Beamte und Soldaten > Beamte der Länder
[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
SwenTanortsch:
@ DeGr
Eine Berechnung der Mindestalimentation für Niedersachsen (wie auch für alle anderen Länder) auf Grundlage der im aktuellen Verfahren präzisierten Methodik ist derzeit offensichtlich noch nicht möglich, da das BVerfG sie an entscheidender Stelle – bei den Unterkunftskosten - anhand von Daten der Bundesagentur für Arbeit vornimmt. Da diese Daten der Entscheidung nicht beigefügt sind, könnte über ihre Höhe für die anderen Länder nur spekuliert werden.
Was prognostiziert werden kann, ist, dass die Nettoalimentation mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal höher liegen muss als in Berlin, da die höchste Mietenstufe in Niedersachsen die Stufe VI ist, während für Berlin einheitlich die Stufe IV heranzuziehen ist.
Nicht umsonst ist das Bundesverwaltungsgericht in seinen beiden Vorlagenbeschlüssen zur A-Besoldung für die Jahre 2009 bis 2015 von höheren zugrunde zu legenden Unterkunftskosten in Niedersachsen als in Berlin ausgegangen und hat dann zwangsläufig eine entsprechend höhere Mindestalimentation für Niedersachsen berechnet.
Würde man die vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegte Methodik auf das Land Niedersachsen für das Jahr 2019 anwenden, hätte die Mindestalimentation nach meinen Berechnungen rund 33.300,- € betragen müssen; die tatsächliche Nettoalimentation eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangsstufe der Besoldungsgruppe A 5 befunden hat, betrug nach der Methodik des Bundesverwaltungsgerichts im letzten Jahr rund 29.540,- € (nach der nun zu beachtenden Methodik des Bundesverfassungsgerichts wird sie noch einmal etwas niedriger gelegen haben, was vor allem steuerliche Gründe hat; hier hat das BVerfG im aktuellen Verfahren neue Direktiven festgelegt).
Da das Bundesverfassungsgericht mit Blick sowohl auf die Unterkunftskosten als auch auf die Bedarfe für Bildung und Teilhabe über die Methodik des Bundesverwaltungsgerichts hinausgeht – bezogen auf erstere deutlich, bezogen auf zweitere, insbesondere da auf‘s Ganze gesehen noch keine realitätsgerechten Daten vorliegen, moderat –, ist davon auszugehen, dass die niedersächsische Mindestalimentation deutlich höher liegt als rund 33.300,- €.
Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht die Berliner Mindestalimentation für das Jahr 2015 auf rund 33.650,- € festgelegt (vgl. Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 4/18 – Rn. 146); das Bundesverwaltungsgericht war in seinem Vorlagebeschluss für das Jahr 2015 von einem Wert von rund 28.300,- € ausgegangen (vgl. Beschluss vom 22.09.2017 – 2 C 56.16 u.a. – Rn. 212). Jene Differenz von rund 5.000,- € dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit der Minimalwert sein, über die die niedersächsische Mindestalimentation nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber den Annahmen des Bundesverwaltungsgerichts liegen wird – die niedersächsische Mindestalimentation sollte also für das vergangene Jahr mindestens über 38.000,- € liegen, wäre also um netto mindestens 8.500,- € zu gering bemessen gewesen. Der tatsächliche Wert dürfte noch einmal um einiges höher liegen als 38.000,- €.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a. – das ab 2003 verringerte und ab 2005 in Niedersachsen für die Besoldungsgruppen ab A 9 aufwärts vollständig gestrichene Weihnachtsgeld durchgehend als Teil der Alimentation betrachtet (vgl. insbesondere ebd., Rn. 5 und daran anschließend den weiteren Verfahrensgang), sodass davon auszugehen ist, dass es das in einem zukünftigen Verfahren erneut tun wird. Das NLBV hat in seiner standardisierten Eingangsbestätigung zu Jahresbeginn 2006 die entsprechenden Widersprüche angenommen, auf die verschiedenen Musterverfahren verwiesen, gleichzeitig den Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt und darauf hingewiesen, dass es zu gegebener Zeit unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückkommen werde (was bislang nicht geschehen ist), um am Ende in Fettdruck zu betonen: „Sie brauchen sich daher in der Zwischenzeit nicht erneut zu melden.“
Es ist also bis auf Weiteres davon auszugehen, dass die Widersprüche des Jahres 2005 bis heute fortwirken und sich der aus ihnen abzuleitende Anspruch auf die Alimentationshöhe als Ganze bezieht – und zugleich wird, denke ich, das Land jede erdenkliche Rechtsmöglichkeit prüfen, um Nachzahlungsansprüche zurückzuweisen. Es war diesbezüglich ja bereits in der Vergangenheit recht gewitzt. Schauen wir Niedersachsen also mal, wie es bei uns so weitergehen wird...
