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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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Malkav:

--- Zitat von: Warzenharry am 10.12.2024 10:25 ---Jetzt nochmal die Frage:
Was ist für die Jahre 2021 - 2024 zu erwarten.
Die Entwürfe sind noch immer entwürfe und somit kann doch eigentlich kein Konstrukt innerhalb eines solchen Entwurfes, welches mich schlechter als andere stellt, rückwirkend eintreten oder?
Die Minderalimentation besteht allerdings dennoch.
Wie will man den Zustand, den man selber eingesteht, denn Rückwirkend heilen, ohne Rückwirkend den AEZ, Partnereinkommen und Anhebung der unteren Besoldunggruppen einzuführen?

--- End quote ---

Ich denke mal, dass die gesetzgeber versuchen werden zu argumentieren, dass durch die Maßnahmen nur bestimmte Beamt:innen bessergestellt werden und niemand schlechtergestellt wird. Unter dieser Prämisse wäre eine rückwirkende Einführung von begünstigenden Regeln grundsätzlich möglich.

Dass damit (in der politischen Realität) tatsächlich gar nicht beabsichtigt wird einzelne Beamt:innen Wohltaten zukommen zu lassen, sondern möglichst viele Unbegünstigte zu erzeugen, ist dann nur eine mittelbarer negativer rückwirkender Ausfluss der Rückwirkung einer (für die Begünstigen) unmittelbar positiven Regelung. Sähe politisch ja auch ein bisschen doof aus, wenn man das anders machen wollen würde:

z.B.
A 10 2015 inkl. Nachzahlung ohne jeden Trick = 65.000,00 EUR ;D
A 10 2024 mit Tricks wie Streichung Besoldungsgruppen, AEZ etc. = 42.000,00 EUR  >:(

Man erinnere sich z.B. an die Rückwirkung der Befreiung der Einkünfte aus Photovoltaik von der Einkommenssteuer aus Dezember 2023 zum 01.01.2023.

https://www.iww.de/pfb/steuern-und-recht-aktuell/investitionsabzugsbetrag-kein-iab-fuer-nachtraeglich-steuerbefreite-pv-anlage-n159888

Das erschien erstmal unmittelbar positiv, weshalb das BMF eine Rückwirkung für zulässig erklärte. Dass dadurch mittelbar Investitionsabzugsbeträge aus 2020, 2021 und 2022 rückgängig gemacht wurden (und damit teils hohe vierstellige Beträge an das Finanzamt zurücküberwiesen werden mussten) ließ die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren unter den Tisch fallen und überließ der Finanzverwaltung die politisch unliebsame "Drecksarbeit". Da muss man also immer mit sehr viel Kreativität der Ministerien und Gesetzgebern rechnen.

Warzenharry:
Nur beinhaltet die besserstellung einiger nicht automatisch einer Schlechterstellung jener, die nicht besser gestellt werden, da sich jetzt das Verhältnis verändert?

Malkav:
Das sehe ich auch so. Aber die Gesetzgeber werden sich erstmal auf den oben beschriebenen formalen Standpunkt stellen.

Einer der vielen Gründe, warum ich davon überzeugt bin, dass wir im jeweiligen ersten Anlauf auch kein gerichtsfestes Reparaturgesetz bekommen werden.  >:(

Rentenonkel:
Das, was das BVerfG klargestellt hat, ist in meinen Augen, dass eine 4K Beamtenfamilie nicht weniger haben darf als das soziale Existenzminimum zzgl 15 %.

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Beamten und einer vergleichbaren Angestelltenfamilie ist daher die Tatsache, dass ein Angestellter, dessen Gehalt nicht ausreicht, um den Unterhalt seiner Familie zu decken, ergänzend Grundsicherung, Wohngeld oder Kinderzuschlag beantragen kann und muss, um genau das zu erreichen.

Da jedoch die Alimentation eines Beamten nicht von einem Antrag abhängig gemacht werden darf, und der Beamte auch nicht an Dritte oder an andere Sozialleistungsträger verwiesen werden darf, sondern einen unmittelbaren Alimentationsanspruch für sich und seine Familie gegenüber dem Dienstherrn hat, hat der Besoldungsgesetzgeber jetzt die schwierige Aufgabe, im Rahmen der Besoldungsgesetzgebung diese Schlechterstellung abzuwenden.

