Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2091494 times)

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9555 am: 16.01.2024 11:05 »
Auch wenn hier relativ gesehen, die oberen Besoldungsgruppen ansteigend immer stärker "verlieren" würden - aber das ist ja leider der Lauf der Dinge seit es die Besoldung gibt. Eine immer stärkere Gleichmacherei des Besoldungsgefüges.

Aber wie bereits von anderen geschrieben - kann man anderen bisher mit Blindheit/Taubheit geschlagenen Kollegen erstmal das vermeintliche Ausmaß des Unrechts aufzeigen ;)

Auch die Gewerkschaften wären eventuell eine passende Zielgruppe, vielleicht würden sie dann endlich mal aufhören, ständig von „Sockelbeträgen“, „sozialer Komponente“, usw. zu faseln, sondern stattdessen zur Abwechslung mal für eine amtsangemessene Alimentation kämpfen.

Denn nochmal: Wenn man eine stärkere Umverteilung von oben nach unten möchte, gibt es dafür viele geeignete Instrumente (höhere Erbschaftssteuer, Wiedereinführung einer Vermögensteuer, Erhöhung der Progressivität bei der Einkommensteuer, etc.).

Aber diese etwaige Umverteilung ist definitiv nicht Aufgabe der Besoldungsgesetzgeber!!

BerndStromberg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9556 am: 16.01.2024 11:27 »
Danke, spricht mir aus der Seele! Leider wird das so ausdrücklich derzeit nur von Baden-Württemberg und Thüringen gesagt…Es müsste sich halt mal Karlsruhe zu Wort melden. Aber jetzt, wo man sich dort einen ganzen (!) zusätzlichen Mitarbeiter gegönnt hat und auf die geradezu geniale Idee gekommen ist, die Thematik auf mehrere Berichterstatter zu verteilen, ist es bis dahin bestimmt nur noch eine Frage von Jahren.

Mal ohne Ironie: ich empfinde die hier verlinkte Entscheidung zur Verzögerungsrüge und die darin enthaltene Rechtfertigung des Berichterstatters Maidowski schon als ziemlichen Offenbarungseid. Komplexität der Materie hin oder her, das BVerfG befasst sich auch mit anderen nicht gerade trivialen Fragegestellungen und dort dauert es nicht so lange bzw bedarf der öffentlichen Abbitte und Umorganisation des Berichterstatters…
« Last Edit: 16.01.2024 11:47 von BerndStromberg »

BerndStromberg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9557 am: 16.01.2024 11:54 »
Gerade Maidowski ist es übrigens, der nicht selten in seinen Entscheidungen Art. 19 IV GG (effektiver Rechtsschutz) betont und in teilweise schon kaum noch praktikabler Weise „ausschärft“. Dann auf eine Verzögerungsrüge nach 10 Jahren Verfahrensdauer eine solche Antwort zu geben, empfinde ich angesichts der Breitenwirkung und Bedeutung der Frage für die Qualitätsstandards unseres gesamten Staatswesens als … überraschend.


lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9558 am: 16.01.2024 11:57 »
Wir leben in wirtschaftlich und politisch unruhigen Zeiten. Zwar kann man die Zeiten nicht mit dem Jahr 1923 vergleichen, aber tendenziell geht man den gleichen Weg wie damals. Man belastet den Mittelstand, den Sozialhilfeempfängern konnte man damals und heute nichts kürzen, und die ganz Reichen bringen ihr Schärflein immer in Sicherheit. Lindner sagte ja gestern, alle Interessengruppen müssen was abgeben.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9559 am: 16.01.2024 11:58 »
Das könnte man eventuell als Fehler im System betrachten. Die Priorisierung der Verfahren wird in Eigenregie durch das BVerfG durchgeführt. Das führt dazu das die Bearbeitung nicht nach Eingangsdatum erfolgt sondern nach gesellschaftlicher Relevanz und die gesellschaftliche Bedeutung der Beamtenbesoldung dürfte nahe Null liegen. Es gibt aber weitere Behörden die genauso verfahren.

