Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2088929 times)

Pendler1

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6075 am: 07.06.2023 13:44 »
@flip

Ja, habe ich leider selber erst zu spät gemerkt, jetzt in Pension.

Ich war mal "überzeugter (technischer )Beamter" ... bis zur Privatisierungswelle Ende des letzten Jahrhunderts.

Naja, sic transit ...

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6076 am: 07.06.2023 15:11 »
Wie hoch dürfen eigentlich die Zuschläge zur Grundbesoldung bemessen sein?

Explizit meine ich die Familienzuschläge (FamZ) und den zukünftigen alimentativen Ergänzungszuschlag (AEZ). Dem Beschluss des BVerfG (2 BvL 4/18) sowie dem aktuellen ZBR-Beitrag 6/2023 ist zu entnehmen, dass großzügig bemessene Zuschläge generell möglich sind, sie dürfen nur nicht zur Hauptkomponente werden. Was heißt das in Zahlen ausgedrückt?

Aktuell (2023) gilt für eine 4k-Familie ein FamZ i.H.v. 416 €. Bezieht man den Zuschlag auf die Besoldungsgruppen A7/1 und A12/1 ergibt sich folgende relative Höhe:

A12/1:   3916 €      FamZ: 416 €      Relative Erhöhung:   10,6%
A7/1:   2614 €      FamZ: 416 €      Relative Erhöhung:   15,9%

Zukünftig (2024ff) gilt voraussichtlich (Annahme Wohnort liegt in der Mietenstufe 6):

A12/1:   4334 €      FamZ: 464 €      AEZ (Stufe 6):   399 €   Relative Erhöhung:   19,9%
A7/1:   2964 €      FamZ: 464 €      AEZ (Stufe 6):   643 €   Relative Erhöhung:   37,3%

In Summe würden sich die Zuschläge für den A12er nahezu verdoppeln und für den A7er sogar mehr als verdoppeln. Zumindest im Falle des A7ers würde ich vermuten, dass die Summe an Zuschlägen zu einer signifikant tragenden Komponente der Besoldung werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat auch dazu 2015 alles, was auch heute weiterhin nötig ist, in einem einzigen Wort zusammengefasst, PolareuD, ohne dass das die Besoldungsgesetzgeber zumeist hinreichend beachtet haben: "Die vom Vorlagegericht benannten Besoldungsbestandteile entsprechen den Komponenten, die einfach-rechtlich in § 1 Abs. 2 und Abs. 3 BBesG aufgezählt sind. [...] Im Einzelnen handelt es sich dabei um das Grundgehalt, den Ortszuschlag (jetzt: Familienzuschlag), die jährliche Sonderzuwendung und das Urlaubsgeld sowie etwaige Einmalzahlungen. Inwieweit all diese Komponenten tatsächlich bei der Bestimmung des amtsangemessenen Besoldungsniveaus heranzuziehen sind, ist eine Frage der Begründetheit." (Beschluss vom 05.05.2015 - 2 BvL 17/09 -, Rn. 88; Hervorhebung durch mich)

Wegen des weiten Entscheidungsspielraums, über den der Gesetzgeber verfügt, dürfte er ebenfalls die Grundbesoldung auf 0 € herabsenken und die amtsangemessene Alimentation ausschließlich über bspw. die familienbezogenen Besoldungskomponenten vollziehen, sofern - das meint die Hervorhebung im Zitat - er das sachlich rechtfertigen, es also sachgerecht begründen könnte. Das Problem an der Sache ist nun also, dass er eine solche Besoldungssystematik wegen der Forderungen aus Art. 33 Abs. 2 GG - wegen des von ihm zu beachtenden Leistungsprinzips - nicht sachgerecht begründen könnte. In diesem Sinne ist die Aussage in dem von Dir genannten ZBR-Beitrag offensichtlich zu verstehen: Sofern es dem Gesetzgeber gelingen könnte, die von Dir für die Besoldungsgruppe A 7/1 dargestellten familienbezogenen Besoldungskompoenten sachgerecht zu begründen, hätte er alles Recht der Welt (ok, genauer: auf dem Boden des Grundgesetzes das Recht), eine entsprechende Besoldungssystematik zu vollziehen.

Sofern er nun eine solche Begründung vollziehen wollte, ständen ihm allerdings zunächst einmal mindestens drei prinzipielle sachliche Probleme im Weg:

1. Er müsste zeigen, dass es einen sachlichen Bedarf innerhalb der gesellschaftlichen Lebenswelt der Bundesrepublik Deutschland geben würde, der einen so hohen Anteil familienbezogener Besoldungskomponenten rechtfertigen könnte. Er müsste also konkret zeigen, dass sich das Leben für Familien vom jetzigen - als verfassungskonform vorausgesetzten - Zustand der Besoldung und Alimentation (welcher tatsächlich nicht gegeben ist) zur geplanten Novellierung so stark verändert hat, dass es notwendig wäre, entsprechende Erhöhungen zu vollziehen, um so den amtsangemessenen Gehalt (der heute eingestandenermaßen weiterhin nicht gegeben ist) weiterhin zu garantieren. Es dürfte dem Gesetzgeber dabei grundsätzlich möglich sein, ob der in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten auch von Familien sachgerechte Gründe ins Feld zu führen, die grundsätzlich höhere familienbezogene Besoldunskomponenten sachlich rechtfertigen könnten. In diesem Sinne ist es zu verstehen, dass der Gesetzgeber über die prinzipielle Möglichkeit verfügt, die familienbezogenen Besoldungskomponenten deutlich zu erhöhen (S. 183 des Beitrags). Er muss dabei allerdings ebenso alle weiteren Forderungen beachten, die sich aus dem Grundgesetz ergeben - und da liegt nun das Problem, das als solches für ihn vor allem ein Begründungsproblem ist.

