Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2093531 times)

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6330 am: 11.07.2023 12:04 »
@ xap

Das Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz verstößt in einer so extremen Form gegen das Leistungs- und Alimentationsprinzip, dass es offensichtlich keinerlei Chancen haben kann, im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung verabschiedet und ausgefertigt zu werden, ohne den Verfassungsauftrag der dafür jeweils zuständigen Verfassungsorgane schwer zu beschädigen.

Wie lange lässt sich das BVerfG das noch gefallen? Wann geht das BVerfG von Untätigkeit aus? (Ich würde ja eher von Vorsatz ausgehen, aber diese Entscheidung ist wohl vom BVerfG nicht zu erwarten)

17 (Urteil vom 17.12.2008 -BVerwG 2 C 30.08)
Mit der Vollstreckungsanordnung ist das Bundesverfassungsgericht gegenüber seinen früheren Entscheidungen einen Schritt weiter gegangen. Es hat sich nicht mehr mit der Feststellung begnügt, dass die Rechtslage bis 1996 verfassungswidrig gewesen ist, sondern hat dem Gesetzgeber eine Frist gesetzt und die Fachgerichte für den Fall der weiteren Untätigkeit des Gesetzgebers ermächtigt, ab dem 1. Januar 2000 Besoldung nach den verfassungsgerichtlichen Maßstäben zuzusprechen.
25
Mit Blick auf das wechselseitige Treueverhältnis mag eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber in Reaktion auf die Verfassungsgerichtsentscheidung gänzlich untätig geblieben wäre. So liegen die Dinge aber nicht. Der Gesetzgeber hat auf die Entscheidung reagiert und mit dem Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 1999 und einer Reihe weiterer Gesetzesänderungen die Situation für kinderreiche Beamtenfamilien verbessert. Er ist davon ausgegangen, dass durch diese Maßnahmen eine der Verfassung entsprechende Rechtslage herbeigeführt wird.

Die Frage stellt sich also, was gänzliche Untätigkeit des Gesetzgebers bedeutet. Kann der Gesetzgeber jeglichen Schmarrn in Gesetzesform gießen, und das BVerfG sagt dann nur, der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass er die entsprechende Rechtslage herbeigeführt hat? Und wie ist es bei Gesetzgebern, die zugeben, dass sie die entsprechende Rechtslage nicht herbeigeführt haben, wie z.B. in Hessen?

BWBoy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6331 am: 11.07.2023 13:43 »
Wie gehe ich eigentlich mit einem Widerspruch um, der zwar ruhend gestellt wurde aber bei dem nicht auf die Einrede der Verjährung verzichtet wurde? Muss ich den im nächsten Widerspruch wieder mit aufführen?

Ich möchte noch mal kurz meine Frage von neulich widerholen, da es hier doch Leute gibt, die mehr davon verstehen.

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6332 am: 11.07.2023 13:56 »
@swen
Danke für deine Ausführungen. Ich gehe auch schwer davon aus, dass bis nach der Hessenwahl alle auf Hinhalten spielen werden. Leider ist jeder in Berlin nur noch an seinem eigenen Pfründen interessiert, dies schliesst die demokratischen Parteien samt und sonders ein. Nichts darf deren wohlbefinden stören schon gar nicht dem Wähler medial nicht zu vermittelnde signifikante Erhöhungen der Besoldung der eh nicht sehr beliebten Beamten. Leider sehe ich es ähnlich wie xap, wieso sollte es den Gesetzgeber auf einmal stören was das BVerfG entschieden hat. Das hat es in der Vergangenheit auch nicht getan und Gelegenheiten die zu ändern gab es ausreichend. Ja das BVerfG wird mit jeder Entscheidung deutlicher und engt den Spielrazm des Gesetzgebers immer mehr ein, aber wird das diesen dazu bewegen endlich zur Verfassung zurückzukehren ? Ich habe da so meine Zweifel. Im besten Fall sind die aktuell Verantwortlichen dann schon gar nicht mehr in Verantwortung und lehnen sich entspannt zurück. Die einzige Hoffnung die ich noch habe ist der BPräs der das aller Voraussicht nach nicht verfassungsgemässe Gesetz letztendlich noch stoppen könnte. Der BPräs ist der einzige dem ich gegenwärtig noch zutraue so zu handeln. Zusammenfassend ist es für mich nur noch erschreckend wohin sich diese Republik entwickelt hat.


Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6334 am: 11.07.2023 15:45 »
Sogar die Kiffer sind wichtiger als wir Beamte...

https://www.welt.de/politik/deutschland/article246331598/Cannabis-Konsum-darf-weiter-bestraft-werden-Kein-Recht-auf-Rausch.html
Liegt halt auch daran, dass der zuständige Richter vermutlich immer noch krank ist. Bei der NPD-Geschichte war der Stuhl leer.

Steuer-Experten hat der BVerfG gar keine mehr, da dauern selbst einfache Verfahren über 10 Jahre. Alles mit Geld ist Karlsruhe nicht sonderlich wichtig. Kann ja früher oder später bezahlt werden, bei anderen Rechten ist es eben nicht so. Wäre aber mal interessant zu wissen, wie schnell man R10 bei einer Hyperinflation anpassen würde.....

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6335 am: 11.07.2023 15:53 »
Sogar die Kiffer sind wichtiger als wir Beamte...

https://www.welt.de/politik/deutschland/article246331598/Cannabis-Konsum-darf-weiter-bestraft-werden-Kein-Recht-auf-Rausch.html
Liegt halt auch daran, dass der zuständige Richter vermutlich immer noch krank ist. Bei der NPD-Geschichte war der Stuhl leer.