Malkav

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9560 am: 16.01.2024 11:59 »
Deshalb wollen wir ja die gerechte Einheitsbesoldung für alle und verteilen dann ein paar Zuschläge.  ::)

Kollidiert dann ja aber wieder mit einer amtsangemessenen Besoldung, welche sich jenseits von Detailregelungen wie dem Familienzuschlag aus der Grundbesoldung zu speisen hat.

Das Beamtentum und das Alimentationsprinzip hat ja gerade den Sinn einen ausgleichen Faktor zum politschen Kräftespiel zu schaffen, was denklogisch eine materielle Unabhängigkeit der handelnden Person bedingt. Wenn ich das jedoch über Zuschläge regeln wollen würde (z.B. Grundbesoldung 3.000,00 EUR + Zuschlag von 4.500,00 EUR für den Behördenleiter), wäre die Rechtsposition der Beamtenschaft gegenüber der Politik erheblich geschwächt. Daneben wäre der Grundsatz der amtsangemessenen Beschäftigung auch hinfällig.

Man könnte als Minister einen unliebsamen Behördenleiter, natürlich unter Wegfall der "Zuschläge", einfach in die Pförtnerei setzen? Wie kann man dann noch erwarten wollen, dass Beamte nicht zu jeder (eventuell gar grundgesetzwidrigen) politischen Forderung immer "Ja und Amen!" sagen?

BerndStromberg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9561 am: 16.01.2024 12:16 »
Das könnte man eventuell als Fehler im System betrachten. Die Priorisierung der Verfahren wird in Eigenregie durch das BVerfG durchgeführt. Das führt dazu das die Bearbeitung nicht nach Eingangsdatum erfolgt sondern nach gesellschaftlicher Relevanz und die gesellschaftliche Bedeutung der Beamtenbesoldung dürfte nahe Null liegen.
Das würde ich aber massiv bezweifeln! Und dass die enorme Bedeutung dieser Frage für die Qualität unseres Rechtsstaats zumindest in Karlsruhe erkannt wurde, zeigt der öffentliche Ausbruch von Peter Müller beim dbb überdeutlich. Ich kann nur hoffen, dass man dies bei den anstehenden Entscheidungen beherzigt und den Knoten möglichst umfassend durchschlägt, ansonsten sehe ich massive Probleme auf unseren Personalkörper zukommen und ein zunehmendes Akzeptanzproblem unseres Staatswesens bis in die Richterzimmer hinein… eine um Jahr(zehnt)e „nachgelagerte“ Verfassungsmäßigkeit der Besoldung bzw. ein erst dann einsetztender Rechtsschutz kann auf Dauer nicht der Weg sein.

Pendler1

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« Antwort #9562 am: 16.01.2024 12:19 »
Ach, Leute, macht euch doch "keinen Kopf"😁

Es wird nicht so schlimm kommen, wie es einige befürchten. Und es wird nicht so gut kommen, wie es einige erhoffen.

Mittelmaß eben.

Klar, als Pensionär tue ich mich da mit Bewertungen leicht, ich kann eh nix mehr ändern.😒

Also, Kopf hoch, wird schon.

Und wem es nicht gefällt? Angeblich sucht die Wirtschaft krampfhaft und mit viel Geld gute Leute? Da winken tolle Karrierechancen.

BerndStromberg

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« Antwort #9563 am: 16.01.2024 12:27 »
Das kann aber nicht die Antwort unseres Staates an den potentiellen Nachwuchs sein. Auch darauf hat Müller eindringlich hingewiesen. Wenn am Ende nur noch das Mittelmass Richter oder Staatsanwälte stellt, bekommen wir hier polnische Zustände…

BWBoy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9564 am: 16.01.2024 12:34 »

Und wem es nicht gefällt? Angeblich sucht die Wirtschaft krampfhaft und mit viel Geld gute Leute? Da winken tolle Karrierechancen.