2. Denn er müsste zugleich ebenfalls sachgerecht nachweisen, dass (a) die Lebenshaltungskosten von Beamten ohne Familie im selben Zeitraum nicht angestiegen wären, denn sofern sich diese ebenfalls deutlich erhöht hätten, müsste der Gesetzgeber darauf entsprechend reagieren, um weiterhin den amtsangemessenen Gehalt der ihnen gewährten Nettoalimentation garantieren zu können. Diesen Nachweis, dass die allgemeinen Lebenshaltungskosten nicht auch für Beamte ohne Familie in den letzten Jahren nicht ebenfalls deutlich gestiegen wären, könnte er jedoch offensichtlich nicht führen. Darüber hinaus müsste er (b) zeigen, dass es sich bei den deutlich höheren Lebenshaltungskosten von Beamten mit Familie um ein beamtenrechtliches Problem handeln würde, da es ansonsten schwerlich zu rechtfertigen wäre, dass solch deutlichen Erhöhungen für Beamten vollzogen werden, für den Rest der Gesellschaft aber sozialgesetzlich nicht. Er müsste also zeigen, dass hier nicht eine gleichheitswidrige Privilegierung von Beamten vollzogen werden würde. Auch diesen Nachweis könnte er so allerdings nicht vollziehen, da im selben Zeitraum ebenfalls die allgemeinen Lebenshaltungskosten von Familien generell deutlich gestiegen sind - es liegt hier also kein beamtenrechtliches Problem vor, sondern ein übergreifendes gesellschaftliches, das wiederum auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik der letzten Jahre zurückweist. Letztlich zeigt dieser Absatz also, dass sich eine solche massiven Anhebungen von familienbezogenen Besoldungkomponenten sachlich nicht rechtfertigen lassen, da sie nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG - dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz - in Einklang zu bringen sind.

3. Darüber hinaus müsste sich zeigen, dass solch deutliche Erhöhungen mit der Besoldungssystematik als solche in Einklang zu bringen wären (hierauf bezieht sich der aktuelle ZBR-Beitrag in seinem engeren Kern). Dabei müsste er zunächst betrachten, dass diese Besoldungssystematik derzeit zu eine eingestandermaßen evident unzureichend Ergebnis führt und von daher nicht sachgerecht sein kann, da sie gegen das Mindestabstandsgebot verstößt. Sie kann also sachlich zu keinen Vergleichszwecken herangezogen werden, da sich eine verfassungswidrige Regelung innerhalb der verfassungsrechtlichen Ordnung der Bundesrepublik nicht zu irgendeinem sachlichen Vergleich eignet, da diese Ordnung eine Regelung, die nicht auf ihrem Boden steht, nicht vorsehen kann. Von daher ist nun der Gesetzgeber gezwungen, den Grad ihrer Verletzung zu betrachten, was er - ausgehend von der Mindestalimentation - problemlos insoweit vollziehen kann, dass er eine eklatante Verletzung des Mindestabstandsgebot identifizieren muss; eklatant deshalb, weil die unteren Besoldungsgruppen derzeit weiterhin noch unterhalb des Grundsicherungsniveau alimentiert werden. Auf Grundlage der Mindestbesoldung kann er nun im Sinne des ZBR-Beitrags und ebenfalls ohne größere Probleme den Grad der Verletztheit der Besoldungssystematik identifizieren. Das habe ich hier - wenn ich das richtig erinnere - bereits in der Vergangenheit für das Jahr 2021 oder 2022, eventuell auch schon für andere Jahre vollzogen (oder habe ich hinsichtlich der Bundesbesoldung "nur" den Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation vollzogen...?!). Hier dürfte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zeigen, dass derzeit die Grundgehaltssätze bis mindestens in die Besoldungsgruppe A 10 hinein nicht das "Grundgehaltsäquivalent zur Mindestalimentation" erreichen, also indiziell - als Indiz innerhalb des Prüferverfahrens - nicht die Höhe haben, die auf Grundlage der heutigen Verfasstheit der Besoldungssystematik im mindesten die Besoldungsgruppe A 3/1 erreichen müsste. Damit zeichnet sich eine deutliche Verletzung des Leistungsprinzips nach Art. 33 Abs. 2 GG ab. Sofern der Gesetzgeber nun also die Besoldungssystematik wieder in einen verfassungskonformen Zustand bringen wollte, dabei aber von einer substanziellen Erhöhung der Grundgehaltssätze absehen wollte, müsste er auch das innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens sachlich begründen. Dabei wäre weiterhin zu beachten - wie jener Beitrag weiterhin zeigt -, dass darüber hinaus für vergleichbare, aber unterschiedliche Besoldungsgruppen vollzogene unterschiedlich hohe familienbezogene Besoldungskompoenten die Gefahr beinhalten, gegen das Abstandsgebot zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen zu verstoßen. Sofern also als Folge jener unterschiedlichen Anpassung das Gehalt als Ganzes zwischen den verschiedenen Besoldungsgruppen deutlich angenähert wird, wäre auch das vom Gesetzgeber zu begründen, da ja am Ende die dienstliche Leistung der jeweiligen Beamten verschiedener Besoldungsgruppen weiterhin zu betrachten wären und nicht eventuelle Lestungen außerhalb ihrer Dienstgeschäfte, die hinsichtlich der Ämterwertigkeit weiterhin keine Rolle spielen.

Der langen Rede kurzer Sinn: Es gibt kein genaues Verhältnis zwischen dem Grundgehalt und den weiteren Besoldungskomponenten, das der Gesetzgeber zu beachten hätte - sondern es geht generell darum, dass die Besoldung und Alimentation der gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst werden müssen, um sachgerecht vollzogen zu werden. Sofern das geschieht, ist es dem Gesetzgeber problemlos möglich, sein Entscheidungen mit klaren Worten einfach zu begründen. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn der Beitrag am Ende auf der S. 188 die betreffende Problemlage wie folgt zusammenfasst:

"Das Gesetzgebungsverfahren unterliegt nicht zuvörderst mathematischen Bedingungen, sondern hat in erster Linie und durchgehend die an den Gesetzgeber gerichteten prozeduralen Anforderungen zu erfüllen, was hauptsächlich bedeutet: Es muss sachgerecht vollzogen werden. Dabei können mathematische Überlegungen allenfalls die Rolle als Mittel zum Zweck spielen, also zur Orientierung im Gesetzgebungsverfahren beitragen."

