Beamte und Soldaten > Beamte der Länder

[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

<< < (51/1576) > >>

WasDennNun:
Auch wenn es blöd klingt, aber ich verstehen immer noch nicht, warum nicht eine Absenkung/Anhebung des Grundgehaltes um ein Euro reicht, wenn parallel dazu der FamZuschlag um X erhöht wird?
X wird nach der 115% Grenze bemessen, sprich kann durchaus bei Stufe 1 eine Erhöhung um 30% des aktuellen Grundgehaltes sein.

Irgendwie kleben die Berechnungen daran, dass man sagt: Grundgehalt muss für Ehepaar mit 2 Kinder reichen, aber das ist doch nicht der in Stein gemeiselt, oder doch?
Das Problem der illegalen Mindestalimentation, besteht doch nur bei Familien mit Kindern, sonst doch nicht.

Und der böse Dienstherr könnte ja sogar so weit gehen, dass er jetzt feststellt, dass der Abstand der Alimentation zwischen Singles und Familie ja nicht korrekt ist und man die Überalimentation der Singles zukünftig korrigieren muss. zynisch gesagt.

Euphyll:
Überalimentation der Singles? Wie nennt man denn dann Beschäftigte, die unter IG-Metall-Tarifvertrag fallen? Der ÖD muss sich am besseren orientieren und nicht an Leihfirmen!

Warum ein System, das anscheinend funktioniert, kaputt machen und nach unten korrigieren? Sehe ich nicht ein, dass "familien" neben FZ, KIZ im FZ und Kindergeld, Beihilfe von 80 bzw. 70 v. H. von singles unterstützt werden sollten....
Für Bayern halte ich Kürzungen für ausgeschlossen. Wird nämlich bei dem personalmangel nicht jeder mit machen.

SwenTanortsch:

--- Zitat von: WasDennNun am 22.08.2020 19:06 ---Auch wenn es blöd klingt, aber ich verstehen immer noch nicht, warum nicht eine Absenkung/Anhebung des Grundgehaltes um ein Euro reicht, wenn parallel dazu der FamZuschlag um X erhöht wird?
X wird nach der 115% Grenze bemessen, sprich kann durchaus bei Stufe 1 eine Erhöhung um 30% des aktuellen Grundgehaltes sein.

Irgendwie kleben die Berechnungen daran, dass man sagt: Grundgehalt muss für Ehepaar mit 2 Kinder reichen, aber das ist doch nicht der in Stein gemeiselt, oder doch?
Das Problem der illegalen Mindestalimentation, besteht doch nur bei Familien mit Kindern, sonst doch nicht.

Und der böse Dienstherr könnte ja sogar so weit gehen, dass er jetzt feststellt, dass der Abstand der Alimentation zwischen Singles und Familie ja nicht korrekt ist und man die Überalimentation der Singles zukünftig korrigieren muss. zynisch gesagt.

--- End quote ---

Nein, wie gesagt, die Grundprämisse ist falsch. Der Besoldungsgesetzgeber kann nicht einfach die vom Bundesverfassungsgericht deutlich höher festgesetzte Mindestalimentation verteilen, wie er will. Stattdessen hat er die Wirkung ihrer Entstehung zu berücksichtigen.

Ich versuche es noch einmal am Jahr 2014 darzulegen. Das Land Berlin wird zur Bestimmung des sozialhilferechlichen Grundsicherungsniveaus folgende Werte auf Grundlage der Übersicht 2, 3 und 4 des 9. Existenzminimumberichts v. 07.11.2012, BT-Drs. 17/11425, S. 4 f. zugrunde gelegt haben:

a) pauschalisierte Regelleistung für 2 Erwachsene: 8.448,- €
b) pauschalisierte Regelleistung für 2 Kinder: 6.192,- €
c) pauschalisierte Unterkunftskosten: 4.560,- €
d) pauschalisierte Heizkosten: 1.008,- €
e) pauschalisierte Bedarfe f. Bildung und Teilhabe: 456,- €
Summe des Gundsicherungsniveaus: 20.664,- €

Das Grundsicherungsniveau muss mit dem Faktor 1,15 multipliziert werden, um die Mindestalimentation zu berechnen:

Mindestalimentation: 23.763,60 €

Die vom Land Berlin tatsächlich gewährte Nettoalimentation für eine vierköpfige Beamtenfamilie, dessen Ernährer sich im Jahr 2014 in der Eingangstufe der untersten Besoldungsgruppe befand, hat das Bundesverfassungsgericht mit 23.688,32 € beziffert.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner aktuellen Entscheidung die pauschalisierte Erstellung der Faktoren a) und b) als realitätsgerecht anerkannt und ihre entsprechende Festsetzung für verfassungskonform erklärt; es legt deshalb diesbezüglich die praktisch identischen Summe zugrundegelegt (er hat hier einen Mehrbetrag von 26.64 € zugrunde gelegt, den ich vernachlässige).

