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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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emdy:
Nochmal ernsthaft zu der Frage, ob wir damit rechnen müssen, dass das BVerfG seine Rechtsprechung revidiert. Folgendes spricht dagegen:

* Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner jüngeren Rechtsprechung konstatiert, dass eine verfassungskonforme Alimentation in Deutschland kein Regelfall mehr ist. Konsens der deutschen Rechtsprechung ist, dass die Beamtenbesoldung über Gebühr zurückgefallen ist.
* Deutschland ist für die bescheidene Richterbesoldung bereits mehrfach von der EU gerügt worden. Zwar sind A- und R-Besoldung nicht das Gleiche, aber im Grundsatz ist der Bürger auf die Freiheit und Unbestechlichkeit des A-besoldeten Sachbearbeiters genauso angewiesen, wie auf die Unabhängigkeit des Richters. https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/eu-kommission-geld-gehalt-richter-richterbesoldung-besoldung-richtermangel-justiz-rechtsstaat
* Auch wenn man der Auffassung ist, das BVerfG verstünde sich zu sehr als staatstragend: Durch Personalkosteneinsparungen im öffentlichen Dienst löst man die wirklich großen Probleme des Bundeshaushalts eben auch nicht. Gleichzeitig braucht es weiterhin (oder eher wieder!) fähige Leute im öffentlichen Dienst. Hinzu kommt, dass man ja auch noch gar nicht versucht hat, die Staatsfinanzen zu konsolidieren. Wo sind denn die Steuererhöhungen? Wo sind die Leistungskürzungen? Wo sind die Sonderabgaben? Und wo sind die Privatkredite die ausfallen, weil wir ja eine Wirtschaftskrise haben? Es wird nach wie vor zu einseitig zu Lasten der Beamten gespart. Insbesondere deshalb gibt es keinen Grund für einen Rechtsprechungswandel.

Dem steht nur gegenüber, dass es seit fünf Jahren kein neues Urteil aus Karlsruhe gegeben hat. Das alleine ist einfach keine Information.

Ich denke daher, dass die Sorge ungegründet ist, dass es zu einem fundamentalen Rechtsprechungswandel kommen wird. Wir sehen ja auch an allen Ecken und Enden, wie relativ die Staatsfinanzen sind. Für nichts ist Geld da, bis dann plötzlich doch wieder hunderte Milliarden rausgeballert werden können. Das Recht wird für viele nur einfach zu spät kommen, um einen Unterschied im materiellen Lebensentwurf zu machen. Das macht das Thema so bitter.

Finanzer:
@emdy: Eine sehr gute Zusammenfassung, danke dafür.

Malkav:

--- Zitat von: emdy am 12.06.2025 11:25 ---Ich denke daher, dass die Sorge ungegründet ist, dass es zu einem fundamentalen Rechtsprechungswandel kommen wird.

--- End quote ---

Ich stimme dir im Ergebnis zu.

Vor allem hoffe/glaube ich (nicht nur aus Eigeninteresse hinsichtlich des Besoldungsthemas, sondern als Staatsbürger ganz allgemein), dass das BVerfG sich sehr bewusst macht, was ein "Einknicken für bockigen Gesetzgebern" für seine zukünftige Autorität gegenüber der Legislative und Exekutive in allen anderen Themen bedeuten würde.

Wenn man sich aktuell anschaut, wie Minister Dobrindt eine letztinstanzliche rechtskräftige Entscheidung einfach nicht anwendet bzw. anwenden lässt, muss einem Angst und Bange werden. Das System der ministerialen Nichtanwendungserlasse über den entschiedenen Einzelfall hinaus greift langsam aber sicher um sich, wenn die Entscheidungen der Judikative politisch nicht genehm sind. Man denke nur an die unzähligen Nichtanwendungserlasse hinsichtlich fiskalisch teurer Entscheidungen des BFH oder politisch teurer Entscheidungen wie die des BVerwG zu tödlichen Betäubungsmitteln für unheilbar Kranke.

Wie Swen bereits so gut herausgearbeitet hat, wird die wirklich entscheidende Frage sein, wie der Senat dem Spuk ein Ende bereiten will, ohne das Besoldungsrecht auf ewig zu versteinern.

BVerfGBeliever:

--- Zitat von: lotsch am 10.06.2025 09:07 ---Deshalb stelle ich mir die Frage, kann es sein, dass wir vom BVerfG ein ganz anderes Urteil zur amtsangemessenen Alimentation bekommen werden, als wir uns erwarten, einen Paradigmenwechsel? Werden sie versuchen einen Rechtsfrieden zu gestalten?

--- End quote ---

Es gab doch bereits einen "Paradigmenwechsel".

Und zwar vor rund fünfzehn Jahren (@Swen möge mich korrigieren), als das BVerfG damit begonnen hat, den Besoldungsgesetzgebern schrittweise immer mehr und mehr Leitplanken vorzugeben. Ich hatte das vor acht Monaten hier mal versucht, zu beschreiben (ganz unten im Beitrag): https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,124487.msg375007/topicseen.html#msg375007

Insofern sehe ich es ähnlich wie @emdy und @Malkav und würde mich wundern, wenn es demnächst eine 180-Grad-Wende in Karlsruhe gäbe..

MoinMoin:

--- Zitat von: BVerfGBeliever am 12.06.2025 13:07 ---
--- Zitat von: lotsch am 10.06.2025 09:07 ---Deshalb stelle ich mir die Frage, kann es sein, dass wir vom BVerfG ein ganz anderes Urteil zur amtsangemessenen Alimentation bekommen werden, als wir uns erwarten, einen Paradigmenwechsel? Werden sie versuchen einen Rechtsfrieden zu gestalten?

--- End quote ---

Es gab doch bereits einen "Paradigmenwechsel".

Und zwar vor rund fünfzehn Jahren (@Swen möge mich korrigieren), als das BVerfG damit begonnen hat, den Besoldungsgesetzgebern schrittweise immer mehr und mehr Leitplanken vorzugeben. Ich hatte das vor acht Monaten hier mal versucht, zu beschreiben (ganz unten im Beitrag): https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,124487.msg375007/topicseen.html#msg375007

Insofern sehe ich es ähnlich wie @emdy und @Malkav und würde mich wundern, wenn es demnächst eine 180-Grad-Wende in Karlsruhe gäbe..

--- End quote ---
Sehe ich auch so, da wird maximal noch ne Mittelplanke und ein Standstreifen gezeichnet um das Bild zu vervollständigen.
Worst case für die Beamten: Es wird geklärt, dass die hohe Kinderzuschläge, wie sie vom BVerfG ab Kind 3 als notwendig definiert wurden, als verfassungskonform auch für Kind 1 und 2 angesehen wird.
(Also die Abkehr von dem althergebrachten Grundsatz, dass eine 4k Familie primär durch die Grundbesoldung alimentiert werden muss)

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