Insofern dürfen wir gespannt sein, wie der Bundesgesetzgeber zukünftig nun seiner ihn treffenden Begründungspflicht nachkommt. Das für ihn Schöne ist, dass sachgerechte Begründungen problemlos vollzogen werden können, sodass es ihm ein Leichtes sein dürfte, sachgerechte Begründungen für sachlich schlüssige Entscheidungen ins Feld zu führen. Er wird also ohne viel Aufwand in kurzer Zeit zu einem wieder verfassungskonformen Zustand zurückkehren können, den er ja bereits vor mehr als zwei Jahren als nicht gegeben anerkannt hat. Es besteht für ihn insofern kein Grund, nicht zügig zur Tat zu schreiten - vielmehr besteht für ihn jeder Grund, nun zügig zur Tat zu schreiten, da er einen mit Verfassung nicht in Einklang stehenden Zusand nicht bestehen lassen darf. Er kann natürlich auch weiterhin, sachlichen Unsinn ins Feld führen, um nicht zügig zu einer verfassungkonformen Gesetzgebung zurückzukehren - aber dann sollte er vielleicht dem für irgendwann im nächsten Jahr geplanten Gesetz schon heute den ihm passenden Namen geben und nicht mehr weiterhin vom Bundesbesoldungsgesetz sprechen, sondern es inhaltlich besser präziser fassen: "Gesetzentwurf zur verzögerten und fortgesetzt sachwidrigen Entscheidung mit dem Ziel, beständig noch mehr Menschen der AfD, den Reichsbürgern und weiteren Esoteriken in die Arme zu treiben, indem man sich im Handeln und Sprechen mit ihnen gemein macht." Wer als Besoldungsgesetzgeber wissentlich und willentlich und beständig gegen die Verfassung verstößt, verliert kaum zu Unrecht an Ansehen und Legitimität in der Bevölkerung oder in Teilen von dieser, sollte sich also an die eigene Nase fassen und sich deshalb nicht über die Chose beschweren, für die er maßgeblich Mitverantwortung trägt.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6077 am: 07.06.2023 15:49 »
Vielen Dank Swen für deine Ausführungen. Wenn deine Ausführungen richtig interpretiere lässt sich die Maximalhöhe von Zuschlägen aktuell nicht ermitteln? Es bedarf lediglich immer einer sachlichen Begründung für die Bemessung der Zuschläge. Da sich exorbitante Zuschläge sachlich nicht begründen lassen, sind sie in der geplanten Form voraussichtlich unzulässig.

[.....]
Das habe ich hier - wenn ich das richtig erinnere - bereits in der Vergangenheit für das Jahr 2021 oder 2022, eventuell auch schon für andere Jahre vollzogen (oder habe ich hinsichtlich der Bundesbesoldung "nur" den Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation vollzogen...?!).
[.....]

Ich bin mir nicht mehr sicher, ob du für den Bund entsprechende Daten bereits eingestellt hast. Vielleicht könntest du sie hier nochmal zur Verfügung stellen, oder zumindest auf die entsprechende Seite verweisen?
« Last Edit: 07.06.2023 16:00 von PolareuD »

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6078 am: 07.06.2023 18:54 »
Wenn ich mich recht erinnere, habe ich entsprechende Berechnungen hier im Forum bereits durchgeführt, allerdings trügt mich ggf. auch meine Erinnerung. Von daher erstelle ich hier noch einmal entsprechende Bemessungen. Da für das aktuelle Jahr 2023 offensichtlich noch kein 95 %-Perzentil oder eine entsprechende Mitteilung des PKV-Verbands vorliegen, gehe ich in das Jahr der letzten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zurück und betrachte also die Besoldungssystematik im Jahr 2020, das zugleich, denke ich, als Ausgangspunkt der mit der Corona-Krise eingeleiteten Zeit nach der "Zeitenwende" betrachtet werden kann. Hierzu bemesse ich zunächst das Grundsicherungsniveau sowie die Mindestalimentation (I) und im Anschluss die gewährte Nettoalimentation sowie den Fehlbetrag (II). Daraufhin betrachte ich dann die Mindestbesoldung mit der Folge für die Besoldungssystematik (III). Entsprechend hätte sich ebenso der Besoldungsgesetzgeber im Gefolge der aktuellen Entscheidung veranlasst sehen müssen, die gewährte Alimentation auf ihren verfassungskonformen Gehalt zu überprüfen. Da hier kein Gesetzgebungsverfahren begründet werden muss, gehe ich zugleich in doppelter Hinsicht vor, indem ich hinsichtlich der kalten Unterkunftskosten (a) das 95 %-Perzentil für Bayern in Höhe von 1.400,- € und (b) das 2020 niedrigste 95 %-Perzentil heranziehe, das sich mit 700,- € 2020 in Sachsen-Anhalt finden lässt. Diese zweite Berechnung kann als nicht realitätsgerecht hinsichtlich der Bemessung der Mindestalimentation angesehen werden, da es dem Beamten nicht zuzumuten ist, seinem Wohnsitz in dem Ort zu wählen, der die niedrigsten Wohnkosten aufweist (Rn. 60 der aktuellen Entscheidung), was für Bundesbeamte noch einmal besonders zu beachten wäre - andererseits soll hier ein Aufschluss über die Besoldungssystematik erstellt werden, sodass es sich anbietet, den Vergleich selbst unter nicht realitätsgerechten Prämissen zu vollziehen. Die Betrachtung mündet in einem kurzen Fazit (IV).