Das Problem an dieser Lösung ist jedoch, dass man je länger man bereits im Staatsdienst ist immer größere Einbußen im Falle des Ausscheidens hat. Zum Beispiel Nachversicherung in der Rentenkasse bei künstlich kleingerechneter Bruttobesoldung. Um sich da langfristig zu verbessern muss das Angebot schon extrem gut sein und man muss es noch ein paar Jährchen dann auch nutzen können um den Verlust wieder ausgleichen zu können.

Pendler1

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« Antwort #9565 am: 16.01.2024 12:51 »
Jo, da hast Du recht.

Wieder mal auf das Problem, auf das ich (und viele Andere) schon immer hinweisen. Tabellenwirksamme Steigerungen.

Heißt weg von dem Zulagenwahnsinn und vernünftige konkurrenzfähige Grundgehälter!

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9566 am: 16.01.2024 13:11 »
Man könnte als Minister einen unliebsamen Behördenleiter, natürlich unter Wegfall der "Zuschläge", einfach in die Pförtnerei setzen? Wie kann man dann noch erwarten wollen, dass Beamte nicht zu jeder (eventuell gar grundgesetzwidrigen) politischen Forderung immer "Ja und Amen!" sagen?

Sag das nicht zu laut, die Minister bekommen schon feuchte Träume.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9567 am: 16.01.2024 15:14 »
Das könnte man eventuell als Fehler im System betrachten. Die Priorisierung der Verfahren wird in Eigenregie durch das BVerfG durchgeführt. Das führt dazu das die Bearbeitung nicht nach Eingangsdatum erfolgt sondern nach gesellschaftlicher Relevanz und die gesellschaftliche Bedeutung der Beamtenbesoldung dürfte nahe Null liegen. Es gibt aber weitere Behörden die genauso verfahren.

So, wie Du das hier beschreibst, PolareuD (s. meine Hervorhebung im Zitat), hat das BVR Maidowski allerdings nicht begründet. Fassen wir noch einmal die Begründung der Stellungnanhme (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html) zusammen (I.) und prüfen danach, soweit wie das möglich ist (Teile dessen, was er schreibt, unterliegen dem Beratungsgeheimnis), die Stichhaltigkeit der Darlegung (II.), um daraufhin zum einem Fazit zu kommen (III):

I. Zusammenfassung der Stellungnahme von BVR Maidowski:

1. Der Berichterstatter hebt zunächst implizit hervor, dass (a) bis 2020 über alle vor 2016 eingegangenen Richtervorlagen entschieden worden sei. (b) Seit 2016 sei es zu einer hohen Zahl an Vorlagen gekommen, sodass heute 51 Normenkontrollverfahren aus elf Bundesländern anhängig seien (erster Absatz).

2. Für die elf Rechtskreise sei jeweils eine unterschiedliche Zahl an Verfahren anhängig. Während für das Land Berlin elf anhängige Verfahren zu verzeichnen seien, sei es für die anderen Rechtskreise eine jeweils kleinere Zahl (erster Absatz).

3. Um seinem Rechtsschutzauftrag gerecht zu werden, habe der Senat seinem Handeln folgende leitende Gedanken zugrunde gelegt:

a) Aus Effizienzgründen würden als erstes Verfahren ausgewählt werden, die nach Möglichkeit eine hohe Zahl an typischen Probleme auch anderer Rechtskreise beinhalteten, um so auch eine methodische Basis für die Ausurteilung jener weiteren anhängigen Verfahren vorzubereiten, also die Arbeit an der neuen Besoldungsdogmatik voranzutreiben (Absatz 2).

b) Auch deshalb behandle man insbesondere Vorlagen, die im Idealfall den gesamten Instanzenzug durchlaufen hätten und also besondere gründlich vorbereitet seien (Absatz 2).

c) Gleichzeitig wähle man nach Möglichkeit Vorlagen aus Rechtskreisen aus, zu denen oder über die bereits ein umfassender Datenkorpus nicht zuletzt in Karlsruhe vorläge (Absatz 2).

4. Das nun transparent gemachte Auswahlverfahren habe nichtsdesotrotz die Rechtsschutzgarantie und damit die Verfahrensdauer hinreichend im Blick zu behalten; auch sei sich der Senat über die mit der Verfahrensdauer einhergehenden Belastungen für Kläger bewusst (Absatz 3).

