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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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abi:
Eine Kehrtwende dürfte äußerst schwierig sein, zumal viele Parameter bereits gesetzt sind.

Nach den Ausführungen von Dr. Schwan (der sich anhand der gültigen Rechtsprechung u.a. BVerfG orientiert) müsste eine amtsangemessen Alimentation folgenden Prüfkriterien bestehen:

Die zu prüfende Besoldung muss bereits im Gesetzgebungsverfahren auf einer ersten Prüfungsstufe anhand von fünf indiziellen Parametern betrachtet werden, nämlich im Vergleich mit:

1. Prüfungsstufe
(1.) den Tariflöhne im öffentlichen Dienst,
(2.) dem Nominallohn- und
(3.) Verbraucherpreisindex sowie
(4.) den systeminternen Abständen zwischen den Besoldungsgruppen und
(5.) der Entwicklung der Besoldung in den anderen 16 Rechtskreisen.

Sofern diese fünf Parameter die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation indizieren, weitere Prüfung in der:

2. Prüfungsstufe
(a) der Qualität und Verantwortung der Tätigkeit,
(b) der Entwicklung des Beihilfe- und
(c) des Versorgungssystems sowie
(d) mittels der Bruttoverdienste vergleichbar qualifizierter und mit entsprechender Verantwortung ausgestatteter Beschäftigter außerhalb des öffentlichen Dienstes

Kommt daraufhin die Gewichtung aller betrachteten Bedingungen in der Gesamtabwägung zu dem Schluss einer verfassungswidrigen Unteralimentation, ist schließlich die letzte Prüfung auf der:

3. Prüfungsstufe
ob Haushaltsnotlagen vorliegen, die eine Unteralimentation in Ausnahmefällen rechtfertigten können.

Für mich als juristischen Laien versuche ich das mal verständlich zusammenzufassen:

•   Eine amtsangemessene Alimentation ist dann verfassungskonform, wenn alle Prüfparameter in den 3 Prüfungsstufen (soweit anwendungsbedürftig) eingehalten werden.
•   Dazu wäre die (auch in den letzten Anpassungen weggefallenen) untersten Besoldungsstufen, hier A1 (BBesG Anlage IV - erste Erfahrungsstufe) als Ausgangswert zu betrachten. Ein Wegfallen der untersten Besoldungsstufen hat demnach eine Stauchung des Besoldungsgefüges und damit eine Aufhebung der geforderten Abstandsgebote zur Folge, was wiederum gegen die erste Prüfungsstufe (4.) verstößt.
•   Die Nebenbesoldungselemente (z.B. alimentativer Ergänzungszuschlag) nach bisherigen Entwürfen sind a) nur einem geringen Kreis von Beamten zugänglich und b) erhöhen die Nebenbesoldungselemente in den unteren Besoldungsgruppen die Besoldung derart, dass diese hohen Beträgen zu Hauptelementen der Besoldung werden, was dem Grundgedanken der amtsangemessenen Alimentation (dem Amt und deren Wertigkeit) insgesamt widerspricht.
•   Insgesamt ist die Höhe der Besoldung (beginnend ab A1, Stufe 1) mit der Anforderung des Amtes zu begründen und nicht mit sozialrechtlichen Querverweisen (Sozialhilfe – Regelsätze). Die dann mit dem Amt von A1, Stufe 1 begründete Alimentierung muss für eine 4-Köpfige Familie (incl. Nebenbesoldungselemente) mindestens 15 % über dem sozialhilferechtlichen Grundsicherungsbedarf liegen (der Abgleich zur Sozialhilfe ist lediglich als Prüfschritt zu verstehen).
•   Eine Nebenalimentation mit einem Element, was Hochpreisregionen ausgleicht ist grundsätzlich möglich, sofern sie nicht nur einem ausgewählten Besoldungsempfängerkreis zukommt (bsp. früheren Ortszuschlag – in verschiedenen Stufen).
•   Alle weiteren Besoldungsstufen nebst Erfahrungsstufen würden von der Besoldung A1, Stufe 1 aus nach den bisherigen Abständen (2008? – Zeitleiste von ca. 20 Jahren?) errechnet werden. Weicht der Betrag von diesem Werten prozentual ab, müsste jedes einzelne Amt in dessen Wertigkeit (A1 bis A16) betrachtet und in der Besoldung begründet werden, um ein prozentuales Abweichen (aufgrund veränderten Anforderungen) des Amtes entsprechend darzulegen.
•   Die Miteinrechnung von fiktivem Ehepartnergehalt (Minijob), um insgesamt auf 15 % über dem sozialhilferechtlichen Grundsicherungsbedarf zu liegen, ist eine Abkehr der bisherigen Alimentationsgrundsätze und fördert u.a. eine Geschlechterdiskriminierung. Ebenso weicht es von den Grundsätzen der Alimentierung ab --> Hybridbildung (Sachwidrige Mathematisierung des Besoldungsrechts, keine sachgerechte Konkretisierung des jeweiligen Alimentationsbedürfnisses, Missachtung des qualitativen Unterschieds zwischen Sozial- und Beamtenrecht)
•   Des Weiteren muss auch die amtsangemessene Besoldung dem EU-weiten Vergleich stand halten.

