Beamte und Soldaten > Beamte der Länder
[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
WasDennNun:
--- Zitat von: SwenTanortsch am 02.09.2020 23:00 ---Das Verfassungsgericht geht aber aus pragmatischen Gründen einen (wenn ich das richtig sehe, ich bin ja kein Jurist) rechtsrealistischen Weg und definiert ausschließlich eine Mindestalimentation – eben anhand des verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet.
--- End quote ---
Ich habe noch nicht alles gelesen und mich auf den Anfang deines PS gestürzt.
Was das Gericht aus pragmatischen Gründen berechnet hat ist ein Fallbeispiel, an dem man sich orientieren muss.
Das was das Gericht postuliert hat ist, dass eine Besoldungssystematik für jede Beamter den (individueller) Mindestabstand zur Grundsicherung einhalten muss.
Und dadurch wird aus dem Zahnlosen Tiger ein scharfes Schwert, weil es eine unterste Schmerzgrenze deklariert.
Jede zukünftige Besoldungssystematik, egal ob Bund oder Land oder ... kann leicht gekippt werden, wenn sie diese Grenze unterschreitet.
Das ist meine These und ich denke halt darüber nach, was dafür getan werden muss, damit dieses nicht eintritt und das nächste Besoldungsgesetz wieder vor dem BVerG landet.
Deswegen (bevor ich den Rest lese) die Frage:
Glaubst du, dass eine Besoldungssystematik verfassungskonform ist, die eine (rechnerische) Konstellation zulässt, die dazu führt, dass die Nettoalimentation eines Beamte mit X Kindern, die vom Gericht definierten Mindestabstand zur Grundsicherung unterschreitet?
Ein einfaches Ja oder Nein reicht mir.
SwenTanortsch:
--- Zitat von: WasDennNun am 03.09.2020 07:45 ---
--- Zitat von: SwenTanortsch am 02.09.2020 23:00 ---Das Verfassungsgericht geht aber aus pragmatischen Gründen einen (wenn ich das richtig sehe, ich bin ja kein Jurist) rechtsrealistischen Weg und definiert ausschließlich eine Mindestalimentation – eben anhand des verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet.
--- End quote ---
Ich habe noch nicht alles gelesen und mich auf den Anfang deines PS gestürzt.
Was das Gericht aus pragmatischen Gründen berechnet hat ist ein Fallbeispiel, an dem man sich orientieren muss.
Das was das Gericht postuliert hat ist, dass eine Besoldungssystematik für jede Beamter den (individueller) Mindestabstand zur Grundsicherung einhalten muss.
Und dadurch wird aus dem Zahnlosen Tiger ein scharfes Schwert, weil es eine unterste Schmerzgrenze deklariert.
Jede zukünftige Besoldungssystematik, egal ob Bund oder Land oder ... kann leicht gekippt werden, wenn sie diese Grenze unterschreitet.
Das ist meine These und ich denke halt darüber nach, was dafür getan werden muss, damit dieses nicht eintritt und das nächste Besoldungsgesetz wieder vor dem BVerG landet.
Deswegen (bevor ich den Rest lese) die Frage:
Glaubst du, dass eine Besoldungssystematik verfassungskonform ist, die eine (rechnerische) Konstellation zulässt, die dazu führt, dass die Nettoalimentation eines Beamte mit X Kindern, die vom Gericht definierten Mindestabstand zur Grundsicherung unterschreitet?
Ein einfaches Ja oder Nein reicht mir.
--- End quote ---
Wenn Du den gesamten Text liest, wirst Du feststellen, dass sich die Frage nicht stellt, da der Beamte mit X Kindern nicht Teil des Prüfverfahrens ist.
Das Bundesverfassungsgericht betrachtet anhand der ersten Prüfstufe, ob die zu prüfende Besoldung mit der Entwicklung
(1.) der Tariflöhne im öffentlichen Dienst,
(2.) des Nominallohn- und
(3.) Verbraucherpreisindexes sowie
(4.) zwischen den Besoldungsgruppen und
(5.) der Bundesbesoldung sowie der der Länder
Schritt hält.