Dabei dienen die Zuschläge in meinem Augen nicht dazu, eine Besserstellung der Beamtenkinder zu erreichen, sondern eine Schlechterstellung gegenüber anderen Kindern zu vermeiden. Auch kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die Familienzuschläge ähnlich wie das Kindergeld bei der Familienplanung nur eine untergeordnete Rolle spielen und die tatsächlichen Kosten nur teilweise abdecken. Eine Animation zum Kinderkriegen durch Familienzuschläge ist daher nach meinem Wissen bisher wissenschaftlich nicht zu belegen.

Verstehe ich dass richtig, dass Du denkst, dass der Single Beamte mindestens das Gleiche Einkommen haben muss, wie soziale Existenzminimum einer 4 K Familie zzgl 15 % und die familienbezogenen Bestandteile dann ggf. on Top dazu kommen dürfen? Jedenfalls liest es sich fast so ...

Wenngleich der Beamte so alimentiert sein muss, verstehe ich das Urteil so, dass er den Unterhalt seiner Familie zwar überwiegend aus den familienneutralen Bestandteilen decken muss, aber dennoch nicht vollständig. So wird ihm doch zugestanden, dass zumindest ein Teil des Unterhaltes aus familienbezogenen Bestandteilen gedeckt werden darf. Bei der Betrachtung der materiell rechtlichen Verfassungswidrigkeit der Unteralimentation sind zumindest die bisherigen familienbezogenen Bestandteile und somit die gesamte Nettobesoldung mit in die Berechnung eingeflossen.

Daher ist für mich lediglich klargestellt, welches Gesamtergebnis am Ende herauskommen muss. Für mich ist auch klar, dass familienbezogene Bestandteile generell möglich sind und in die Betrachtung mit einfließen dürfen, auch wenn sie nur eine Nebenbesoldung spielen.

Auch wenn das BVerfG sicherlich nicht von seiner bisherigen Praxis abweicht, wird es hoffentlich den Besoldungsgesetzgebern, die bisher fast ausschließlich lediglich die familienbezogenen Bestandteile angehoben haben, Einhalt gebieten und in irgendeiner Weise klarstellen, dass eine Anhebung der Grundbesoldung unvermeidlich ist. Hier wünsche ich mir einfach mehr Klarheit, wie genau die im Detail auch immer aussehen mag.

Und zumindest für die Besoldungsgesetzgeber scheint die bisherige Rechtsprechung noch nicht die notwendige Klarheit ergeben zu haben, dass nicht nur die familienbezogenen Bestandteile erhöht werden müssen und dürfen, sondern auch die familienneutralen Bestandteile.

HochlebederVorgang:
Ich verstehe es so:

Die nach Ansicht des BVerfG zulässige Deckung des "Bedarfs" durch Zuschläge bedeutet danach nichts anderes als den Ausgleich dafür, dass der Beamte mit seiner Familie nicht an Dritte oder den Sozialleistungsträger verwiesen werden darf. Insoweit stellen die Zuschläge, die den "Bedarf" decken können das beamtenrechtliche Gegenstück zu Aufstockung, Wohngeld, etc. dar. Der Beamte wird hinsichtlich seiner Familie somit zum "Sozialhilfeempfänger", wenn er als Alleinverdiener aus den leistungsbezogenen Komponenten, sprich seiner Grundbesoldung, seine Familie allein nicht versorgen kann.

Das Merkmal "Alleinverdiener" bezieht sich dem Wortlaut des Urteils nach allein auf die Grundbesoldung! Es steht dort vor allem auch nicht, dass der Ehepartner arbeiten müsse oder es ein Doppelverdienermodell gäbe.

Systematisch betrachtet ist es im Extremfall so, dass der Single-Beamte den 115%-Abstand einhält, aber sobald dann Familie dazukommt, die "beamtenrechtliche Sozialhilfe" in Form von Zuschlägen eingreift, damit der 4k-Beamtenfamilie das Existenzminimum zzgl. 15% zur Verfügung steht.

Insoweit ist es vielleicht doch wichtig, dass das BVerfG dazu Stellung bezieht, inwieweit der Beamte einen Anspruch darauf hat, bereits aus der Grundbesoldung seine Familie versorgen zu können.

Ein vollständiger Verweis auf Zuschläge würde in der Tat eine Schlechterstellung ggü. vergleichbaren Angestellten etc. bedeuten.

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