Steuer-Experten hat der BVerfG gar keine mehr, da dauern selbst einfache Verfahren über 10 Jahre. Alles mit Geld ist Karlsruhe nicht sonderlich wichtig. Kann ja früher oder später bezahlt werden, bei anderen Rechten ist es eben nicht so. Wäre aber mal interessant zu wissen, wie schnell man R10 bei einer Hyperinflation anpassen würde.....

Das Verständnis für Leute die weit entfernt von 5-Stellig verdienen ist offenbar irgendwann abhanden gekommen. Na wenigstens kommt nun (hoffentlich) nach dann fast 2 Jahren Inflation der schnelle und unbürokratische Ausgleich. Oder anders ausgedrückt - faktisch unsere Nullrunde. Danke Mutti, oder so.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6336 am: 11.07.2023 16:08 »
@swen
Danke für deine Ausführungen. Ich gehe auch schwer davon aus, dass bis nach der Hessenwahl alle auf Hinhalten spielen werden. Leider ist jeder in Berlin nur noch an seinem eigenen Pfründen interessiert, dies schliesst die demokratischen Parteien samt und sonders ein. Nichts darf deren wohlbefinden stören schon gar nicht dem Wähler medial nicht zu vermittelnde signifikante Erhöhungen der Besoldung der eh nicht sehr beliebten Beamten. Leider sehe ich es ähnlich wie xap, wieso sollte es den Gesetzgeber auf einmal stören was das BVerfG entschieden hat. Das hat es in der Vergangenheit auch nicht getan und Gelegenheiten die zu ändern gab es ausreichend. Ja das BVerfG wird mit jeder Entscheidung deutlicher und engt den Spielrazm des Gesetzgebers immer mehr ein, aber wird das diesen dazu bewegen endlich zur Verfassung zurückzukehren ? Ich habe da so meine Zweifel. Im besten Fall sind die aktuell Verantwortlichen dann schon gar nicht mehr in Verantwortung und lehnen sich entspannt zurück. Die einzige Hoffnung die ich noch habe ist der BPräs der das aller Voraussicht nach nicht verfassungsgemässe Gesetz letztendlich noch stoppen könnte. Der BPräs ist der einzige dem ich gegenwärtig noch zutraue so zu handeln. Zusammenfassend ist es für mich nur noch erschreckend wohin sich diese Republik entwickelt hat.

Das, was Du zum Bundespräsidenten schreibst, ist einer der zentralen Punkte, Bundi. Diesbezüglich sollte man, denke ich, zwei zentrale Details betrachten, nämlich das, was Ulrich Battis am 07.10.2022 in seiner Stellungnahme im sächsischen Gesetzgebungsverfahren geschrieben hat (und was weiterhin, denke ich, gerne überlesen wird):

"Die (Landes-)Besoldungsgesetzgeber führen mit dieser Art der Gesetzgebung letztlich eine
Verfassungskrise herbei, die über den eigentlichen Regelungsbereich hinaus weitreichende
Auswirkungen haben wird" (S. 14 unter https://www.sbb.de/fileadmin/user_upload/www_sbb_de/pdf/2022/GK_und_FK/Stellungnahmen/StN_Battis_4_Gesetz_dienstr_Vorschriften_10_2022.pdf).

Das erste Detail ist, dass mit Ulrich Battis einer der renommiertesten deutschen Verfassungs- und Besoldungsrechtler in seiner Anmerkung den Bundesgesetzgeber offensichtlich nur mittelbar mit einbezieht, deshalb die Formulierung "(Landes-)Besoldungsgesetzgeber". Die Passage darf man also so lesen, denke ich, wie sie der Bund mit seinem Rundschreiben, das ich heute morgen angeführt hat, vollzogen hat: Mit dem Rundschreiben wurde der verfassungswidrige Zustand anerkannt und zugesichert, ihn zukünftig rückwirkend bis 2021 zu beheben. Der Bundespräsident dürfte diese Zusicherung als hinreichend genug betrachtet haben, um die Ausfertigung des Gesetzes zu vollziehen. Denn hätte er das nicht getan, hätte sich die Rechtslage für die Normunterworfenen nicht besser, sondern schlechter dargestellt, da dann der vormalige Zustand die Gesetzeslage gewesen wäre, sodass die graduellen Verbesserungen des letzten Gesetzgebungsverfahrens nicht in Kraft getreten wären. Diesen (und noch ein paar weitere) Abwägungsprozess(e) musste der Bundespräsident beim letzten Mal vollziehen - im derzeit sich vollziehenden Gesetzgebungsverfahren zum Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz - BBVAngG sieht die Sachlage hingegen schon deutlich einfacher aus: Es wird in jedem Fall den Anspruch haben müssen (egal, ob er sich noch, und falls ja, wie er sich dann verändern würde), zu einer verfassungskonformen Gesetzgebung zurückzukehren.

Denn auf der anderen Seite wurde der verfassungswidrige Zustand im letzten Gesetzgebungsverfahren nicht beendet, weshalb Ulrich Battis den Bund ebenfalls als ein Teil dessen mit ansieht, der mit der Art des Handelns eine Verfassungskrise mit herbeiführe. Sofern nun der Bund seine Zusicherung jedoch einhielte, dürfte er allerdings kein Teil dessen mehr sein. Deshalb eben die Formulierung "(Landes-)Besoldungsgesetzgeber" - denn im Oktober 2022 war noch nicht absehbar, wie es hinsichtlich des Bunds weitergehen würde. Und damit dürfte das zweite Detail von Interesse sein, das sich in dem aufgeführten Zitat zeigt: die Tempus-Form.