Weichen die ersten drei Parameter in den zurückliegenden 15 Jahren um fünf Prozent, der vierte und fünfte um jeweils zehn Prozent bei vergleichbaren Gehaltsgruppen in den zurückliegenden fünf Jahren bzw. zum aktuellen Durchschnitt der anderen Länder ab, besteht jeweils die Vermutung einer Unteralimentation
Werden nun die Grundgehaltssätze in Abhängigkeit von der Mindestalimentation deutlich erhöht und die Familienzuschläge in Abhängigkeit von der Wirkung der sozialrechtlichen Bestimmung des Grundsicherungsniveaus in Maßen, wird keiner der fünf Parameter mehr die Vermutung einer Unteralimentation indizieren, da jeder der fünf Parameter eingehalten ist.
In diesem Fall sprechen jene Orientierungswerte dafür, dass keine Verfassungswidrigkeit indiziert wird (vgl. zur gesamten Problematik der Zahlenwerte, die das Gericht umfassend reflektiert, Rn. 28-33).
Da durch die deutliche Erhöhung des Grundgehaltssatzes der untersten Besoldungsgruppe in Verbindung mit der moderaten Erhöhung der Familienzuschläge die Mindestalimentation nicht unterschritten wird, würde das Verfassungsgericht auch diesbezüglich weiterhin davon ausgehen, dass die zu prüfende Besoldung nicht verfassungswidrig sei.
Es würde nun zur zweiten Prüfungsstufe überleiten. Hier würde es die Besoldung weiter prüfen, indem es
(a) die Qualität und Verantwortung der Tätigkeit,
(b) die Entwicklung des Beihilfe- und
(c) des Versorgungssystems sowie
(d) die Bruttoverdienste mit vergleichbar qualifizierten und entsprechender Verantwortung ausgestatteten Beschäftigten außerhalb des öffentlichen Dienstes
vergleicht.
Hier würde es bezüglich (a) dieselben Mängel feststellen, die es im aktuellen Verfahren konstatiert hat, aber sicherlich konstatieren, dass diese durch die genannte Heilung auf Dauer positiv verändert werden würden; denn das ist ja eines der zentralen Ziele des Beschlusses: Durch die deutliche Erhöhung der Besoldung wird die Anzahl der Bewerber steigen, sodass die Auswahlkriterien wieder verschärften werden könnten, wodurch eine größere Zahl an überdurchschnittlich qualifizierten Kräften gewonnen würde.
Bezogen auf die Faktoren (b) bis (d) würde es von einer Heilung ausgehen, die sich insbesondere in den deutlich erhöhten Grundgehaltssätzen widerspiegelte.
Als Ergebnis würde das Verfassungsgericht beschließen, dass die Besoldung amtsangemessen ist und eine eventuelle Klage zurückweisen und dabei zugleich auf seine ständige Rechtsprechung verweisen, die die Rn. 27 wie folgt zusammenfässt:
"Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat (vgl. BVerfGE 103, 310 <320>; 117, 330 <353>; 121, 241 <261>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 95>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung (vgl. BVerfGE 65, 141 <148 f.>; 103, 310 <319 f.>; 110, 353 <364 f.>; 117, 330 <353>; 130, 263 <294 f.>; 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Im Ergebnis beschränkt sich die materielle Kontrolle dabei auf die Frage, ob die Bezüge der Richter und Staatsanwälte evident unzureichend sind. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden (vgl. BVerfGE 44, 249 <263, 267 f.>; 114, 258 <288 f.>; 130, 263 <295>; 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>)."
Die "zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung" würde feststellen, dass keine evidente Sachwidrigkeit erkennbar ist - ergo müsste die entsprechend wie dargestellt umgestaltete Besoldung als verfassungskonform angesehen werden.
