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[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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SwenTanortsch:

--- Zitat von: CmdrMichael am 02.08.2020 10:47 ---Mal eine Frage, da ich dazu nichts Eindeutiges finde. Ist die Höhe des Abstandsgebots irgendwo definiert? Wenn man nun vom BVerfG Urteil die Mindestbesoldung für A1 ableiten kann, könnte man dann extrapolieren, was bei einer Besoldung A5, A9, A13, A15 die Mindestbesoldung sein müsste?

--- End quote ---

Das Bundesverfassungsgericht unterteilt den vierten der fünf Parameter, die auf der sogenannten ersten Prüfungsstufe zur Prüfung dienen, ob die Vermutung einer Unteralimentation vorliegt, zweifach:

- der zweite der beiden ist der 15%ige Abstand zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum: Dieser muss verfassungsrechtlich anhand der Nettoalimentation erfolgen;

- der erste der beiden, der sog. "systeminterne Besoldungsvergleich", betrachtet hingegen aus verfassungsrechtlichen Gründen die Bruttogehälter: Hier wird über einen Zeitraum von fünf Jahren betrachtet, ob der Abstand der Bruttogehälter zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen verringert wird (was insbesondere durch unterschiedlich hohe lineare oder zeitlich verzögerte Besoldungsanpassungen hervorgerufen wird). Verringern sich in jenem Zeitraum die Abstände zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen um zehn Prozent oder mehr, legt das die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation für die Besoldungsgruppe, deren Bruttogehälter abgeschmolzen wurden, also einen Verstoß gegen das Abstandsgebot nahe.

Da also in einem Fall die Bruttogehälter, im anderen die Nettoalimentation betrachtet wird, kann nicht so ohne Weiteres aus der Höhe der Mindestnettoalimentation der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe auf die jeweilige Höhe der Bruttogehälter und der abschließenden Nettoalimentation von höheren Besoldungsgruppen geschlossen werden - nicht zuletzt auch deshalb, weil zur Bestimmung der Nettoalimentation auch die PKV-Kosten und das Kindergeld betrachtet werden müssen.

Thematisch dabei nur nebenbei: Das Bundesverfassungsgericht hat im aktuellen Beschluss - 2 BvL 4/18 - Rn. 140 keine explizite Berechnung des systeminternen Besoldungsvergleichs mehr vorgenommen, da es diesbezüglich die Werte der beiden Vorinstanzen, die für diesen Parameter beide deutlich keine Vermutung eines Verstoßes gegen das Abstandsgebot erkennen konnten, zugrunde legte.

Die Vorinstanz, das Bundesverwaltungsgericht - 2 C 58.16 - Rn. 119, nahm den systeminternen Besoldungsvergleich der R-Besoldung u.a. anhand der Besoldungsgruppe A 16 vor. Dessen Vorinstanz, das OVG Berlin Brandenburg - OVG 4 B 2.13 - Rn. 105-109, nahm den systeminternen Besoldungsvergleich u.a. ebenfalls anhand der Besoldungsguppe A 16 vor, darüber hinaus auch an den Besoldungsgruppen A 4 und A 13.

Das Land Berlin muss laut aktuellem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bis zum 01.07.2021 eine verfassungskonforme R-Besoldung für die Jahre 2009 bis 2015 vorlegen, insbesondere ausgehend von der anhand der untersten A-Besoldungsgruppe vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Mindestalimentation (die wie dargelegt exorbitant höher ist, als seinerzeit vom Berliner Senat angenommen). Dazu muss er nun aber bis zum 01.07.2021 ebenfalls die A-Besoldungsgruppe entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts neu berechnen, da er ansonsten keinen systeminternen Besoldungsvergleich vornehmen kann.

Anhand diesen Vergleichs ist dann abzusehen und extrapolierbar, wie stark die Berliner Grundbezüge (also die Bruttobezüge) in der A-Besoldungsgruppe zukünftig steigen werden.

Da alle vier Besoldungsordnungen - A, B, R und W - ob der abgestuften Wertigkeit der Ämter aufeinander beziehbar sein müssen und allesamt dem Abstandsgebot unterliegen, ist heute bereits klar, dass der massiv verfasungswidrige Charakter der R-Besoldungsordnung genauso für die A- und B-Besoldungsordnungen gilt - die W-Besoldungsordnung wird noch einmal gesondert zu überprüfen sein, weil ihr systematisch ein Zulagensystem nach Leistung inhärent ist, das die A-, B- und R-Ordnungen so nicht kennen.