Ulrich Battis schreibt nicht in Perfekt: "Die (Landes-)Besoldungsgesetzgeber haben mit dieser Art der Gesetzgebung letztlich eine Verfassungskrise herbeigeführt", sondern vollzieht mit seiner Formulierung in Präsens einen Blick auf die Zukunft, denn das Herbeiführen werde - Futur I - "weitreichende Auswirkungen haben". Zu Fragen bleibt so verstanden also, wieso die Verfassungskrise Ende 2022 für Ulrich Battis noch nicht herbeigeführt worden war, obgleich zu jenem Zeitpunkt alle 16 Landesbesoldungsgesetzgeber seit der Entscheidung vom 04. Mai 2020 bereits mindestens einmal nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einem Besoldungsgesetzgebungsverfahren umgesetzt hatten. Und die Antwort liegt auf der Hand: Weil im Oktober 2022 noch die Zusicherung des Bunds gegeben war.

Zu vermuten ist nun, dass - sofern der Bund nun ebenfalls eine verfassungswidrige Gesetzgebung vollziehen würde - dann die Verfassungskrise für Ulrich Battis endgültig da wäre: Denn nun hätten alle 17 Besoldungsgesetzgeber seit 2020 nachweisbar und gezielt verfassungswidrig gehandelt. Und unter einem solchen Fokus gelesen, richtet sich die implizite Forderung Ulrich Battis an alle mit dem Gesetzgebungsverfahren im Bund beschäftigten Verfassungsorgane:

1. Das BMI als federführendes Ministerium, das zwischenzeitlich mit seinem Entwurf sachlich  eindeutig gezeigt hat, dass es sich hinsichtlich der Besoldungsgesetzgebung weiterhin nicht an die Verfassung gebunden sieht.

2. Das Bundeskabinett, das am Ende einen Gesetzentwurf beschließen muss, bevor jener in den weiteren Gesetzgebungsprozess gehen kann.

3. Der Bundestag und der Bundesrat, die beide einen Gesetzentwurf verabschieden müssen.

4. Der Bundespräsident, der am Ende ein verabschiedetes Gesetz ausfertigen muss.

Ich gehe entsprechend davon aus, dass Ulrich Battis die Verfassungskrise in dem Moment als nicht mehr auf vor allem die Zukunft hin ausgerichtert betrachten würde, sofern auch ein offen verfassungswidriges Bundesgesetz ausgefertigt werden würde, also das geplante "Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz" in der jetzigen Fassung: Die Verfassungskrise würde dann also nicht mehr herbeigeführt werden, sondern DANN wäre sie offensichtlich da, da dann alle gesetzgebenden Verfassungsorgane in der Bundesrepublik mindestens einmal wissentlich und willentlich sowie zielgerichtet die verfassungsmäßige Ordnung verletzt hätten.

Verfassungsrechtlich sollte diese Sicht m.E. sachlich schlüssig sein - und man darf davon ausgehen, dass man das im Bundespräsidialamt am Ende ähnlich sieht: Denn die Ausfertigung eines so grob verfassungswidrigen Entwurfs, den der DRB in seinem sachlichen Gehalt systematisch nachgewiesen hat, ist spätestens nach der vorhin genannten Entscheidung des Zweiten Senats zur Parteienfinanzierung II ohne eine schwere Beschädigung des Amtes des Bundespräsidenten nicht mehr möglich bzw. diese Beschädigung wäre die Folge einer Ausfertigung eines solchen Entwurfs. Insofern darf man darüber hinaus gespannt sein, wie insbesondere auch das protokollarisch zweithöchste Amt im Staate einen solchen Gesetzentwurf aufnehmen wollte, wenn er denn in dieser Form dort auf den Tisch kommen sollte. Der vormalige Bundestagspräsident hat sich im letzten Gesetzgebungsverfahren bedeckt gehalten - ob das die derzeitige Bundestagspräsidentin in Anbetracht ihrer gerade erneuerten Kritik ebenfalls so vollziehen wollte, müsste sich zeigen. Sie hätte zwar keine Handhabe, ein solchen Gesetzentwurf zu stoppen - aber weiterhin die Pflicht, die ihr die Geschäftsordnung des Bundestags zuschreibt:

"Der Präsident vertritt den Bundestag und regelt seine Geschäfte. Er wahrt die Würde und die Rechte des Bundestages, fördert seine Arbeiten, leitet die Verhandlungen gerecht und unparteiisch und wahrt die Ordnung im Hause." (https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/funktion_neu)

Ergo: Der Entwurf hat noch einen Weg vor sich - und eine "verfassungsrechtliche Hintertür" wie im letzten Gesetzgebungsverfahren ist dieses Mal nicht mehr möglich. Ein Durchwinken durch den Bundestag wie beim letzten Mal wird es dieses Mal nur auf Kosten der bis dahin und in diesem Moment mit ihm beschäftigten Verfassungsorgane geben: Folge wäre ihre jeweils vollzogene Selbstbeschädigung, wie sie nun bereits vom BMI für sich vollzogen worden ist. Es darf entsprechend davon ausgegangen werden, dass den weiterhin demnächst mit dem Gesetzentwurf beschäftigten Verfassungsorganene beizeiten noch einmal die jeweilige sachliche Problematik sachlich vor Augen geführt werden wird.

@ BWBoy

Ich würde an Deiner Stelle den Widerspruch auch für dieses Jahr vollziehen und dabei gleichfalls darum bitten, dass auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde.