I. Grundsicherungsniveau und Mindeszalimentation 2020

Insgesamt sind der Bemessung des Grundsicherungsniveaus zunächst die Regelsätze für zwei Erwachsene und zwei nach dem Alter zu differenzierenden Kindern zugrundezulegen, wie sie dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung entnommen werden können. Sie betrugen 2020 780,- € und 588,- €. Weiterhin können die Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie der monetäre Gegenwert der Sozialtarife nicht realtitätsgerecht bemessen werden, da zu ihnen vom Gesetzgeber bislang keine entsprechenden Daten veröffentlicht worden sind. Von daher können nur die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Beträge herangezogen werden, die 2020 pro Kind 37,23 € betragen haben. Darüber hinaus wurde 2020 nach dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz vom 30.06.2020 je Kind ein steuerfrei zu stellender Bonus von 300,- € gewährt, der ebenfalls hier mit einzubeziehen ist. Tatsächlich muss aber in der Realität hinsichtlich der Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie hinsichtlich des monetären Gegenwerts der Sozialtarife von beträchtlich höheren Beträgen ausgegangen werden als der so zugrunde gelegte Betrag von 124,46 €, was bei der nachfolgenden Betrachtung der Fehlbeträge im Hinterkopf zu behalten wäre. Die Heizkosten sind 2020 anhand des jeweils geltenden Bundesweiten Heizspiegel mit den Abrechnungsdaten des Vorjahrs zu bemessen, die entsprechend 2020 22,61 € pro qm betrugen. In Bayern wie auch Sachsen-Anhalt ist von einer Wohnfläche von 90 qm für eine vierköpfige Familie auszugehen, sodass von monatlichen Heizkosten in Höhe von 169,58 € auszugehen ist. Auf dieser Basis lassen sich nun zwei Grundsicherungsnvieaus und Mindestalimentationen erstellen:


                                                   (a)                               (b)
Regelsätze:                                                1.368,-- €
+ Kalte Unterkunftskosten:        1.400,-- €                         700,-- €
+ Heizkosten:                                               169,58 €
+ Kosten der Bedarfe für
Bildung und Teilhabe/                                    124,46 €
Sozialtarife:

Grundsicherungsbedarf:            3.062,04  €                     2.362,04 €
Mindestalimentation:                 3.521,35 €                     2.716,35 €


II. Gewährte Nettoalimentation und Fehlbetrag 2020

Heranzuziehen ist die Besoldung eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der in der niedrigsten Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe, also nach A 3/1, eingruppiert war. Heranzuziehen sind die Besoldungsbestandteile, die allen Beamten der Besoldungsgruppe gewährt worden sind. Nach dem Besoldungsrechner ergibt sich für 2020 das nachfolgende Bild hinsichtlich der Bruttobesoldung (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a?id=beamte-bund-2020neu&g=A_3&s=1&f=3&z=100&zulage=&stj=2023&stkl=1&r=0&zkf=0); zur Bemessung der steuerlichen Veranlagung ist laut der entsprechenden Mitteilung des PKV-Verbands ein BEG-Anteil in Höhe von 485,42 € heranzuziehen (https://www.bmf-steuerrechner.de/bl/bl2020/resultbl2020.xhtml?acckey=true). Die PKV-Kosten betrugen 2020 602,42 €. Als Kindergeld wurden monatlich jeweils 204,- € gewährt. Entsprechend ergibt sich das folgende Bild:

Grundgehalt:                                 2.301,21 €
+ Familienzuschläge:                        436,87 €
Bruttobesoldung:                           2.738,08 €
- Einkommensteuer:                         104,50 €
- PKV-Beitrag:                                  602,42 €
+ Kindergeld:                                   408,-- €

Nettoalimentation:                           2.439,16 €
Grundsicherungsbedarf: 3.062,04 €                      2.362,04 €
Fehlbetrag (absolut):        622,88 €                          ---
Fehlbetrag (%):                  20,3 %
Mindestalimentation:     3.521,35 €                     2.716,35 €
Fehlbetrag (absolut):     1.082,19 €                        354,31 €
Fehlbetrag (%):                 30,7 %                           13,0 %


III. Mindestbesoldung und Fehlbetrag

Die Mindestbesoldung kann nach den ZBR-Beiträgen des letzten und dieses Jahrs als der Äquivalenzwert betrachtet werden, der genau auf der Höhe der Mindestalimentation liegt, entsprechend ergibt sich das "Besoldungsäquivalent zur Mindestalimentation". Hierzu werden von der Mindestalimentation das Kindergeld subtrahiert und die PKV-Kosten addiert. Damit erhält man die Nettobesoldung, die sich äquivalent zur Mindestalimentation verhält. Addiert man hierzu die steuerliche Veranlagung, erhält man das entsprechende Besoldungsäquivalent, also die Bruttobesoldung auf Höhe der Mindestalimentation (a). Im Anschluss werden mit Ausnahme des Grundgehaltssatzes die weiteren Besoldungskomponenten subtrahiert, sodass man das "Grundgehaltsäquivalent zur Mindestalimentation" erhält, also den Grundgehaltsbetrag, der genau auf Höhe der Mindestalimentation liegt. Es kann nun zu Vergleichzwecken mit den Tabellenwerten verglichen werden. Da es sich hier um ein indizielles Mittel handelt, können die Nachkommastellen grundsätzlich auf ganze Zahlen aufgrundet werden. Darüber hinaus müsste ich eigentlich ein "Spitzausrechnung" vornehmen, da die Besoldung erst zum 01.03.2020 erhöht worden ist. Die Berechnung erspare ich mir aber, da es ja nur um ein allgemeines Bild geht. In der Realität würden die Fehlbeträge noch etwas größer sein, da die Besoldung in den ersten beiden Monaten des Jahres 2020 geringer ausgefallen ist. Entsprechend ergibt sich das folgende Bild, für dessen Bemessung man insgesamt kaum eine Stunde Zeit benötigt:


Mindestalimentation:                    3.522,- €                     2.717,- €   
- Kindergeld:                                                    408,- €
+ PKV-Beitrag:                                                 603,- €
Äquivalente Nettobesoldung:         3.717,- €                     2.912,- €
+ Einkommensteuer:                       465,- €                        187,- €
Besoldungsäquivalent:                  4.182,- €                     3.099,- €
- Familienzuschläge:                                         437,- €
Grundgehaltsäquivalent:               3.745,-  €                    2.662,- €
tatsächliche gewährte
Grundbesoldung (A 3/1):                                 2.302,- €         
Fehlbetrag (absolut):                    1.443,-                          360,- €
Fehlbetrag (%):                               38,5 %                     13,5 %

