Beamte und Soldaten > Beamte des Bundes und Soldaten

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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Durgi:

--- Zitat von: Rentenonkel am 04.11.2025 10:25 ---
--- Zitat von: Durgi am 04.11.2025 09:39 ---Beim Beamten gibt es dieses Interesse nicht...der muss nicht marschieren, nicht schiessen, nicht in Gefechtslagen funktionieren.
Deshalb ist es voellig logisch, dass der Soldat im aktiven Dienst scheinbar mehr Netto hat: Der Staat zahlt hier nicht mehr, sondern anders weil er selbst dafuer sorgen muss, dass der Laden im Krieg laeuft.

Im Kern:
Die UTV wird niemals (!) Teil einer etwaigen aA Abwaegung/Entscheidung werden, war es nie und wird es nie.

--- End quote ---

Ich verstehe, was Du meinst Durgi. Die truppenärztliche Versorgung schränkt ein Grundrecht auf freie Arztwahl ein. Eine Einschränkung der Grundrechte ist jedoch Teil der besonderen Dienst- und Treuepflichten der Beamten und Soldaten.

Mir geht es jedoch um die Frage der Mindestalimentation, so wie sie das BVerfG versteht, und den Unterschied zwischen einem Beamten mit Beihilfeanspruch und einem Beamten / Soldaten, der eine kostenfreie Heilfürsorge genießt.

Die Mindestalimentation wird seitens des BVerfG anhand eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern ermittelt, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe befindet. Sie muss 15 % oberhalb der Grundsicherung liegen, und nicht nach der bislang nicht nur vom Land Berlin, sondern auch vom Bund und allen anderen Ländern identisch oder in weitgehend identischer Form angestellten Berechnung anhand des Existenminmumberichts betragen.

Das Grundsicherungsniveau wurde seitens des BVerfG auf die monatliche Summe von rund 2.400,- € bzw. jährliche Summe von 28.820,- € beziffert (ebd., Rn. 146) Dieser Wert liegt deutlich über der Summe des Existenzminimums des Berichtes (1974 EUR). Daraus resultierte für die Mindestalimentation unter Beachtung der 15%igen Vergleichsschwelle eine Summe von rund 33.143,- €, die ein Beamter als Mindestalimentation haben muss.

Da das BVerfG eine Nettoalimentation (nach Abzug der notwendigen Beiträge KV und PV) eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A im Jahr 2014 von monatlich rund 1.974,- € und also jährlich rund 23.688,- € festgestellt hat, wurde die Mindestalimentation im Land Berlin in jenem Jahr um rund 9.455,- € unterschritten.

Das BVerfG hat, um auf den Betrag von 1974,- EUR zu kommen, den Auszahlungsbetrag des kleinsten Beamten um einen durchschnittlichen Beitrag von 230 EUR pro Monat für seine Kosten der KV und PV bereinigt.

Bei einem Soldaten oder anderen Beamten mit einer kostenfreien Heilfürsorge wäre das jedoch nicht sachgerecht., da er diese Beiträge nicht hat und somit wäre die Deckungslücke zur Mindestalimentation in diesem Falle "nur" noch bei 6695,- EUR.

Somit wäre es zumindest aus juristischer Sicht zunächst möglich, die Bezüge von Soldaten in Berlin um "nur" 6695 EUR anzuheben, um zumindest die Hürde der Mindestalimentation zu nehmen, während man bei allen anderen Beamten, die keine kostenfreie Heilfürsorge haben und im Durchschnitt 230 EUR Beitrag zahlen müssen, mindestens 9455 EUR anheben müsste.

Ob es wahrscheinlich ist, dass es eine unterschiedliche Besoldung von Soldaten und andern Beamten geben wird, ob es politisch klug ist, das zu tun, ob es aus Gründen der Probleme der Bundeswehr mit der Nachwuchsgewinnung ein taktisch kluges Signal wäre, all das sind dann Argumente, die der Gesetzgeber abwägen müsste um zu einem Ergebnis zu kommen. Natürlich darf er auch die Besoldung für Soldaten um mindestens 9455 EUR anheben, er muss es aber nicht.