@ lotsch

Die Feststellung der Untätigkeit bzw. eines Tätigwerdens, das einer Untätigkeit gleichkäme, ist nun einmal verfassungsrechtlich schwierig nachweisbar, wie ich das in der Vergangenheit hier bereits mehrfach umfassender dargelegt habe - auch hier ist's wie vielfach im Rechtswesen: Unsere Alltagsvorstellung von Begrifflichkeiten trägt hier nicht weiter. Insofern ist ein großer Teil der hier diesbezüglich geäußerten Kritik - die ich als Mensch gut nachvollziehen kann - verfassungsrechtlich unerheblich, da sie die Annahme einer Untätigkeit nicht hinreichend substantiieren kann. Die Feststellung der Tätigwerdens, das einer Untätigkeit gleichkäme, wäre heute ggf. bereits hinsichtlich Sachsens möglich, aber auch dort bestenfalls sehr schwierig zu substantiieren, was die Kläger vollziehen müssten. Noch schwieriger stellte sich diesbezüglich der Versuch hinsichtlich Berlins dar, wo bereits eine solcher Versuch von Klägerseite unternommen worden ist, den ich im heute möglichen Rahmen - um's mal so auszudrücken - für sachlich schlüssig erachte, wobei ich aber weiß, dass die dort zugrunde gelegten Hilfsargumente (die den meisten Lesern darüber hinaus mangels hinreichender Kenntnis von der Materie gar nicht auffallen werden) ggf. nicht tragend sein werden (vg. die S. 33 ff. und 36 ff. im hier verlinkten Anhang https://www.berliner-besoldung.de/stellungnahme-zum-normenkotrollverfahren-2-bvl-4-bis-9-18/). Wenn ich es richtig sehe, darf ich weiterhin davon ausgehen, dass der dort vollzogenen Begründung gehörige Arbeit vorweggegangen ist, und zwar insbesondere ab den S. 36 ff. Und darüber hinaus gehe ich weiterhin davon aus, dass ich diesbezüglich weiß, wovon ich spreche - sodass sich zugleich zeigen ließe, dass es im Forum Kommentatoren gibt, die schnell mit der "Untätigkeit" oder der Forderung nach einer Vollstreckungsanordnung bei der Hand sind, ohne sich offensichtlich hinreichend in die Materie vertieft zu haben (diese Kritik bezieht sich nicht auf Dich, lotsch) - denn hätten sie es, würden sie nicht so schnell mit entsprechenden Forderungen bei der Hand sein.

Ähnlich und also noch einmal mit einer insgesamt verringerten Erfolgswahrscheinlichkeit sieht die Sachlage derzeit hinsichtlich von Baden-Württemberg aus - allerdings substanziell anders könnte die Sachlage nach der anstehenden Entscheidung für Niedersachsen aussehen, wie das ja ebenfalls an anderer Stelle bereits umfassender dargelegt worden ist (vgl. ab der S. 7 ff. der hier vollzogenen Verlinkung https://www.berliner-besoldung.de/weitere-normenkontrollantraege-vor-der-entscheidung/).

Und auch deswegen wiederhole ich hier regelmäßig: Die angekündigten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts werden schon noch kommen und sie werden in einigen Feldern eine deutlich größere Klarheit bringen (und wohl auch in manchen Sachfeldern einige Überraschungen), weshalb man sie m.E. nun erst einmal abwarten sollte. Und jeder, der das anders sieht, sollte sich ggf. aufgefordert sehen, eine hinreichend präzise Begründung hinsichtlich der von ihm gewünschten Entscheidungen in den angekündigten Verfahren zu formulieren. Jedem, der das versuchte, dürfte sich darüber klar werden (sofern er sich dessen nicht schon heute wäre), wie komplex die derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht liegende Aufgabe ist.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6337 am: 11.07.2023 16:31 »
In dem Zusammenhang müsste eigentlich auch das BBVAnpG von Juni den Vorgaben des BVerfG entsprechen. Es wird in dem Entwurf aber nur darauf verwiesen, dass eine Heilung in Bezug auf die Amtsangemessene Alimentation erst mit dem BBVAngG erfolgen soll. Ist das überhaupt noch legitim nachdem mit dem BBVAnpG 2021/22 ein bekanntlich verfassungswidriges Besoldungsgesetz verabschiedet wurde? D.h. es würde wiederholt ein verfassungswidriges Besoldungsanpassunggesetz für 2023/24 verabschiedet.

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6338 am: 11.07.2023 17:33 »
@Swen

Stimme dir in weiten Teilen zu. Jedoch bin ich der Auffassung das die Krise die Herr Battis anspricht bereits da ist, wenn auch in einem anderen Sinne als es Battis zum Ausdruck gebracht hat. Zumindest in weiten Teilen der Beamtenschaft ist das Vertrauen in die Besoldungsgesetzgeber und damit die Dienstherrn zerstört. Ich empfinde es als fatal wenn der ÖD bzw seine Bediensteten kein Vertrauen mehr in das Handeln der Dienstherrn haben, dies ist für mich schon eine Verfassungskrise an sich. Das BMI hat doch, so stellt es sich mir dar, mit dem derzeitigen Entwurf und dem ganzen diesbezüglichen Handeln klar zum Ausdruck gebracht, dass es nicht daran denkt wieder eine verfassungsgemäße Besoldung einzuführen. Von daher habe ich erhebliche Zweifel, dass dies auch so geschehen wird. Betrachte ich zudem den Eiertanz der derzeitigen Regierung in ihrem anderen Handeln so fällt es mir schwer zu glauben,  dass ausgerechnet hinsichtlich der Besoldung etwas vernünftiges dabei herauskommt. Meine letzte Hoffnung beruht daher auf dem BPräs wobei auch sich mir die Frage stellt, was werden die Alternativen sein bzw welchem Druck ist dieser zu gegebener Zeit ausgesetzt.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6339 am: 11.07.2023 18:15 »
@ PolareuD