Ein Grundgehalt in Höhe von 3.745,- € ist keinem Bundesbeamten in den Besoldungsgruppen A3 bis A 8 gewährt worden. In der Besoldungsgruppe A 9 hat erst die letzte Erfarungsstufe diesen Betrag knapp überschritten; in A 9/8 wurde ein Grundgehaltssatz in Höhe von 3.754,27 € gewährt. In A 10 überschritt erst die Besoldungsgruppe A 10/5 das Grundgehaltsäquivalent, in A 11/2 wurden die identischen 3745,12 € gewährt. Erst in der Besoldungsgruppe A 12 überstieg der Grundgehaltssatz ausnahmslos den Wert, der indiziell auf Höhe der Mindestalimentation gelegen hat. Entsprechend zeigt sich die Besoldungssystematik hinsichtlich eines in Bayern gelegenen Dienstorts in neun von 14 Besoldungsgruppen als verletzt; der indizielle Fehlbetrag lag bei 38,5 %, womit sich die Grundbesoldung indiziell um fast 2/5 zu gering entpuppt. Entsprechend offenbart sich die Systematik der Bundesbesoldung in einem so starken Maße als verletzt, dass es offensichtlich ausgeschlossen ist, den Ausschluss der deutlichen Erhöhung der Grundgehaltssätze sachgerecht begründen zu können.

Betrachtet man nun einen Dienstort in Sachsen-Anhalt, dann erreicht dort kein Beamter in der Besoldungsgruppe A 3 das Grundgehaltsäquivalent in Höhe von 2.662,- €. Erst die Besoldungsgruppen A 4/7, A 5/6, A 6/4, A 7/3 und A 8 mit einer Grundbesoldung von 2.685,05 in der ersten Erfahrungsstufe übersteigen jeweils das Grundgehaltsäquivalent. Dabei bliebe aber zu beachten, dass unter Bemessung anhand einer "Spitzausrechnung" auch hier noch ggf. ein Unterschreiten nicht unwahrscheinlich ist. Ebenfalls fällt ins Gewicht, dass die Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie des monetären Gegenwerts der Sozialtarife mit 124,46 € offensichtlich zu gering angesetzt worden sind. Entsprechend darf davon auszugehen sein, dass hier indiziell mindestens sechs der 14 Besoldungsgruppen 2020 als verletzt zu betrachten wären. Damit zeigt sich auch im Zusammenhang mit dem indiziellen prozentualen Fehlbetrag von 13,5 %, dass selbst in einem Bundesgebiet mit einem geringen Grundsicherungsniveau weiterhin eine deutliche Verletzung des Besoldungssystematik gegeben ist. Der Gesetzgeber wäre also selbst diesbezüglich gezwungen (gewesen), die Vermeidung der Anhebung der Grundgehaltssätze sachgerecht zu begründen, ohne dass ihm das in Anbetracht dessen, dass fast die Hälfte der Besoldungsgruppen von der Verletzung der Besoldungssystematik betroffen ist, möglich (gewesen) sein sollte.

IV. Fazit

Die Betrachtung der Mindestbesoldung anhand von Äquivalenzbeträgen zur Mindestalimentation ermöglicht indiziell eine umfassende Prüfung der Besoldungssystematik, so wie das in den beiden ZBR-Beiträgen methodisch dargelegt wird. Sie kommt für das in Augenschein genommene Jahr 2020, das den Ausgangspunkt der seitdem sich vollziehenden schweren ökonomischen Verwerfungen bildet, zu den dargelegten Ergebnissen. Zugleich sollte man davon ausgehen können, dass sich die Sachlage seitdem kaum substanziell verbessert hat. Nicht umsonst ist 2021 eine nominale Besoldungsanpassung um 1,2 % zum 01.04. erfolgt, die also eine reale Erhöhung um 0,9 % bedeutet hat, und 2022 erfolgte einer nominale Besoldungserhöhung zum 01.04. um 1,8 %, was real einem Wert von 1,35 % entspricht. Damit ist in jenem Zeitraum der Besoldungsindex von 2020 100 auf Ende 2022 auf 102,3 gestiegen. Die Verbraucherpreise sind 2021 um 3,1 % gestiegen und 2022 um 7,9 %. Damit steht dem genannten Besoldungsindex ein Verbraucherpreisindex von 111,2 gegenüber. Wie man in Anbetracht der in diesem Beitrag vollzogenen Prüfung ohne eine substanzielle Anhebung der Grundgehaltssätze zu einer wieder amtsangemessenen Alimentation zurückfinden will, bleibt entsprechend das Geheimnis - bislang - der Bundesregierung. Es dürfte ausgeschlossen sein, dass sich ein solches Ansinnen sachgerecht begründen ließe. Ohne eine sachgerechte Begründung sind aber keine Gesetzesnovellierungen möglich, die als verfassungskonform anzusehen wären.

Wie gesagt, all das kann man zeitlich in rund einer Stunde bemessen und betrachten. Es besteht von daher kein sachlicher Grund, nicht umgehend zur Tat zu schreiten - es sei denn, man wollte weiterhin offensichtlich gezielt verhindern, "das massiv erschütterte Vertrauen der Beamtinnen und Beamten wieder zurückzugewinnen und den Alimentationsklagekreislauf zu durchbechen". Entsprechend endet der wichtige Beitrag Alexia Tepkes und Andreas Beckers - der beiden wichtigen Besoldungsspezialisten des dbb - aus dem letzten Jahr wie folgt: "Es gilt vielmehr Gesetze zu erlassen, die die Besoldung - unabhängig von der persönlichen Lebensgestaltung im Familienbereich - finanziell so ausgestalten, dass nicht nur die absolute Mindestbesoldung gewährt, sondern das Vertrauen der Beamtinnen und Beamten in ihren Dienstherrn auf tatsächlichen Erhalt der verfassungsrechtlich zustehenden amtsangemessenen Alimentation unter Berücksichtigung des Leistungsgedankens zurückgewonnen wird. Diese Aufgabe kann das Bundesverfassungsgericht den Dienstherrn nicht abnehmen." (ZBR 2022, S. 153 f.)
« Last Edit: 07.06.2023 19:02 von SwenTanortsch »

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6079 am: 07.06.2023 19:27 »
Wieder schön geschrieben, Swen. Leider sind Worte bekanntermaßen sehr geduldig.