5. Allerdings fänden die Ressourcen von Senat und Berichterstatter mitsamt seiner (Wissenschaftlichen) Mitarbeiter enge Grenzen, weshalb man:

a) derzeit im Senat erörtere, die anhängigen Verfahren über den einen Berichterstatter und seine (Wissenschaftlichen) Mitarbeiter hinaus auf weitere zu verteilen, um so zu einer Reduzierung der Verfahrenslängen zu gelangen (Absatz 4);

b) versuche, die nicht zuletzt für die spätere Senatsberatung notwendigen Materialien und einzuholenden Stellungnahmen den Mitgliedern des Senats so früh wie möglich zur Verfügung zu stellen, um so ebenfalls zu einer Beschleunigung zu kommen (Absatz 4).

6. Denn nicht umsonst verweise die Beschwerde im Sinne der Rechtsschutzgarantie berechtigt darauf hin, dass mit zunehmender Verfahrensdauer deren Verhältnismäßigkeitsprüfung einer besonderen Obacht unterliege, wobei dabei die besondere Organisation des über nur 16 Richterämter verfügenden Bundesverfassungsgerichts eine Abfederung und Kompensation von Arbeitspitzen wiederkehrend nicht in dem Maße ermögliche, wie das größeren Fachgerichten möglich sei (Absatz 5). Auch bringe es der besondere Verfassungauftrag des Bundesverfassungsgerichts mit sich, dass Ressourcen bindende Eilverfahren wiederkehrend vorrangig zu betrachten seien, was zwangsläufig Verzögerungen in anderen Fällen mit sich brächte (Absatz 5).

7. Als Fazit wird schließlich festgehalten, dass sich die Senatsvoten in den als Leitverfahren im Sinne der Nr. 3 zu verstehenden Verfahren vor dem Abschluss befänden (Absatz 6). Für eine Auswahl an weiteren anhängigen Verfahren seien zentrale Vorarbeiten im Gange (Absatz 6).

8. 2024 solle darüber hinaus durch einen weiteren Wissenschaftlichen Mitarbeiter ebenfalls eine Beschleugnigung der Entscheidung über anhängige Verfahren erreicht werden (Absatz 6).

II. Sachliche Prüfung der Stellungnahme

Zu 1a) Bis 2016 war tatsächlich über alle bis dahin anhängige Verfahren entschieden worden. Seitdem waren dann bis Mitte 2018 27 Vorlagen aus sieben Rechtskreisen anhängig geworden, die also ab 2016 in Karlsruhe eingegangen sind: vier Vorlagen aus Berlin, fünf aus Bremen, fünf aus Niedersachsen, drei aus Nordrhein-Westafeln, eine aus dem Saarland, acht aus Sachsen-Anhalt sowie eine aus Baden-Württemberg, über welche letztere 2018 rechtskräftig entschieden worden ist. Innerhalb von rund zweieinhalb Jahren sind als Folge der im Frühjahr und Herbst 2015 vom Senat neu erstellten Prüfprogrammatik knapp 30 Vorlagen in Karlsruhe eingegangen. Für diese hohe Zahl an Eingängen von Richtervorlagen trifft jedoch nicht das Bundesverfassungsgericht die Verantwortung, sondern sie verblieb auch nach 2015 sowohl unmittelbar weiterhin bei den Besoldungsgesetzgebern, deren Gesetzgebung Anlass zur Klage gab, als auch mittelbar bei den Fachgerichten, die - sachlich nachvollziehbar - bis Ende 2015 wiederkehrend ihre Entscheidung ausgesetzt hatten, bis auch sie nun das genannte "Pflichtenheft" aus Karlsruhe vorgefunden haben. Mit dem Eingang dieser hohen Zahl an Vorlagen dürfte dem Senat endgültig klargeworden sein, wie sich die Sachlage in den Rechtskreisen darstellte, was die "Pilotverfahren" des Jahres 2017 und 2018 mit erklärt. Von den Ressourcen her konnte der Senates - insbesondere, weil die Erstellung einer neuen Dogmatik verfassungsrechtlich komplex ist - dieser Anzahl kaum in kurzer Zeit sachgerecht Herr werden.

