Beamte und Soldaten > Beamte der Länder

[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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micha77:
Irgendwie ist das ganze Thema noch schwer zu greifen (obwohl eigentlich von Swen detailiert erklärt).

1. Was ich mich frage, wenn das BVerfG die Heiz-, Unterkunfts- und Bildung u Teilhabekosten als nicht mehr zeitgemäß und als verfassungswidrig ansieht, mag ich mir gar nicht ausdenken, wie die kommenden Lohnsteigerungen aussehen müssten.
Das BVerfG legt für 2015 eine Mindestalimentation von 33.651€ fest. Wenn ich nun davon ausgehe, wie von Swen erwähnt die Steigerung bis 2020 irgendwo zw. 2.2 und 3.5% p.a. liegt, dann ergibt sich das größtenteils aus den steigenden Unterkunftskosten.
Wenn ich von Lohnsteigerungen im Mittel zw. 2-3% (brutto!) pro Jahr ausgehe, dann wären doch damit gerade mal die Unterkunftskosten ausgeglichen. Was ist mit Heizkosten, Bildung und Teilhabe und Inflationsausgleich?
Brauche ich dann überhaupt noch Gewerkschaften oder Tarifverhandlungen, wenn ich die Lohnerhöhungen sowieso mit den vorliegenden Parametern abgleichen muss?

2. Wenn ich vll. davon ausgehe, die jeweiligen Länder müssten den Beamten/Richtern u Soldaten(?) durchschnittlich 4.000€ im Jahr mehr zahlen, dann sind das alleine für Hessen jährlich 612 Mio Euro Mehrkosten (ausgehend von 153.000 Beamten/Richtern/Soldaten Stand 2016)...wo soll das herkommen?

3. Wieso geht der hessische Besoldungsgesetzgeber nur von einem Regelbedarf (A5/A6) von mtl. 1595,- € (~19.000€ im Jahr) bei einer Familie mit 2 Kindern aus http://oeffentlicher-dienst.info/pdf/he/he-d-20-625.pdf Tabellen Seite 21, wenn dieser Wert schon alleine durch die Regelbedarfe für zwei Erwachsene, zwei Kinder, Bildung und Teilhabe und Heizkosten errreicht wird (ohne Unterkunftskosten)?

4. muss der Gesetzgeber die Unterkunftskosten zwingend für die letzten 5 Jahre erhöhen, dass die Mindestalimentation von 33.651€ auf Swens rund 39.000€ steigt? Oder kann er einfach die Werte von 2015 so stehen lassen, bis ihn wieder die höchsten Gerichte dazu zwingen die Werte anzugleichen? 

Auch in Hessen sickert das Thema so langsam durch. Bei einem Treffen des DBB mit der FDP-Landtagsfraktion war u.a. das Thema "die jüngste Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht zur Alimentation von Beamten"

was_guckst_du:
...hat eigentlich schon jemand mal darüber nachgedacht, dass die Entscheidung des BVerG für die Beamtenschaft auch ein "Phyrrussieg" sein könnte?...

...sozusagen der Anfang vom Ende des Berufsbeamtentums mit all seinen (Alimentations)Grundsätzen?...

Chrisdus:

--- Zitat von: was_guckst_du am 29.08.2020 17:23 ---...hat eigentlich schon jemand mal darüber nachgedacht, dass die Entscheidung des BVerG für die Beamtenschaft auch ein "Phyrrussieg" sein könnte?...

...sozusagen der Anfang vom Ende des Berufsbeamtentums mit all seinen (Alimentations)Grundsätzen?...

--- End quote ---

Warum sollte es das?

SwenTanortsch:

--- Zitat von: micha77 am 29.08.2020 16:14 ---Irgendwie ist das ganze Thema noch schwer zu greifen (obwohl eigentlich von Swen detailiert erklärt).

1. Was ich mich frage, wenn das BVerfG die Heiz-, Unterkunfts- und Bildung u Teilhabekosten als nicht mehr zeitgemäß und als verfassungswidrig ansieht, mag ich mir gar nicht ausdenken, wie die kommenden Lohnsteigerungen aussehen müssten.
Das BVerfG legt für 2015 eine Mindestalimentation von 33.651€ fest. Wenn ich nun davon ausgehe, wie von Swen erwähnt die Steigerung bis 2020 irgendwo zw. 2.2 und 3.5% p.a. liegt, dann ergibt sich das größtenteils aus den steigenden Unterkunftskosten.
Wenn ich von Lohnsteigerungen im Mittel zw. 2-3% (brutto!) pro Jahr ausgehe, dann wären doch damit gerade mal die Unterkunftskosten ausgeglichen. Was ist mit Heizkosten, Bildung und Teilhabe und Inflationsausgleich?
Brauche ich dann überhaupt noch Gewerkschaften oder Tarifverhandlungen, wenn ich die Lohnerhöhungen sowieso mit den vorliegenden Parametern abgleichen muss?

2. Wenn ich vll. davon ausgehe, die jeweiligen Länder müssten den Beamten/Richtern u Soldaten(?) durchschnittlich 4.000€ im Jahr mehr zahlen, dann sind das alleine für Hessen jährlich 612 Mio Euro Mehrkosten (ausgehend von 153.000 Beamten/Richtern/Soldaten Stand 2016)...wo soll das herkommen?