Verfassungsrechtlich wäre es ggf. möglich, das BBVAnpÄndG 2023/2024 vor dem BBVAngG zu verabschieden und auszufertigen, sofern letzteres dann (1.) die Garantie erfüllte, die der Entwurf des BBVAnpÄndG 2023/2024 auf S. 43 zu Beginn gibt (https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/D3/BBVAnpAendG2023_2024_RefE.pdf?__blob=publicationFile&v=1; Hervorhebungen durch S.T.):

"Eine weitere Anhebung der Bezüge wird zudem durch das [hier ist der erste Sprachfehler gegeben, der zeigen dürfte, dass dieser Teil der Begründung mehrfach überarbeitet worden sein dürfte; S.T.] in der Ressortabstimmung be-
findliche Gesetzentwurf zur Sicherstellung einer amtsangemessenen Bundesbesoldung
und -versorgung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (BBVAngG) erfolgen, das be-
darfsgerechte, auch rückwirkend ab 2021 vorgesehene Erhöhungen zum Inhalt hat und
zeitnah dem Kabinett [hier fehlt im Entwurf das Verb, weil man sich höchstwahrscheinlich bis zum Schluss im Unklaren war, welche Formulierung denn nun hinreichend sachgerecht wäre, vermute ich; S.T.] werden wird. Der Gesetzentwurf berücksichtigt auch die mit der Ein-
führung des Bürgergeldes notwendig gewordene Neujustierung der Mindestbesoldung",

und wenn (2.) das BBVAngG tatsächlich zur Gewährung einer ausnahmslos amtsangemessenen Alimentation schreiten würde, die dann ab 2021 vollzogen werde würde. Zu diesem Ergebnis, das, sofern die beiden genannten Prämissen gegeben wären, dann eine hinreichend verfassungskonforme gesetzliche Regelung vorliegen sollte, scheint 2021 das Bundespräsidialamt hinsichtlich von BBVAnpÄndG 2021/2022 gekommen zu sein. Denn wenn es nicht zu dem Ergebnis gekommen wäre, hätte das BBVAnpÄndG 2021/2022 nicht vom Bundespräsidenten ausgefertigt werden dürfen.

Das Problem an der Sache ist nun aber das übliche. Die Behauptung aus der S. 44:

"Da bei der Besoldung auf Bundesebene in Ansehung auch des in der Ressortabstimmung
befindlichen BBVAngG bei allen Parametern die Schwellenwerte unterschritten werden,
wird eine angemessene Alimentation vermutet"

lässt sich sachlich nicht erhärten. Denn der DRB zeigt umfassend, dass die im Zitat geäußerte Vermutung nicht zu erhärten ist.

Genau in diesem Faktum liegt nun in dieser Reihenfolge das Feld zunächst weiterhin

1. des Bundeskabinetts, das den Entwurf des BBVAngG weiterhin ins Gesetzgebungsverfahren einbringen muss (es ist ja als Referententwurf aus dem BMI ein geplanter Entwurf der Bundesregierung, muss also zunächst im Zuge der Ressortabstimmung finalisiert werden, zuvor dürfte es, wie BalBund gezeigt hat, noch eine weitere Anhörung innerhalb des Beteiligungsverfahren geben);

2. des Bundestags und des Bundesrats und schließlich

3. des Bundespräsidenten.

Dabei dürfte davon auszugehen sein, dass das BBVAnpÄndG 2023/2024 problemlos alle weiteren Hürden des Gesetzgebungsverfahrens überspringen wird - dass aber daraufhin in dem weiteren Gesetzgebungsverfahren zu BBVAngG zu prüfen sein wird, ob die gerade zitierte Behauptung erhärtet werden kann. Erhärtet werden könnte sie nur, sofern die so umfassende wie umfassend sachlich begründete Kritik des DRB im bisher vollzogenen Anhörungsverfahren bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zu BBVAngG sachgerecht entkräftet werden wird. Genau darin wird ein zentraler Teil des Prüfauftrags liegen, den am Ende der Bundespräsident zu vollziehen haben wird. Sofern er dann zu dem Schluss käme, dass das nicht der Fall wäre, dass die sachlich umfassende und umfassend begründete Kritik des DRB im Gesetzgebungsverfahren nicht hinreichend entkräftet worden wäre, dürfte er ein verabschiedetes BBVAngG nicht ausfertigen. Das wäre zumindest die offensichtliche Konsequenz der genannten Entscheidung zur Parteienfinanzierung II, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den anstehenden Entscheidungen auf die Besoldungsrechtsprechung übertragen werden wird.

Ergo I: Das BBVAnpÄndG 2023/2024 wird auf Grundlage der bislang getätigten Zusagen verfassungsrechtlich statthaft beschlossen werden können (sofern das Bundespräsidialamt 2021 zu einem statthaften Schluss gekommen ist), da davon auszugehen ist, dass das BBVAngG zu einer verfassungskonformen Regelung zurückkehren wird. Der Stand des Gesetzgebungsverfahrens zu BBVAngG kann dabei bis auf Weiteres keine Rolle spielen, da der Inhalt von  BBVAngG zum Zeitpunkt der Verabschiedung (und Ausfertigung) von BBVAnpÄndG 2023/2024 noch veränderbar wäre.