Ich sehe bessere Chancen auf eine Alieninvasion, als auf eine freiwillige Rückkehr des/der Dienstherrn, zu einer angemessenen Besoldung. In noch viel weiterer Ferne sehe ich jegliche Art der Entschuldigung für dieses absolute Missverhalten der Belegschaft gegenüber.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6080 am: 07.06.2023 20:13 »
@ Swen

Nochmals Danke für deinen Beitrag. Für 2023 müsste der Fehlbetrag durch die Einführung des Bürgergeldes noch einmal deutlich steigen. Als in Bayern lebender Bundesbeamter wäre eine deutliche Anhebung der Grundbesoldung ein willkommener Kaufkraftausgleich. Insbesondere vor dem Hintergrund meines dienstlich veranlassten Umzuges, wodurch monatliche Mehrbelastungen i.H.v. ca. 1000€ (Alter Wohnort: Mietenstufe 1, Neuer Wohnort: Mietenstufe 6, sowie Kinderbetreuungskosten) entstanden sind, denen keine Kompensation gegenüber steht.

Bundi

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« Antwort #6081 am: 07.06.2023 23:17 »
Da auf der einen Seite mit Vorsatz seit Jahren gegen das besondere Dienstverhältnis seitnes des Dienstherrn verstoßen wird, wünsche ich mir mittlerweile eigentlich nur noch, dass das selbe BVerfG den Beamten nicht mehr das Recht auf Versammlungsfreiheit und Streik vorenthält. Ich glaube mittlerweile dass nur noch ein umfangreicher Streik im Bereich der Beamten die Herrn Politiker zu Verstand kommen lässt und ggf erkennen lässt was sie anrichten. Das würde diesen Damen und Herren vor Augen führen was Battis mit Verfassungskrise meint. Realistisch betrachtet weiss ich leider das dies nicht passieren wird.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6082 am: 08.06.2023 00:00 »
Gern geschehen, Kollegen - und zugleich gehe ich verständlicherweise ebenfalls nicht davon aus, dass es zu einer freiwilligen Rückkehr der Gesetzgeber zu einer amtsangemessenen und also verfassungskonformen Alimentationspraxis käme. Denn hätte einer der Dienstherrn jenes Ziel, müsste er sich von niemanden darin aufhalten lassen. Ich gehe aber zugleich davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen anstehenden Entscheidungen Direktiven erlassen wird, die es den Besoldungsgesetzgebern noch einmal deutlich erschweren sollten, die Kontinuität der letzten mindestens anderthalb Jahrzehnte ungebrochen fortzusetzen. Dazu habe ich ja hier im Forum in der Vergangenheit verschiedentlich einiges gesagt. Es würde mich stark wundern, wenn uns - und insbesondere die Besoldungsgesetzgeber - das Bundesverfassungsgericht nicht mit einigen seiner begründenden Worte recht stark überraschen würde. Ich gehe entsprechend ebenfalls davon aus, dass das Aufrechterhalten der Politik des dienstherrnübergreifend konzertierten Verfassungsbruch durch die anstehende Entscheidung deutlich erschwert werden wird - und dass die sich im Verlauf der nächsten anderthalb Jahre daraus entspinnenden Entscheidungen in den verschiedenen Rechtskreisen politisch zum Ende der entsprechenden Konzertierung führen wird, wodurch sich der Konkurrenzföderalismus im Werben um Nachwuchs deutlich verstärken wird. Auch wenn das politisch noch sehr fern sein dürfte und es nicht zu erwarten ist, dass sich ein Dienstherr darüber heute schon wirklich durchdachte Gedanken machte - für alle Dienstherrn wäre die absehbare Rückkehr zu einer bundesweit weitgehend einheitlichen Besoldung, die darüber hinaus eine Differenzierung anhand verfassungsrechtlich statthafter Ortszuschläge kennte, die klügste Entscheidung, die sie tätigen könnten. Aber bis sie kommen wird, dürfte es noch ein paar Jahre dauern, so ließe sich begründet vermuten.

Schauen wir also mal auf die anstehenden Entscheidungen und ihre jeweilige Begründung - ich gehe nach wie vor davon aus, dass sie - die jeweilige Begründung - politisch insbesondere Niedersachsen recht stark wehtun wird, das im Moment politisch das schwächste Glied in der Kette ist, und dass es ebenso für Schleswig-Holstein eine Entscheidungsbegründung geben wird, die für deren Landesregierung kaum überaus erquicklich sein dürfte.

BWBoy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6083 am: 08.06.2023 07:28 »
Habe jetzt von der Außenstelle München bestätigt bekommen, dass mein Widerspruch ruhend gestellt wurde.

Seltsamer Weise per Email. Macht das nen Unterschied?

Hast du denen erlaubt so zu kommunizieren?

Nicht wirklich, ich habe aber einmal per Email nachgehakt weil man schriftlich keine Antwort bekommt.

Also ich würde erhebliche Probleme bekommen, wenn ich einfach so Mails raushaue. Die sind ja datenschutztechnisch wie Postkarten.

Ich habe jetzt nochmal um eine Bestätigung auf dem Postweg gebeten. Wurde mir zugesagt. Bin mal gespannt wann die kommt.

Meine anderen beiden Widersprüche wurden allerdinsg vom BVA Wiesbaden nicht an München weitergeleitet und ne Eingangsbestätigung habe ich auch nicht bekommen. ALso entweder da nochmal hinterher oder erneut einreichen  ???