Wenn nun ein verheirateter Beamter mit sehr vielen Kindern (zehn, zwölf, vierzehn - das meine ich nicht ironisch) der Ansicht sei, dass er unteralimentiert sei, würde das Gericht das ebenfalls prüfen - und würde womöglich zu dem Ergebnis gelangen, das die Besoldung ab dem zehnten, elften, zwölften... Kind nicht mehr amtsangemessen sei. Es würde dem Fall aber keine systematische Bedeutung zuweisen, da das Gericht die Regelfälle zur Ausarbeitung einer Systematik betrachtet, nicht aber seltene Ausnahmen (auch hier zeigte sich das auf Pragmatik angelegte Vorgehen des Gerichts). Es würde dann den Gesetzgeber vielleicht dazu verpflichten, den Familienzuschlag ab dem zehnten, elften, zwölften... Kind zu erhöhen. Vielleicht würde es aber auch beschließen, dass der Ausnahmefall so selten und die Anzahl der Kinder so hoch sei, dass eine Erhöhung des Familienzuschlags verfassungerechtlich nicht eindeutig zu entscheiden sei und den Fall abweisen.
So in etwa - davon gehe ich aus - würde das Gericht mit Blick auf eine hohe Kinderzahl vorgehen. Denn das ist das typische Vorgehen, das es durchgehend an den Tag legt.
WasDennNun:
--- Zitat von: SwenTanortsch am 03.09.2020 08:54 ---
--- Zitat von: WasDennNun am 03.09.2020 07:45 ---Deswegen (bevor ich den Rest lese) die Frage:
Glaubst du, dass eine Besoldungssystematik verfassungskonform ist, die eine (rechnerische) Konstellation zulässt, die dazu führt, dass die Nettoalimentation eines Beamte mit X Kindern, die vom Gericht definierten Mindestabstand zur Grundsicherung unterschreitet?
Ein einfaches Ja oder Nein reicht mir.
--- End quote ---
Wenn Du den gesamten Text liest, wirst Du feststellen, dass sich die Frage nicht stellt, da der Beamte mit X Kindern nicht Teil des Prüfverfahrens ist.
--- End quote ---
Bitte die Frage beantworten.
Oder besser gesagt: dann streicht man die Familienzuschläge für Beamte mit mehr oder weniger als 2 Kindern, da es für diese ja kein Teil des Prüfverfahren gibt?
Denn es gibt ja kein juristisches Mindestabstandsgebot außer das für die 4k Familie
--- Zitat ---Es gibt nur ein einziges juristisches Mindestabstandsgebot – und das ist das zwischen einer vierköpfigen Beamtenfamilie mit einem Ernährer, der als Alleinverdiener zwei Kinder hat und sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet, und einer vierköpfigen Familie ohne Ernährer, die also auf die sozialrechtliche Grundsicherung angewiesen ist.
--- End quote ---
Ich dachte es gäbe Grundsätze des Alimentationsprinzipes die eingehalten werden müssen.
qwertzui:
Um mal etwas Abwechslung in die Diskussion zu bringen, zumindest was die beteiligten Personen angeht, melde ich mich auch mal zu Wort.
Ich bin absolut Team WasDennNun. Swen hat sicherlich viele gute Punkte, aber aus meiner Sicht klammerst du dich zu sehr an die bisherige Praxis, obwohl das Urteil eben genau sagt, dass der bisherige Maßstab der vierköpfige Familie nicht in Stein gemeißelt und zukünftig ein anderer Maßstab denkbar ist. Aus meiner Sicht kann man dem Maßstab dann sehr wohl auch spezifizieren und den Single als einen Teil betrachten und Kind/Kinder anders einfließen lassen, nämlich über einen höheren Familienzuschlag.
was_guckst_du:
...ich muss mich mal wieder als "Euphoriebremser" betätigen:
...im Rahmen eines gewerkschaftlichen Seminars (hier waren die neuesten Entscheidungen zur Beamtenbesoldung allerdings nur ein unbedeutendes Randthema) wurde deutlich, dass dort von niemandem die hier propagierte "Sprengkraft" der Entscheidungen gesehen wird...
...ich bin aber in der 41.Woche zu einem speziellen beamtenpolitischen Seminar gemeldet, wo die o.a. Gerichtsentscheidungen und ihre Auswirkungen ein eigener Tagesordnungspunkt sein werden...ich werde danach berichten...
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