Und nun wird es im Ergo II wiederum ggf. formell, wobei dafür offensichtlich noch kein vom Bundesverfassungsgericht entschiedener Präzedenzfall vorliegt: Sofern im Gesetzgebungsverfahren zu BBVAnpÄndG 2023/2024 stichhaltig geäußerte und festgehaltene Anhaltspunkte zu finden sein werden, dass das BBVAngG zum Zeitpunkt der Verabschiedung von BBVAnpÄndG 2023/2024 nicht das Ziel verfolgt hat, einen wieder verfassungskonformen Zustand herzustellen, dass also die oben zitierte Aussage in ihrem ersten Teil - "Da bei der Besoldung auf Bundesebene in Ansehung auch des in der Ressortabstimmung befindlichen BBVAngG bei allen Parametern die Schwellenwerte unterschritten werden, wird eine angemessene Alimentation vermutet" (Hervorhebungen durch S.T.) - zum Zeitpunkt der Verabschiedung sachlich falsch war und sich auch später nach ggf. vorgenommenen Veränderungen im BBVAngG weiterhin als sachlich falsch entpuppen sollte und sofern die Kritik nicht innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens zu BBVAnpÄndG 2023/2024 hinreichend entkräftet werden konnte, dürfte sich auch das BBVAnpÄndG 2023/2024 für sich genommen als verfassungswidrig entpuppen - wobei diese Frage mit hoher Wahrscheinlichekti nur theoretischer Natur bleiben würde: Denn sofern das BBVAngG beklagt werden wird, werden davon zwangsläufig jeweils das BBVAnpÄndG 2021/2022 und das BBVAnpÄndG 2023/2024 betroffen sein. Denn die letzten beiden Gesetze werden in einem Klageverfahren zukünftig immer jeweils in Verbindung mit BBVAngG zu betrachten sein.

@ Bundi

Ich kann Deine Argumente und die Argumentation als Ganze gut nachvollziehen - denn auch die sich abzeichnende Vertrauenskrise kann praktisch in eine Verfassungskrise führen, nämlich sofern nun die Beamtenschaft als Folge der Vertrauenskrise nicht mehr ihren Verfassungauftrag hinreichend erfüllte. Das könnte man als eine Art praxeologische Herangehensweise begreifen.

Verfassungsrechtlich kann man die Logik allerdings auch anders greifen - und diesen Ansatz (vermute ich) verfolgt Ulrich Battis:

Die Verfassungskrise ist erst dann da, wenn auch die Verfassungsorgane innerhalb der Bundesgesetzgebung vollständig versagen, da dann im gesamten Raum der Bundesrepublik die Verfassung in diesem wichtigen Feld zur Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung keine hinreichende Geltung mehr beanspruchen könnte. Insofern hätte zum Vollzug der Verfassungskrise der Bund eine maßgebliche Rolle - und zwar nicht nur, weil in der Bundesbesoldung ausnahmslos alle Teile der Republik betroffen sein werden (Bundestag und Bundesrat verabschieden das Gesetz), sondern nicht minder, da zugleich auch das protokollarisch höchste Amt Teil des Verfassungsbruchs wäre, und zwar insbesondere, da dann davon auszugehen sein dürfte, dass hier ein wissentliches und willentliches, also zielgerichtetes Handeln vorläge (denn die sachliche Kritik des DRB liegt ja vor und wäre dann nicht sachlich hinreichend entkräftet). Insofern wäre m.E. die Bundesgesetzgebung verfassungsrechtlich betrachtet ein konstitutives Element für die Verfassungskrise - die darüber hinaus weiterhin fortwirken könnte, sofern einzelne Rechtskreise der Länder zu einer wieder verfassungskonformen Gesetzgebung zurückkehrten (denn dann würde weiterhin durch die Bundesgesetzgebung der Einheitsrechtskreis betroffen sein, sodass sich ggf. nur die Art der Verfassungskrise durch die Rückkehr einzelner Länderrechtskreise veränderte). Eine solche Sichtweise hätte einen stark formalen Charakter - aber eine formale Betrachtung ist typisch für den verfassungsrechtlichen Blick.


Unknown

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6340 am: 11.07.2023 20:24 »
@SwenTarnotsch

Müsste es nicht eigentlich auch eine neue Besoldungstabelle für den 1.1.2024 geben, weil das Bürgergeld auf wahrscheinlich 537 Euro steigen wird? Die Besoldung selber liegt ja unter den 15 Prozent und auch aus Sicht des BMI hat man da selbst in A5 nicht wirklich viel Spielraum.

Bundi

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« Antwort #6341 am: 11.07.2023 21:59 »
@Swen
Stimme dir inhaltlich voll zu. Die Verfassungskrise die du beschreibst ist formal juristisch. Ich sehe eine solche bereits eingetreten auf der Ebene der persönlichen Wahrnehmung eines nicht unerheblichen Teiles der Beamtenschaft. Wobei beides sicher jeden Betroffenen in tiefstem Maße erschrecken sollte. Ichvsehe aber eine noch grössere Gefahr für unser Gemeinwesen in dem zerstörten Vwrtruanesverhältnis und der daraus erwachsenen Krise, da dies unmittelbare Ausworkung auf die Funktion unseres Staates haben kann wenn grosse oder weite Teile des ÖD ihrem Dienstherrn nicht mehr vetrauen und entsprechend ihr Handeln darauf abstellen.
 