Dass es andere als juristische Gründe gibt, es nicht zu tun, verstehe ich absolut. Und das eine solche Unterscheidung nicht gerade zu Freudensprüngen bei den Soldaten führen würde, verstehe ich auch.

Das ändert meiner Meinung nach aber nichts an der Rechtslage.

Ich sage jedenfalls nicht, dass es so kommt. Ich sage nur, es wäre juristisch möglich und der Gesetzgeber kann, so er denn Geld sparen muss, diese Karte ziehen. Nicht alles, was juristisch möglich ist, wird allerdings auch irgendwann politisch umgesetzt.

--- End quote ---

Danke Onkel fuer die Einordnung deiner Gedanken.
Das ist fachlich sauber argumentiert, aber der Knackpunkt liegt genau in der Vermischung von verfassungsrechtlicher Mindestalimentation und dienstrechtlicher Systematik.
Das BVerfG beurteilt im Rahmen der Mindestalimentation ausschliesslich das Nettoverhaeltnis zwischen Einkommen und Grundsicherung, nicht aber die Art oder Struktur der Fuer­sorgeleistung.

Dass bei dieser Berechnung die Beitraege zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen werden, betrifft ausschliesslich die finanzielle Belastung, nicht die leistungsrechtliche Ausgestaltung.
Die UTV faellt dabei – wie du richtig sagst – heraus, weil hier schlicht keine privaten Aufwendungen entstehen. Daraus folgt aber keine eigene Besoldungslogik, sondern lediglich eine rechnerische Abweichung im Nettovergleich.

Das BVerfG prueft, ob ein Beamter mit typischen Belastungen ueber dem Grundsicherungsniveau liegt – nicht, ob ein Soldat ohne Belastungen „besser“ steht.
Der Gesetzgeber darf deshalb bei der Umsetzung zwar Unterschiede rechnerisch beruecksichtigen, er muss es aber nicht systematisch trennen, weil die UTV kein Einkommen, sondern eine gebundene Sachleistung ist.

Kurz:
Ja, rechnerisch koennte man beim Soldaten eine geringere Differenz ansetzen – verfassungsrechtlich geboten ist das aber nicht.
Denn die UTV ist keine variable Belastungsgroesse, sondern Teil des Dienstverhaeltnisses selbst – und gerade deshalb kein Parameter in der alimentationsrechtlichen Bewertung.

Oder einfacher gesagt:

Die Mindestalimentation misst, ob jemand genug zum Leben hat – nicht, ob der Staat seine Fuer­sorge intern in Geld oder in Sachleistung organisiert.

Bullshit Kondensator:
Schaut mal hier ab 21:50

https://www.youtube.com/watch?v=HhQIM9ewO4c&t=6908s

Sehr interessante Aussage zu "verfassungswidrigen Gesetzen" (hier Steuerrecht) als Instrument des Gesetzgebers um zunächst Fakten zu schaffen, die dann langwierig über die zähe (langwierige) Justiz korrigiert werden muss, man aber nunmal zunächst das Unrecht erleiden muss.

Offensichtlich ist das ein Schema, dass die Legislative sehr häufig und auch andernorts, also nicht nur bei uns, nutzt.

Rentenonkel:
@Durgi:

Das BVerfG geht zunächst davon aus, dass der Gesetzgeber seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten entweder durch Sach- oder durch Geldleistungen nachkommen kann und darf. Dabei steht ihm ein weiter Ermessenspielraum zu.

Sofern er seiner Fürsorgepflicht durch Sachleistungen (hier: UTV) statt durch Geldleistungen nachkommt, ist das solange verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wie der Soldat aus seinem Einkommen in der Lage ist, sich und seine Familie amtsangemessen zu versorgen.

Wie ich und andere schon mehrfach wiederholt haben, muss der Soldat nach der Rechtsprechung, um eine amtsangemessen Besoldung zu erhalten, unter anderem einen Mindestabstand von 15 % zur Grundsicherung haben; andernfalls ist die Besoldung jedenfalls evident (also offensichtlich) unzureichend und somit verfassungswidrig.

Sofern diese Hürde genommen wird, kommt man in die tiefergehende Prüfung der Amtsangemessenheit der Besoldung.