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6084 am: 08.06.2023 10:08 »
Auch von mir Danke Swen. Deinen Ausführungen entnehme ich das du mit einer weiteren Verschärfung seitens BVerfG rechnest. Das wird sicher so kommen, allein schon damit das BVerfG seine Bedeutung und die seiner Rechtsprechung unterstreicht. So langsam dürften sich die Richter wohl selber nicht ernst genommen sehen. Aber wie du selber ausführst und dies auch andere Kollegen hier sehen, wird sich dieser Zustand sicher noch Jahre hinziehen wenn nicht gar weitere 10 Jahre. Es scheint doch wohl so, dass es die Gesetzgeber nicht die Bohne interessiert ob ihre Gesetzgebung den Massgaben der Rechtsprechung entspricht. Ansonsten sehe ich das so wie du, hätten Sie schon längst Abhilfe schaffen können. Es fehlt schlicht und einfach am Willen. Von daher sehe ich es persönlich eher in weiter Ferne bevor sich was ändert. Dieser Umstand hat nicht nur das Vertrauen in den Dienstherrn vollends zerstört, er macht einen langsam aber sicher mürbe und der Frust sitzt so tief das es zumindest mir immwr lfter in den Sinn kommt einfach den Kimonbo zu machen. Und sollte dies bei vielen Beamten der Fall sein, so sehe ich ziemlich schwarz für die Zukunft, denn ohne einen robusten funktionierenden ÖD wird es schwer unser Gemeinwesen wie wir es kennen am Laufen zu halten. An entsprechende Nachwuchsgewinnung möchte ich gar nicht denken. In meinem Bereich sind zB in einem SG von 5 Dp 3 auf Dauer unbesetzt und die Arbeit müssen andere auffangen. Dies wird auf Dauer nicht funktionieren. Und solche Situationen dürften sich in Zukunft, sollte sich nichts ändern, immer öfter ergeben. Es stehen ja in naher Zukunft reichlich Beamte zur Pension an. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre eine Rückkehr zur bundeseinheitlichen Besoldung, danit zu allem Überfluss nicht auch noch ein Abwerben um Beamte die Runde macht und die Probleme nur noch mehr verschärft. Das wird aber leider mit den Ländern wegen des ach so gelobten Föderalismus nicht funktionieren. Genug der Probleme auf ins sonnige Wochenende. Nochmals danke für deine Mühe die Thematik immer wieder zu vertiefen und alle auf dem laufenden zu halten.

Pendler1

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6085 am: 08.06.2023 11:30 »
@Bundi

Volle Zustimmung!

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6086 am: 08.06.2023 12:24 »
Ich kann Deinen und euren Pessimismus gut verstehen, Bundi und Pendler, denn die letzten anderthalb Jahrzehnte haben ja kaum Anlass zu einem überbordenden Optimismus gegeben - andererseits ist es typisch menschlich, dass wir unsere bisherigen Erfahrungen auf die Zukunft übertragen, was m.E. hinsichtlich der Besoldungsthematik nur bedingt weiterführt. Denn wie schon mehrfach ausgeführt, ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht mit den anstehenden Entscheidungen seine seit 2012 neu entwickelte Besoldungsdogmatik weitgehend sachlich zum Abschluss bringt. Daraus sollten dann mehrere Folgen entspringen: Zunächst einmal können danach die vielen noch ausstehenden Vorlageverfahren schneller zu einem Abschluss gebracht werden, was die Besoldungsgesetzgeber wiederkehrend unter Druck setzte. Weiterhin besteht dann für die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine stärkere Klarheit, was schon jetzt weitergehend der Fall ist, weshalb die seit 2020 vollzogenen Entscheidungen praktisch zwangsläufig zu weiteren Vorlagebeschlüssen geführt haben. Darüber hinaus dürfte die Klagefreudigkeit der Kolleginnen und Kollegen weiterhin steigen, sofern sie nicht von Dienstherrn praktisch erzwungen wird, wie das unterdessen bspw. in Hamburg und Schleswig-Holstein geschehen ist, da die neue Dogmatik auch für die Anwälte sowohl fachliche Klarheit als auch einen geringeren Arbeitsaufwand mit sich bringt, weshalb auch für sie Klageverfahren finanziell zunehmend attraktiv(er) werden, nicht zuletzt die öffentlich zugänglichen Musterklageschriften machen die Thematik für Kanzleien zunehmend attraktiv. Und schließlich dürften nach der anstehenden Entscheidung insbesondere für mindestens Niedersachsen, Berlin, Sachsen und Baden-Württemberg, ggf. auch für Schleswig-Holstein Vollstreckungsanordnungen im Raum stehen, sofern sie sich nach dieser Entscheidung mit der nächsten Gesetzgebung weiterhin nicht an die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung gebunden sehen wollten. Nach den letzten drei Jahren darf davon ausgegangen werden, dass das Bundesverfassungsgericht zukünftig eine umso peniblere Beachtung der eigenen Rechtsprechung von den Besoldungsgesetzgebern erwarten wird.