Habe ich was vergessen?

A9A10A11A12A13:

--- Zitat von: abi am 12.06.2025 13:53 ---Habe ich was vergessen?

--- End quote ---

Dr. "Evi Dent" zieht einem die Zähne. Die Abweichungen müssen sowas von evident, eklatant, signifikant, himmelhochjauzend und zu Tode betrübt, um überhaupt in der Verfassung widrig zu sein.

polente:

--- Zitat von: abi am 11.06.2025 09:39 ---Ein Vorschlag (Gesetzentwurf) des Deutschen Richterbunds zu einer Alimentationsgrundsatzklage gegen „Besoldungsdumping“...

Eine neuartige Alimentationsgrundsatzklage könnte die verfassungsrechtlich gebotene Besoldung für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte künftig schneller und effektiver durchsetzen. Das schlagen der Deutsche Richterbund und der Bund Deutscher Verwaltungsrichter vor.

Wäre eine alternative Lösung zu der Gesamtproblematik, wobei es erst mal einem "lösungsorientierten Willen" der Legislative bedarf...

Der Lösungsansatz wäre m.E. ein wertvolles Handwerkszeug...

Quelle:
https://www.richterbesoldung.de/besoldung-versorgung/besoldungsmeldungen/meldung/news/alimentationsgrundsatzklage-gegen-besoldungsdumping

Gesetzentwurf: https://www.richterbesoldung.de/fileadmin/DRB/pdf/Besoldung/241122_DRB_Alimentationsgrundsatzklage_Gesetzentwurf_zur_Effektivierung_besoldungsrechtlicher_Klageverfahren.pdf

--- End quote ---

Klingt vielversprechend. Weis jemand, wann und in welchem Gremium das auf die Tagesordnung kommt?

Wilkinson13:
Höre ich zum ersten Mal...Ich finde, das ist ein Ansatz, der mal nach vorne gerichtet ist...in die Zukunft.
Um der ganzen Problematik Herr zu werden. Wenn der Besoldungsgesetzgeber kapiert was ihm damit blüht,
wird er das den Entworf sabotieren wollen/müssen.
Beim Überfliegen habe icch gelesen, dass alle Rechtskreise davon betroffen sein sollen. Also auch die Länder.
Rein logisch spricht nicht gegen diesen (oder einen solchen) Entwurf.
Ich bin gespannt...

Malkav:

--- Zitat von: Wilkinson13 am 13.06.2025 08:45 ---Höre ich zum ersten Mal...Ich finde, das ist ein Ansatz, der mal nach vorne gerichtet ist...in die Zukunft.
Um der ganzen Problematik Herr zu werden. Wenn der Besoldungsgesetzgeber kapiert was ihm damit blüht,
wird er das den Entworf sabotieren wollen/müssen.
Beim Überfliegen habe icch gelesen, dass alle Rechtskreise davon betroffen sein sollen. Also auch die Länder.
Rein logisch spricht nicht gegen diesen (oder einen solchen) Entwurf.
Ich bin gespannt...

--- End quote ---

Und ich spiele jetzt mal den Advocatus Diaboli:

Warum sollte sich derselbe Gesetzgeber, welcher von der aktuellen Rechtslage massiv profitiert, sich sowas freiwillig ans Bein binden?

Die Belastung der Verwaltungsgerichte auf Landesebene ist dem zuständigen Bundesgesetzgeber faktisch egal bzw. je überlasteter die Gerichte und länger die Verfahrensdauern sind, desto (fiskalisch) besser aufgrund der Nichtverzinsung und fortschreitender Entwertung eventueller Nachzahlungen.

Dass man nach aktueller Rechtslage im worst case sogar nur die Kläger nachträglich bedienen muss, ist für die Haushaltspolitiker doch noch die Kirsche auf der Torte. Dass es faktisch keine Führer:innen eines kostenfreien Widerspruchsverfahrens mehr gibt, wird auf Landesebene massiv vorangetrieben, indem alle Anträge pauschal abgelehnt werden. Jeder Nichtkläger spart dann bares Geld  >:(

Alles in allem eine nette Idee, aber ich sehe hier keinerlei politische Chance für eine Umsetzung. Die Notwendigkeit der haushaltsnahen Geltendmachung von übergesetzlichen Besoldungsnasprüchen ist aber gerade kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, sondern "nur" Richterrecht aus Zeiten, in welchen die Dienstherrn für vollkommen unerwartete und unverschuldete Nachzahlungen in Milliardenhöhe geschützt werden sollten. Die Lage hat sich seit 2015 (spätestens aber seit 2020) massiv verändert, sodass mich diesbezüglich ein Rechtssprechungswandel durchaus begründbar wäre.

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