nicht unbedingt eine halbe Stunde nach zwei Tellern Kohlsuppe!
Falls der Mann dann doch nicht das gelbe vom Ei sein sollte, gibt es während der Probezeit auch die Möglichkeit, Feedbackgesprâche zu führen. Die, meiner Meinung nach, noch immer viel zu selten im öffentlichen Dienst geführt werden. Woher soll der "arme" Mitarbeiter in der Probezeit wissen, was vielleicht nicht so zur Zufriedenheit der Vorgesetzten läuft, wenn man ihm das nicht mal entsprechend verbal vor den Latz knallt?
Ich hoffe, Du entscheidest weise und ich habe das starke Gefühl, dass Du bereits jetzt eine ganz Große bist und noch eine tolle Karriere vor Dir hast!
HG
Feidl:
Brüchiger Lebenslauf sollte sicher kein Grund sein, jemanden pauschal abzulehnen.
Aber ob der Kandidat mit seiner abwechslungsreichen Erfahrung geeignet ist, würde ich von der Stelle abhängig machen.
--- Zitat von: Ernst am 29.03.2020 14:42 ---Auch ist nichts langweiliger, als einen Menschen gegenüber sitzen zu haben, der seit 25 Jahren in einer kleinen Kommunalverwaltung ein und dasselbe gemacht hat und nur des Geldes wegen auf einmal was anderes machen möchte.
--- End quote ---
Muss man nun auch in Vorstellungsgesprächen des öD eine Unterhaltungsshow bieten? ;D Wenn ich das könnte, wäre ich in die Medienbranche gegangen. Zum Glück hab ich schon eine sichere Stelle.
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