Diese neuen Voraussetzungen treffen darüber hinaus auf einen zunehmend größerer werdenden Fachkräftemangel mit der Folge, dass der Konkurrenzföderalismus diesbezüglich zunehmend neue Blüten treiben wird (dazu habe ich ja hier schon verschiedentlich geschrieben). Entsprechend nützen unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit eher wenig, um aus ihnen Prognosen für die Zukunft abzuleiten. Vielmehr werden wir mit den und anhand der anstehenden Entscheidungsbegründungen sehr viel klarer sehen können, wohin die Reise insgesamt wohl gehen sollte. Noch einmal drei Jahre wie die letzten wird es nicht geben (können): Denn dazu ist in Anbetracht der gewaltigen Aufgaben, vor der die Öffentliche Verwaltung steht, verbunden mit der anstehenden Pensionierungswelle nicht zuletzt im Bund offensichtlich keine Zeit mehr. Und genau darauf - so sollte man annehmen - werden die anstehenden Entscheidungen (mittelbar) abzielen. Das verfassungswidrige Interregnum neigt sich dem Ende entgegen, entsprechend wird sich nach den anstehenden Entscheidungen zeigen, wie die Besoldungsgesetzgeber ihre Rückzugsgefechte vollziehen werden. Die helleren unter den (Landes-)Regierungen werden darüber hinaus bereits heute die auf sie zukommenden Problematiken zumindest im engen Kreis und in mindestens weiteren Ansätzen auf den Schirm haben, sie ggf. auch schon - ggf. eher politisch als ökonomisch - eingepreist haben. Denn der Wettlauf um Fachkräfte wird in den nächsten Jahren vor allem von jenen besser gestaltet werden können, die tatsächliche Vorteile bieten können, weshalb sich insbesondere die sachlich ausnahmslos sowieso nur verfassungswidrig konstruierten Novellierungen zum Doppelverdienerhaushalt auch politisch als grandioses Eigentor erweisen werden, da sie dem zukünftig sehr viel wesentlicheren Ziel der Nachwuchsgewinnung extrem im Wege stehen werden - und entsprechend wird es also auch weiterhin noch genügend gestrige Politiker geben, die mit vorgestrigen Mitteln versuchen wollten, das Morgen zu organisieren, um daran dann glorreich zu scheitern, soll heißen: Es wird nach den anstehenden Entscheidungen ein zähes internes politisches Ringen in und zwischen den Landesregierungen geben, das vor allem auch die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtenbesoldung ab dem Winter und Frühjahr dieses und des nächsten Jahrs in den Blick haben wird. Dessen Ergebnis wird wie nicht selten in der Politik auch von heute nicht vorhersehbaren Zufällen und sich ergebenden Konstellationen abhängen, wobei das aber weder die Besoldungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts noch dessen Interesse an einer leistungsfähigen Öffentlichen Verwaltung ändern wird. Schauen wir also mal, ob es den 16 Landesbsoldungsgesetzgebern im Herbst und Winter gelingen mag, ihr konzertiertes Handeln fortzusetzen. Gelingt ihnen das, dürfte die Vollstreckungsanordnung für einen von ihnen nicht mehr allzu fern sein, wonach die Sache dann endgültig in den Fluss geriete. Gelingt ihnen das nun nicht mehr, wird die Sache nur umso schneller in Fluss geraten. Sobald nun aber einer der Besoldungsgesetzgeber substanziell deutlich bessere allgemeine Besoldungsbedingungen anbieten wird, werden die anderen wie auch immer nachziehen müssen. Denn eines werden sie nicht wegdiskutieren können - und das ist, dass der Fachkräftemangel bereits deutlich da ist und sich nur umso deutlicher in den nächsten Jahren verschärfen wird:

https://www.kommune21.de/meldung_40499_Massiver+Fachkr%C3%A4ftemangel+bis+2030.html
https://www.mckinsey.de/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/deutschland/publikationen/2023-01-25%20it%20talent%20im%20public%20sector/action%20bittemckinsey.pdf
https://www.pwc.de/de/branchen-und-markte/oeffentlicher-sektor/fachkraeftemangel-im-oeffentlichen-sektor.html
https://www.pwc.de/de/branchen-und-markte/oeffentlicher-sektor/pwc-fachkraeftemangel-im-oeffentlichen-sektor.pdfhttps://www.demografie-portal.de/DE/Service/Blog/200316-Fachkraeftemangel-Herausforderung-fuer-Unternehmen-und-den-oeffentlichen-Dienst.html
https://www.boeckler.de/de/magazin-mitbestimmung-2744-es-mangelt-an-allen-ecken-und-enden-42765.htm

Einen weiterhin schlüssigen allgemeinen Überblick bietet: https://www.bibb.de/de/11734.php

DrStrange

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6087 am: 08.06.2023 13:09 »
Hmm.. ob sich aufgrund des Fachkräftemangels (FKM) irgendwas für die bestehenden Beamten bessert, bezweifle ich. Eher für die neuen, benötigten Kollegen.

Wenn ich mir zum Beispiel anschaue, dass der TvL die Möglichkeit einer FKM-Zulage hergibt , diese aber nur an neu eingestellte gezahlt werden kann, dann hilft das nicht gerade der Motivation im bestehenden Kollegenkreis. Ich sage zwar unseren TvLern immer, gebt geschlossen eure Kündigung ab (IT-Bereich), aber das macht ja kaum einer. Von zwei Fällen weiß ich es. Die haben gedroht bzw Kündigung abgegeben. Dort wurden dann Höhergruppierungen plötzlich und schnell umgesetzt. Also es geht, nur freiwillig zahlt der Staat nix.

Der beginnende Mangel an Beamten in ca 6 - 7 Jahren führt aber wohl dazu, dass viele Planstellen frei werden. Ich hoffe noch auf das Angebot des prüfungserleichterten Aufstiegs in die LG 2.2  8)

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6088 am: 08.06.2023 14:23 »
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/D3/BBVAnpAendG2023_2024_RefE.pdf;jsessionid=2493243342CF1BBA9A873CE193F41A72.1_cid373?__blob=publicationFile&v=1


Ich habe den Entwurf nur oberflächlich Überflogen, aber ich finde das wichtigste wird verschwiegen: Die Berechnungen zur höhe des Grundsicherungsniveaus in Abhängigkeit zum Wohnort. Oder habe ich das übersehen?
« Last Edit: 08.06.2023 14:30 von PolareuD »

Einigung2023

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6089 am: 08.06.2023 14:39 »
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/D3/BBVAnpAendG2023_2024_RefE.pdf;jsessionid=2493243342CF1BBA9A873CE193F41A72.1_cid373?__blob=publicationFile&v=1


Ich habe den Entwurf nur oberflächlich Überflogen, aber ich finde das wichtigste wird verschwiegen: Die Berechnungen zur höhe des Grundsicherungsniveaus in Abhängigkeit zum Wohnort. Oder habe ich das übersehen?

Hier gehts doch um die Übernahme des Tarifabschlusses, warum soll da was zur Höhe des Grundsicherungsniveaus stehen?