Eine pauschalisierende Erfassung der Faktoren c) bis e) hat das Bundesverfassungsgericht für nicht realitätsgerecht erklärt und deshalb eine entsprechende Festsetzung auf rein pauschalisierende Weise als jeweils einen Normverstoß beurteilt. Zugleich hat es anhand einer realitätsgerechten Methodik die nachfolgend festgehaltenen Kosten festgesetzt:

a) pauschalisierte Regelleistung für 2 Erwachsene: 8.448,- € (keine Veränderung)
b) pauschalisierte Regelleistung für 2 Kinder: 6.192,- € (keine Veränderung)
c) Unterkunftskosten: 11.400,06 € (+ 6.840,06 € gegenüber dem Existenzminimumbericht)
d) Heizkosten: 1.861,50 € (+ 853,50 €)
e) Bedarfe f. Bildung und Teilhabe: 893,52,- € (+ 437,52 €)
Summe des Grundsicherungsniveaus: 28.821,72 €

Die Mindestalimentation wurde folglich auf: 33.144,98 € festgesetzt.

Das Land Berlin hat jetzt allen Beamten einer vierköpfigen Familie, deren Ernährer sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe befindet, die Differenz von Mindestalimentation und tatsächlich gewährter Nettoalimentation zu erstatten, also: 9.381,38 €.

Zugleich muss es nun anhand der Mindestalimentation von 33.144,98 als einzigem Ausgangspunkt die neue Bruttobesoldungssystematik erstellen.

Dabei darf das Land Berlin nicht willkürlich verfahren, sondern muss die aus der sozialgesetzlichen Entstehung der Mindestalimentation fortgesetzte Wirkung beachten: Das heißt konkret:

Die Regelleistungen zu a) und b) (also für zwei Erwachsene und zwei Kinder) haben sich nicht verändert. Ihr Ort ist bei der Bestimmung der Besoldungssystematik generell und also auch weiterhin identisch zum allergrößten Teil das Grundgehalt und zu einem geringen Teil der Familienzuschlag. Wäre das anders, müssten schon jetzt die Familienzuschläge deutlich höher liegen.

Die Bedarfe von Bildung und Teilhabe zu e) haben sich zwar deutlich erhöht, sie machen aber einen betragsmäßig nur geringen Anteil der Alimentation aus. Die Erhöhung von mehreren hundert Euro dürften ausschließlich dem Familienzuschlag zufließen und also in ihm zu berücksichtigen sein.

Bleiben c) die Unterkunfts- und d) die Heizkosten. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die realitätsgerechten Kosten im Land Berlin sowohl, was die Heizkosten, als auch, was die Unterkunftskosten betrifft, deutlich höher liegen als vom Besoldungsgesetzgeber bislang ermittelt und zugrunde gelegt. Realitätsgerecht ist weiter, dass sich diese Kosten nicht nur für Familien mit zwei Kindern, sondern generell deutlich erhöht haben. Also müssen diese erhöhten Kosten auch generell bei der Alimentation aller Beamten und nicht nur bei Familien mit zwei Kindern Beachtung und Berücksichtigung finden.

Da die Unterkunfts- und Heizkosten ursprünglich anhand der Festsetzung des Grundsicherungsniveaus bestimmt wurden und da sie dort aus Anteilen, die auf die beiden Erwachsenen zurückzuführen sind, und aus Anteilen, die auf die beiden Kinder zurückzuführen sind, entstehen, wird ein gewisser Teil aus c) und d) in den Familienzuschlag fließen - da aber am Ende die Eltern und nicht die Kinder die Kosten begleichen, da ersterer die Mieter und Kunden des Wärmeanbieters sind und nicht die Kinder, wird der größte Teil zu c) und d) nicht in den Familienzuschlag fließen können, sondern muss zu hohen Anteilen in das Grundgehalt fließen. Auch das war bislang so der Fall, ansonsten müssten heute schon die Familienzuschläge deutlich höher liegen.