@ DrStrange
Der § 7 des SächsBesG vom 18.12.2013, der eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorsieht, ist ein interessantes Rechtsgut. Es dürfte den sächsischen Besoldungsgesetzgeber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit für diese Frist binden (er hat sich diese Frist rechtlich selbst gesetzt; Betroffene müssen sich darauf verlassen können; aus einer ggf. unstatthaften gesetzlichen Regelung darf ihnen kein Nachteil erwachsen) – ganz sicher wäre ich mir diesbezüglich allerdings nicht, da die regelmäßige Rechtsprechung wie schon gesagt eine Verjährungsfrist von einem Jahr vorsieht. Was ganz sicher nicht möglich ist, ist, den Widerspruch Ende 2019 bis in das Jahr 2011 zurückzudatieren, wie es die GdP in dem von Dir angehängten Widerspruchsschreiben macht. Denn eine solche Datierung widerspricht sowohl der genannten regelmäßigen Rechtsprechung als auch der im § 7 SächsBesG genannten Frist. Da damit womöglich ein Formfehler vorliegt – das rechtmäßige Datum, ab dem der Widerspruch gilt, ist nicht genannt und als solches auch nicht erkennbar (dazu hätte mindestens der § 7 als anvisiertes kürzestes Ausschlussdatum genannt werden müssen) –, dürfte der Widerspruch womöglich nicht rechtswirksam sein. Ich wäre von daher mit solchen Schreiben, die die regelmäßige Form missachten, eher vorsichtig.
Stattdessen würde ich mich immer an den Direktiven orientieren, die das Bundesverfassungsgericht vorgibt, hier also in der aktuellen Entscheidung:
„Eine rückwirkende Behebung ist jedoch sowohl hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren als auch hinsichtlich etwaiger weiterer Richter und Staatsanwälte erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 150, 169 <193 Rn. 64>). Dabei kommt es nicht darauf an, ob insoweit ein Widerspruchs- oder ein Klageverfahren schwebt. Entscheidend ist, dass sie sich gegen die Höhe ihrer Besoldung zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben, so dass der Haushaltsgesetzgeber nicht im Unklaren geblieben ist, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird.“ (Rn. 183)
Da ein 2019 gestellter Widerspruch, der den Zeitraum ab 2011 abdecken soll, offensichtlich nicht zeitnah erfolgte, damit aber den Gesetzgeber für den Zeitraum von 2011 bis 2018 (in Sachsen eventuell von 2011 bis 2014) im Unklaren darüber belassen hat, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird, ist er eventuell nicht statthaft und wäre dann als Rechtsbehelf unwirksam. Ich will nicht sagen, dass das der Fall ist – aber der womöglich bestehenden Problematik kann man auf jeden Fall entgehen, wenn man – solange der Dienstherr nicht auf die Einrede der Verjährung verzichtet – jährlich Widerspruch gegen die Besoldung im aktuellen Kalenderjahr einlegt.
WasDennNun:
--- Zitat von: SwenTanortsch am 20.09.2020 09:29 ---Was prognostiziert werden kann, ist, dass die Nettoalimentation mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal höher liegen muss als in Berlin, da die höchste Mietenstufe in Niedersachsen die Stufe VI ist, während für Berlin einheitlich die Stufe IV heranzuziehen ist.
--- End quote ---
Richtig, für die Vergangenheitsbewältigung:
Mal sehen wie die Zukunft aussieht:
--- Zitat von: WasDennNun am 19.09.2020 12:18 ---Das hängt natürlich auch davon ab, wie hoch die Kosten der Unterkunft sind, hier erwarte ich eine Ortsbezogene Neuregelung des Familienzuschlages, da ja ansonsten von der teuersten KdU im Lande ausgegangen werden müsste.
--- End quote ---
--- Zitat von: WasDennNun am 17.09.2020 09:25 ---@Swen:
Warum soll es nicht statthaft sein, diesen Missstand in der Nettoalimenation zu beheben, in dem man die Kinder 1 und 2 genauso alimentiert wie Kind 3?
Das ist doch die ganze Zeit meine Frage, die ich bisher nicht beantwortet bekommen habe.
--- End quote ---
BTW @Swen:
hast du da inzwischen Urteile finden können, die es dem Dienstherren versagen würden, die Gleichstellung von Kind 1 und 2, Ehepartner gegenüber Kind 3 bzgl. des Familienzuschlages durchzuführen?
Oder wäre ein Konstrukt wie von mir oben beschrieben doch möglich oder gar nötig, wenn jemand in diese Richtung klagen würden?
(Inkl. der Streichung des FamZuschlages für Kinderlose?)
Wäre ja tragisch, wenn Kinderlose quasi Leer ausgehen würden und der Dienstherr "nur" wg. Personalmangel in den höheren Besoldungsgruppen agieren müsste.
Leider hast du mir hier noch keine fachkundige Einschätzung gegeben, die mein Horrorszenario entkräftet.
Horrorszenario auch, weil ja mit einer solchen Anhebung der Fam Zuschläge der Dienstherr die nächsten Jahre keine Anhebung der Grundbesoldung durchführen müsste, da er ja bei der von mir skizzierten mehr als 40%igen Bruttolohnanhebung (für den Beamten mit 2 Kinder, was ja Dreh und Angelpunkt ist) sicherlich die Prüfkriterien auf Jahre erfüllen wird.
Von daher glaube ich inzwischen, dass er an dieser Stelle die Besoldungssystematik in der Tat nicht ändern wird, wie ich früher glaubte.
Eukalyptus:
Es war ja ohnehin im Zuge des Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes angedacht, die Familienzuschläge für die ersten beiden Kinder anzuheben, unter Absenkung des Zuschlages für die Verheirateten.
Für dieses nach wie vor anstehende Vorhaben könnte sich mit möglicherweise mit dem Urteil des BVerfG neuer Schub ergeben.
2strong:
Diese Idee ist doch erst vergangenes Jahr bereits in der ersten Ressortabstimmung abgebügelt worden. An den Umstä den, die dazu geführt haben, hat sich nichts geändert.
WasDennNun:
An den Umständen es machen zu müssen sehr wohl, wenn man den BVerG folgen möchte.
(Was waren denn die Umstände, die zu der Abbügelung führte?)
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