Neuer12:

--- Zitat von: Feidl am 31.07.2020 08:21 ---
--- Zitat von: SwenTanortsch am 30.07.2020 20:01 ---Also mal schauen, wie sich das Ganze weiter entwickelt - am Einfachsten wäre es, wenn die Gewerkschaften und Verbände aktiv werden würden (insbesondere mit kräftigem Trommel für Widersprüche): Aber die Erfahrung der letzten Jahre lehrt, dass das aus verschiedenen Gründen wohl auch dieses Mal (noch) nicht der Fall sein wird...

--- End quote ---
Bei der verfassungswidrigen verminderten Eingangsbesoldung bis 2017 in Baden-Württemberg haben die Gewerkschaften, zumindest die GEW, Anreiz und Hilfestellung gegeben für einen Widerspruch. Ich, der gar nicht in den Bereich der GEW fällt, hab dies auch genutzt.

Ich hoffe, dass es auch für den jetzigen Fall so wird.

--- End quote ---

Hat jemand einen guten, rechtssicheren widerspruchstext?

Dsnke

SwenTanortsch:

--- Zitat von: Neuer12 am 02.08.2020 23:04 ---
--- Zitat von: Feidl am 31.07.2020 08:21 ---
--- Zitat von: SwenTanortsch am 30.07.2020 20:01 ---Also mal schauen, wie sich das Ganze weiter entwickelt - am Einfachsten wäre es, wenn die Gewerkschaften und Verbände aktiv werden würden (insbesondere mit kräftigem Trommel für Widersprüche): Aber die Erfahrung der letzten Jahre lehrt, dass das aus verschiedenen Gründen wohl auch dieses Mal (noch) nicht der Fall sein wird...

--- End quote ---
Bei der verfassungswidrigen verminderten Eingangsbesoldung bis 2017 in Baden-Württemberg haben die Gewerkschaften, zumindest die GEW, Anreiz und Hilfestellung gegeben für einen Widerspruch. Ich, der gar nicht in den Bereich der GEW fällt, hab dies auch genutzt.

Ich hoffe, dass es auch für den jetzigen Fall so wird.

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Hat jemand einen guten, rechtssicheren widerspruchstext?

Dsnke

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Einen Widerspruchstext habe ich hier im Beitrag vom 31.07., 12:18 Uhr eingestellt. Dort habe ich auch alles, was zur Rechtssicherheit gesagt werden muss, dargelegt.

Darüber hinaus findest Du Widerspruchsschreiben öffentlich zugänglich z.B. auf der Website der gdp oder auch der Initiative Berliner-Besoldung, wenn beide auch noch nicht den aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beinhalten:

https://www.gdp.de/gdp/gdpber.nsf/id/DE_Musterantrag-Widerspruch-amtsangemessene-Alimentation?open&ccm=000
https://www.berliner-besoldung.de/musterwiderspruch/

BerndStromberg:
@ SvenTanortsch:

Vielen Dank für deine Ausführungen, ich finde sie hochinteressant und genau wie du ihre Konsequenzen gleichzeitig erschreckend.

Ich kann mir nach den Erfahrungen der letzten 15 Jahre nur (noch) nicht vorstellen, dass die Besoldungsgesetzgeber zukünftig alle Besoldungsgruppen um mehrere Hundert Euro anheben werden. Das dürfte in der Tat zu einem riesigen Aufschrei in der Bevölkerung führen.

Was hältst du denn von der Variante, dass man nur die Eingangsbesoldung flächendeckend erhöht und im Gegenzug sämtliche oder zumindest die meisten Erfahrungsstufen streicht? Es wird doch immer auch vom BVerfG betont, wie groß der Spielraum des Gesetzgebers grundsätzlich sei. In diese Richtung gingen ja auch schon die Aussagen von Laschet, der  schon vor 1-2 Jahren von einer Reform der „Besoldungsstruktur“ gesprochen hat. Und auch DBB und DRB haben damals (nur) von einer Erhöhung der Eingangsbesoldung gesprochen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

BerndStromberg:
PS: Das BVerfG zählt in Rn 94 seiner Entscheidung aus 2015 als mögliche Handlungsoptionen des Besoldungsgesetzgebers auf: „Anhebung des Bemessungssatzes der Beihilfe auf 100% der entstandenen Aufwendungen, eine Anhebung des Eingangsgehaltes einer Besoldungsstufe verbunden mit einer geringeren prozentualen Steigerung in den Erfahrungsstufen, eine Anhebung des Familienzuschlags in den unteren Besoldungsgruppen oder sonstige geeignete Maßnahmen.“

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