3. Wieso geht der hessische Besoldungsgesetzgeber nur von einem Regelbedarf (A5/A6) von mtl. 1595,- € (~19.000€ im Jahr) bei einer Familie mit 2 Kindern aus http://oeffentlicher-dienst.info/pdf/he/he-d-20-625.pdf Tabellen Seite 21, wenn dieser Wert schon alleine durch die Regelbedarfe für zwei Erwachsene, zwei Kinder, Bildung und Teilhabe und Heizkosten errreicht wird (ohne Unterkunftskosten)?

4. muss der Gesetzgeber die Unterkunftskosten zwingend für die letzten 5 Jahre erhöhen, dass die Mindestalimentation von 33.651€ auf Swens rund 39.000€ steigt? Oder kann er einfach die Werte von 2015 so stehen lassen, bis ihn wieder die höchsten Gerichte dazu zwingen die Werte anzugleichen? 

Auch in Hessen sickert das Thema so langsam durch. Bei einem Treffen des DBB mit der FDP-Landtagsfraktion war u.a. das Thema "die jüngste Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht zur Alimentation von Beamten"

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Hallo Micha,

ich habe gerade auf der Seite der Bundesbeamten noch einmal die zentralen Grundlagen zusammengefasst.

Zu Deinen Fragen:

1. Du brauchst, wenn das neue Besoldungsanpassungsgesetz für Dein Bundesland beschlossen wird, erst einmal nichts durchzurechnen. Denn es ist dann die Aufgabe des Gesetzgebers, seine Entscheidungen gewissenhaft darzulegen und abzuwägen. Das ist bislang vielfach nicht geschehen, weil die Länder keine Konsequenzen zu befürchten hatten. In seiner aktuellen Entscheidung hat das Verfassungsgericht jetzt entschieden, dass eine mangelhafte Prozeduralisierung - also eine nicht ausreichende Darlegung der für das Gesetz nötigen Parameter und/oder keine ausreichende Abwägung der eigenen Entscheidungen - unabhängig von der materiellen Dimnension automatisch dazu führt, dass das Gesetzt verfassungswidrig ist.

2. Sofern das Land sich in einer Haushaltsnotlage befindet, muss es das innerhalb der Gesetzesbegründung glaubhaft beweisen. Sofern ihm das gelingt, muss es ein umfassendes Sparkonzept zum eigenen Haushalt vorlegen. Darin darf die Besoldung nur ein Teil der Einsparungsposten sein; die Beamten wären also anteilsmäßig an der zu bewerkstelligenden Haushaltssanierung zu beteiligen, indem sie zu einem verhältnismäßigen Teil zu der Haushaltskonsolidierung beitragen. Sofern ein Land ein entsprechendes Konzept nicht vorstellt und umfassend begründet - bislang hat noch kein Bundesland entsprechendes versucht (es lagen allerdings in den letzten Jahren auch keine Haushaltsnotlagen vor) -, kann es zu keinen Besoldungseinsparungen kommen. Der Gesetzgeber muss dann selbst wissen, wie er seine Kosten insgesamt begleicht. Das unterscheidet ihn diesbezüglich nicht von Dir oder mir.

3. Das Land Hessen hat eine spezielle Art, mit seinen Begründungspflichten umzugehen. Dort (HE-Drs. 20/625 v. 14.5.2019, S. 19 ff.; https://oeffentlicher-dienst.info/g/he-hbesvanpg-2019-2020-2021) werden mit Ausnahme der Bedarfe für Bildung und Teilhabe ansonsten durchgehend keine konkreten Werte genannt, womit praktisch im Ganzen die nötigen Prozeduralisierungspflichten verletzt werden. Zugleich wird hervorgehoben, dass der „Rückgriff auf den Existenzminimumbericht […] eine realitätsgerechte Bestimmung der Amtangemessenheit“ gewährleiste, was zum einen dafür sprechen sollte, dass durch den Rückgriff auf unzulässige Pauschalisierungen ein Normverstoß vorliegt, und was zum anderen offensichtlich sachlich falsch oder zumindest unschattiert ist, da sich die realitätsgerechte Bestimmung der Amtsangemessenheit notwendigerweise nicht aus der Festsetzung des Grundsicherungsniveaus allein ergeben kann. Die weitere Grundlagen der in der genannten Tabelle festgehaltenen Summe des Grundsicherungsniveaus sind wie gesagt nicht ersichtlich. Die Summe wird dann mit 1.595 Euro,- beziffert, ohne dass irgendwie verständlich wird, worauf sich der Wert bezieht (denn seine Prämissen werden ja nicht dargelegt). Allein deshalb ist das Gesetz nach der aktuellen Entscheidung des Verfassungsgerichts bereits verfassungswidrig.

4. Er wird am Ende für die Beamten, die zeitnah Widerspruch eingelegt oder ein Klageverfahren angestrengt haben, Nachzahlungen leisten müssen. Wer das nicht getan hat, wird keine Nachzahlungen erhalten. Ein Widerspruch für das aktuelle Kalenderjahr ist immer bis spätestens zum 30.12. des Jahres zu stellen (manche sagen auch: bis zum 31.12.). Sofern bis dahin kein Widerspruch gestellt worden ist, verfallen eventuelle Ansprüche. Das Stellen eines nachträglichen Widerspruchs (also z.B. heute für das Jahr 2019 oder noch frühere Jahre) ist ausgeschlossen.

was_guckst_du:
@Chrisdus

...weil es nicht mehr finanzierbar wird und weil die Schere zum Tarifbereich im öD zu weit auseinandergeht...da kommt man schnell auf den Gedanken, mal die Verfassung zu ändern...

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