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6342 am: 11.07.2023 22:23 »
Bitte die Tipfehler ignorieren. Die Hitze schlägt aufs Gehirn und das Handy ist auch nicht mein Favorit beim Schreiben.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6343 am: 11.07.2023 22:43 »
@ Unknown

Es darf davon ausgegangen werden, denke ich, dass es in dem Entwurf zum BBVAngG mindestens noch graduelle Änderungen geben wird, die insbesondere die Regelbedarfe betreffen werden. Nicht umsonst hat der Entwurf vom 16.01.2023 noch die Regelbedarfsstufen des Jahres 2022 herangezogen und hat gemeinsam mit dem Kindersofortzuschlag von monatlich 20,- € pro Monat einen Regelbedarf von 1.481,56 € pro Monat für die vierköpfige Bedarfsgemeinschaft festgelegt (vgl. S. 56 i.V.m. S. 58 des Entwurfs unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/D3/BBVAngG.pdf;jsessionid=0065D5CE1489B2CDDB081CC845A02B86.2_cid332?__blob=publicationFile&v=3). Tatsächlich hätten aber für das Jahr 2023 die Regelbedarfe für das aktuelle Jahr herangezogen werden müssen, wie sie tabellarisch in der Anlage zu § 28a SGB XII festgehalten werden, vgl. Art. 5 Abs. 5 i.V.m. Art. 5 Abs. 17 des Bürgergeld-Gesetzes v. 16.12.2022 (BGBl. I 2022 S. 2328; https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl122s2328.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl122s2328.pdf%27%5D__1689102916346 vgl. dort die Seite 2345). Obgleich also am 16.01.2023 das genannte Gesetz bereits fast ein Monat veröffentlicht war, legt der Gesetzentwurf evident ungenügend die Regelbedarfe für das letzte Jahr zugrunde. Dahingegen müssen auf Grundlage der gerade betrachteten gesetzlichen Regelung die folgenden Beträge für die Fortschreibung der Regelbarfsstufen in diesem Jahr herangezogen werden:

Regelbedarfsstufe 2:  451,- € x 2 = 902,- € für zwei in einer häuslichen Bedarfsgemeinschaft lebende Erwachsene

Kinder:
Regelbedarfsstufe 4:        420,- € x 4
Regelbedarfsstufe 5:        348,- € x 8
Regelbedarfsstufe 6:        318,- € x 6
= Regelbedarf pro Kind: 6.372,- € / 18 = 354,- x 2 = 708,- €

Kindersofortzuschlag: 40,- €

Monatlicher Regelbedarf:     902,- €
                                    +  708,- €
                                    +    40,- €
=                                    1.650,- €

Damit werden die tatsächlichen Regelbedarfe für das Jahr 2023 in Höhe von 1.650,- € mit den vom Gesetzentwurf herangezogenen Regelbedarfen für das letzte Jahr in Höhe von 1.481,56 € um 168,44 € zu gering bemessen. Darüber hinaus sind für 2024, so wie Du das berechtigt hervorhebst, Unknown, dann die Regelbedarfe für 2024 zu beachten, die noch einmal höher liegen werden als 2023.

Gehen wir aber zunächst von den Regelbedarfen für das Jahr 2023 aus und legen darüber hinaus die im Ergebnis weiterhin evident ungenügenden Beträge zur Bemessung des Grundsicherungsniveaus zugrunde, die der Gesetzentwurf auf sachwidriger Grundlage heranzieht, dann hätte der Gesetzentwurf das Grundsicherungsniveau nicht mit 2.948,64 € bemessen dürfen (s. S. 56 des Entwurfs), sondern mit 3.117,08 €. Die Mindestalimentation müsste dann 3.584,64 € betragen. Legte man nun weiterhin die vom Gesetzentwurf an derselben Stelle evident sachwidrig zu hoch bemessene Nettoalimentation in Höhe von 3.420,21 € zugrunde, dann stellt man fest, dass sie die Mindestalimentation um 164,43 € unterschreitet. Entsprechend würde die gewährte Nettoalimentation nicht wie auf evident sachwidriger Basis behauptet das Grundsicherungsniveau um 16 % übersteigen (vgl. ebd., S. 59), sondern die gewährte Nettoalimentation läge nur 9,7 % oberhalb des Grundsicherungsniveaus, sodass sich bereits auf dieser Grundlage das ganze Unterfangen als Makulatur erweisen wird.

Legen wir nun der Einfachheit halber die derzeitige Planung für das Jahr 2024 zugrunde (vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Steuern/14-existenzminimumbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=7), dann würden die Regelbedarfe wie folgt ausfallen:

Regelbedarfe für zwei in einer häuslichen Gemeinschaft lebende Erwachsene:   966,- € (s. S. 8 )
Regelbedarfe für zwie nach dem Alter differenzierte Kinder:                             758,- € (s. S. 11)
KIndersofortzuschlag:                                                                                    40,- €
                                                                                                            =  1.764,- €

Legen wir nun diesen Betrag zugrunde, dann würde sich das Grundsicherungsniveau 2024 unter Beibehaltung identischer anderer und wie gesagt wiederkehrend evident ungenügend vom Gesetzentwurf bemessener Bedarfe (was darüber hinaus mindestens hinsichtlich der Heizkosten sicherlich nicht der Fall sein wird), dann würde das Grundsicherungsniveau 2024 nicht wie 2023 3.117,08 € betragen, sondern läge um 114,- € höher, sodass von einem Grundsicherungsniveau von 3.231,08 € und einer Mindestalimentation in Höhe von 3.715,74 € auszugehen wäre. Die im Entwurf evident sachwidrig zu hoch bemessene Nettoalimentation in Höhe von 2023 3.420,21 € würde also die Mindestalimentation im Jahre 2023 um 295,53 € verfehlen, sie läge nur 5,9 % oberhalb des Grundsicherungsniveaus.