Die UTV ist wie Du schreibst keine beliebige Belastungsgröße. Die Belastung für den Soldaten dafür beträgt genau 0,00 EUR. Daher ist es sehr einfach, diese Größe in die Berechnung einfließen zu lassen.

Sehr viel schwieriger ist es für diejenigen, die von ihrem Sold oder von ihrer Besoldung tatsächlich für die KV Geld ausgeben müssen und denen dann das Geld fehlt, um bei Aldi einzukaufen, den Strom zu bezahlen, den Kindern Schulmaterial zu kaufen oder das Auto zu tanken. Diese Größe ist tatsächlich variabel und sehr individuell. Daher kann man hier nur Durchschnittswerte ansetzen.

Und gerade weil das UTV Teil des Dienstverhältnisses selbst ist, ist es auch Teil der Alimentation und darf in die Betrachtung mit einbezogen werden.

Ich denke, wir sind uns zumindest einig, dass ein Soldat im Gegensatz zu einem Beamten mit einem Beihilfeanspruch am Ende mehr Geld (im Durchschnitt 230 EUR pro Monat) zur Verfügung hat. Dass Du versuchst, diesen Unterschied verfassungsrechtlich damit zu begründen, dass der Soldat mehr Einschränkungen seiner Grundrechte hat als andere Beamte, ist verständlich. Das ist aus meiner Sicht allerdings eher ein politisches Argument als ein juristisches.

Ich denke, mir wird es nicht gelingen, Dich von meiner Sichtweise zu überzeugen. Auf der anderen Seite überzeugen mich Deine Argumente juristisch nicht.

Rein moralisch und menschlich ist es sicherlich überlegenswert, ob ein Soldat, der Leib und Leben riskiert, nicht auch etwas mehr Anerkennung verdient als ein Verwaltungsbeamter. Und eine solche Anerkennung drückt sich regelmäßig in Geld aus. Geld, welches man entweder mehr bekommt oder, wie aktuell, durch die UTV nicht ausgeben muss.

Das ist dann aber eine andere, eher politische als verfassungsrechtliche Diskussion.

Durgi:
@Onkel
Ich mag den Austausch. Nehme auch immer was mit, versprochen :)

Das ist der Punkt, an dem juristische Systematik und politische Bewertung auseinandergehen.

Die UTV hat mit Alimentation schlicht nichts zu tun. Sie ist kein Baustein des Lebensunterhalts, sondern Teil der Funktionssicherung der Truppe – also eine Maßnahme, damit der Soldat dienstfähig bleibt, nicht damit er besser lebt.

Wenn das BVerfG in seinen Berechnungen von „Bereinigung des Nettoeinkommens“ spricht, meint es nur echte Ausgaben, die den Lebensunterhalt mindern – Miete, Strom, Krankenversicherung usw.
Wer nichts zahlt, weil der Staat die Leistung selbst erbringt, hat keinen „Pluspunkt“ in der Alimentation, sondern einfach keinen Abzug. Das ist Rechenlogik, keine Rechtslogik.

Die UTV ist also kein zusätzliches Einkommen, sondern eine Form staatlicher Selbstorganisation. Der Dienstherr zahlt die Behandlung nicht dem Soldaten, sondern an sich selbst – über den Sanitätsdienst.
Würde man das als Teil der Alimentation werten, würde man Geld und Sachleistung vermischen – und damit das komplette Besoldungssystem aufweichen.

Dass der Soldat im Monat mehr Netto hat, ist kein Privileg, sondern ein Nebeneffekt der Struktur: Der Staat trägt die Gesundheitskosten direkt, weil er den Soldaten braucht – einsatzfähig, weltweit, jederzeit.

Kurz:

Die UTV ist kein Geschenk, sondern eine betriebsnotwendige Maßnahme. Sie hat im Alimentationsrecht nichts verloren, weil sie nicht den Lebensunterhalt absichert, sondern den Dienstbetrieb.

MDK2905:
Obacht ! Soldaten wird aber eine Mindestversorgungspauschale berechnet, diese findet sich auf der Jahreslohnsteuerbescheinigung.

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