Folgendes Vorgehen ginge folglich gleichzeitig nicht:

I. Beamter einer vierköpfigen Familie: Das Grundgehalt wie II. und alle weiteren Zuschläge wie II. sowie der Familienzuschlag ergeben eine Summe von 33.145,-, sodass hier die Mindestalimentation erfüllt wäre.

II. Lediger Beamter: Das Grundgehalt wie I und alle weiteren Zuschläge wie I sowie kein Familienzuschlag ergeben eine Summe von 23.764,- € mit der Begründung, nun sei ja die Mindestalimentation anhand der pauschalisierten Kosten aus dem Existenzminimumbericht erfüllt.

Denn einem solchen Vorgehen lägen sachfremde Erwägung zugrunde, da es erstens nicht realitätsgerecht wäre, dass sich offensichtlich nur die Unterkunfts- und Heizkosten für Familien mit Kindern, nicht aber auch für ledige und verheiratete Beamten ohne Kinder erhöht hätten, und da darüber hinaus zweitens das willkürliche Interesse des Dienstherrn durchschimmerte, mittels einer nicht realitätsgerechten Besoldungsdifferenzierung Personalkosten einzusparen.

Ergo: Insbesondere die vom Bundesverfassungsgericht deutlich höher festgesetzten Unterkunftskosten müssen - auch aus den weiteren zu beachtenden Grundsätzen, die ich die letzten Tage dargelegt habe - zu einer deutlichen Erhöhung des Grundgehalts für alle Beamten führen, alles andere wäre nicht realitätsgerecht und beruhte letztlich auf sachfremden Erwägungen.

WasDennNun:

--- Zitat von: Euphyll am 22.08.2020 23:30 ---Überalimentation der Singles? Wie nennt man denn dann Beschäftigte, die unter IG-Metall-Tarifvertrag fallen? Der ÖD muss sich am besseren orientieren und nicht an Leihfirmen!

Warum ein System, das anscheinend funktioniert, kaputt machen und nach unten korrigieren? Sehe ich nicht ein, dass "familien" neben FZ, KIZ im FZ und Kindergeld, Beihilfe von 80 bzw. 70 v. H. von singles unterstützt werden sollten....
Für Bayern halte ich Kürzungen für ausgeschlossen. Wird nämlich bei dem personalmangel nicht jeder mit machen.

--- End quote ---
Es geht doch "nur" darum bis wohin der Dienstherr einen nach unten verarschen kann.
Was sinnvoll ist oder wäre um dem Personalmangel, Besten auslese etc. zu begegnen hat damit doch nichts zu tun.

uniprof:

--- Zitat ---
Da alle vier Besoldungsordnungen - A, B, R und W - ob der abgestuften Wertigkeit der Ämter aufeinander beziehbar sein müssen und allesamt dem Abstandsgebot unterliegen, ist heute bereits klar, dass der massiv verfasungswidrige Charakter der R-Besoldungsordnung genauso für die A- und B-Besoldungsordnungen gilt - die W-Besoldungsordnung wird noch einmal gesondert zu überprüfen sein, weil ihr systematisch ein Zulagensystem nach Leistung inhärent ist, das die A-, B- und R-Ordnungen so nicht kennen.


--- End quote ---

In der Vergangenheit wirkte sich eine Erhöhung des W2/W3-Grundgehaltes, zumindest in NRW, in der Regel nicht aus, da die aufgrund der Unteralimentierung damals nötige Erhöhung des W2/W3-Grundgehaltes um 600 bzw. 300€ mit den Leistungszulagen schlimmstenfalls komplett verrechnet wurden. Ist nicht davon auszugehen, dass dies auch hier der Fall sein wird, und man daher oft leer ausgehen wird, es sei denn, es wird auch die Familienzulage erhöht?

Subjektiv fühle ich mich allerdings nicht unteralimentiert, zumal ich mit meinen Leistungszulagen zufrieden sein kann und auch einen Beruf habe, den ich sehr gerne ausführe und der mir auch sehr viele Freiheiten bei großer Sicherheit gibt. Bei jüngeren Kolleg*innen, insbesondere in Fächern, in denen es keine Alternative in der freien Wirtschaft gibt, sieht das finanziell schon ganz anders aus.

Im Übrigen kann ich mir nicht vorstellen, dass Erhöhungen in der hier diskutierten Größenordnung politisch überhaupt durchsetzbar wären.

Navigation

[0] Message Index

[#] Next page

[*] Previous page

Go to full version