Auch deshalb - so darf man annehmen - hat man nun den Tarifabschluss weitgehend tabellenwirksam auf die Beamtenbesoldung übertragen, also eine tabellenwirksame Erhöhung um zunächst 200,- € und daraufhin um 5,3 %. Denn das wird am Ende, so darf man vermuten, dazu dienen, auf der vom DRB nachgewiesenen extrem sachwidrigen Grundlage für das Jahr 2024 behaupten zu können, es würde die Beamtenalimentation im Bund das Grundsicherungsniveau nun in deutlicher Art und Weise übersteigen, womit man die große Wertschätzung seinen Beamten gegenüber zum Ausdruck bringen wollte, obgleich das der Bevölkerung kaum mehr zu vermitteln sei - all das würde darüber hinaus der Attraktivitätssteigerung dienen und man sei dabei bis an die Schmerzgrenze gegangen, so jedenfalls würden vermutlich die einen oder anderen Besoldungsgesetzgeber der Länder argumentieren. Damit dürfte man bislang ggf. hoffen - all das sind zunächst Vermutungen meinerseits -, die Kritik des DRB umschiffen zu können, was allerdings nicht zuletzt als Folge der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung II auch mit ggf. einer solchen Augenwischerei, sofern sie denn so käme, sachlich nicht wird gelingen können.

@ Bundi

Ich denke, dass beide Prozesse, die eng miteinander verwoben sind, die Sprengkraft der Verfassungskrise, sofern sie denn auch formal vollzogen werden wird, ausmachen dürfte. Denn das, was ich gerade geschrieben habe, ist - davon gehe ich aus - sachlich bislang kaum jemanden klar. Der DRB geht Stand heute in seiner Stellungnahme davon aus, dass auf Grundlage der heute gewährtene Grundgehaltssätze die gewährte Nettoalimentation im Bund die Mindestalimentation um rund 35 % verfehlt (vgl. die S. 13 f. unter https://www.drb.de/fileadmin/DRB/pdf/Stellungnahmen/2023/DRB_230228_Stn_Nr_5_BBVAngG.pdf). Da die Besoldungserhöhung 2024 daran kaum etwas ändern wird - erhöht man den Grundgehaltssatz der vom Entwurf als unterste Besoldungsgruppe angedachten Besoldungsgruppe A 5/5 von heute 2.707,47 € um zunächst 200,- € und dann um 5,3 %, dann wird hier der Grundgehaltssatz 2024 bei 3.061,57 € liegen. Er wird sich also um 354,10 € erhöhen. Zieht man hiervon die oben bemessene Erhöhung der Mindestalimentation in Höhe von rund 296,- € ab (die weiterhin deutlich zu gering bemessen ist), dann bleibt tatsächlich nicht mehr viel von der Übertragung des Tarifergebnisses. Die auf dieser Basis betrachtete anteilige Erhöhung des Grundgehaltssatzes läge bei rund 60,- €, also würde sich dann die vom DRB bemessene Differenz eines um rund 35 % zu geringen Besoldungsniveaus in der untersten Besoldungsgruppe auf dann rund 33 % verringern.
« Last Edit: 11.07.2023 23:01 von SwenTanortsch »

NordWest

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6344 am: 13.07.2023 17:55 »
@ NordWest

Ich bin mit allem, was Du schreibst, d'accord. Der Aufschrei in den Medien war aber auch deshalb so groß, weil Hubert Aiwanger offensichtlich gezielt an ein markantes Gauland-Zitat angeschlossen hat, dass da lautete:

"Da wir ja nun offensichtlich drittstärkste Partei sind, kann sich diese Bundesregierung (…) warm anziehen. Wir werden sie jagen, wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen – und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen." (https://www.br.de/bundestagswahl/afd-politiker-gauland-ueber-merkel-wir-werden-sie-jagen-100.html)

Danke für Deine Einschätzung, auch wenn ich persönlich sie als zu weitgehend empfinde. Eine sprachliche Anlehnung Aiwangers an Gauland kann ich nur wegen des einen gemeinsamen Wortes "zurückholen" nicht wirklich erkennen und finde einen solchen Zusammenhang ein bisschen überkonstruiert. Auch schätze ich Aiwanger nicht so ein als würde er sich selbst der AfD politisch nahe fühlen, so dass er selbst meines Erachtens sicherlich nicht absichtlich versucht haben kann, hier eine Nähe herzustellen.

Gleichwohl will ich die Äußerungen Aiwangers ausdrücklich nicht in Schutz nehmen, das ging definitiv zu weit, erst recht für einen stellvertretenden Ministerpräsidenten. Er muss wirklich ein bisschen aufpassen und redet sich manchmal übertrieben in Rage. Vor allem redet er übrigens auch ohne Manuskript auf solchen Veranstaltungen, alleine schon daher ist m.E. davon auszugehen, dass diese begriffliche Nähe nicht absichtlich hergestellt worden ist. Nun, wie auch immer, er sollte daraus lernen.

Eine wirklich einfache Lösung zum Umgang mit den Demokratiedifiziten habe ich auch nicht. Am besten findet man Gleichgesinnte und tritt gemeinsam einer demokratischen Partei bei, um dort die Meinungsbildung zu beeinflussen. Mit 5 Leuten bildet man in vielen Lokalorganisationen schon die Mehrheit und kann zumindest ein bisschen was bewegen - je mehr Menschen das in ihren Ortsvereinen machen, desto eher bewegt sich etwas. Ein mühsamer Prozess, aber der einzig gangbare.