Zu 1b) Die Anzahl an Richtervorlagen hat sich seitdem noch einmal fast verdoppelt. Der Senat hat dahingegen wie hier in der Vergangenheit mehrfach umfassender sachlich dargelegt und erörtert 2017, 2018 und 2020 jeweils rechtkräftige Entscheidungen getroffen (s. a. die Nr. 3a).

Zu 2) Die elf Rechtskreise, von denen der BVR spricht, werden hier genannt: https://www.berliner-besoldung.de/begruenden-heisst-befolgen-zur-pragmatik-der-bundesverfassungsgerichtlichen-entscheidung-zum-zweiten-nachtragshaushaltsgesetz-2021/ Für Berlin sind es mittlerweile 12 von nun 52 anhängigen Verfahren; für Brandeburg ist es einer; für Bremen fünf; für Hamburg sechs; für Hessen zwei; für Niedersachsen fünf; für Nordrhein-Westfalen vier; für das Saarland drei; für Sachsen drei; für Sachsen-Anhalt acht und Schleswig-Holstein zwei.

Zu 3a) Nachdem ab 2016 die immer größere werdende Zahl an Richtervorlagen in Karlsruhe einging, hat der Senat 2017 das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums betrachtet, 2018 die prozeduralen Anforderungen weiter ausgeschärft, die den Besoldungsgesetzgeber treffen, und 2020 das Mindestabstandsgebot ebenfalls als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums betrachtet und so neben dem 2015 erstellten Prüfprogramm und den 2012 erstmals betrachteten prozeduralen Anforderungen die bis heute vorliegende neue Besoldungsdogmatik erstellt.

Es hat also entsprechend wie vom Berichterstatter hervorgehoben, zwischen 2016 und 2020 in drei grundlegenden Verfahren die Ausformung einer neuen und effizienten Besoldungsdogmatik vorangetrieben, mit deren Abschluss sich die Rechtsprechung über andere Rechtskreise deutlich beschleunigen lassen wird. Die Erarbeitung einer solchen neuen Dogmatik dient darüber hinaus vor allem dem Zweck, den Fachgerichten mittels eines "Pflichtenhefts" die Kontrolle und Begründung von Entscheidungen zu ermöglichen, die in allen siebzehn Rechtskreisen nach Möglichkeit einheitlich anwendbar sein sollte. Auch deshalb sind zwischen 2012 und 2020 die entsprechenden sechs "Pilotverfahren" ausgewäht und vollzogen worden, in denen der Senat also die neue Besoldungsdogmatik in weitgehendem Maße vorangetrieben hat.

Insbesondere die drei weiteren nach 2015 gefällten Entscheidungen weisen dabei über die aufeinander abgestimmten Abstandsgebote und ihre Verbindung mit der Ausschärfung der den Besoldungsgesetzgeber treffenden prozeduralen Anforderungen auf einen Nukleus des "Pflichtenhefts" hin, mit dem die Besoldungssystematik ab jetzt - spätestens, sofern der Prüfparameter der "Mindestbesoldung" weiterhin konkretisiert wird - sachlich betrachtet und analysiert werden kann. Das ist m.E. eine große Leistung - denn für uns ist all das im Nachhinein schlüssig. Es muss aber erst einmal konzeptionell erstellt und dann (verfassungs-)rechlich begründet werden, worin sich der damalige Berichterstatter, Andreas Voßkuhle, sicherlich besonders hervorgetan hat - der dann 2020 aus dem Amt geschieden ist.

Auch diese Diskontinuität mitsamt der notwendigen Einarbeitung, die der Berichterstatter danach zu vollziehen hatte, wird mit zu der Zeitspanne seit 2020 beigetragen haben - die sich allerdings noch vielmehr daraus erklären lassen dürfte, dass wir ab 2021 nach Ulrich Battis' begründeter Darlegung das bekannte konzertierte Handeln der Besoldungsgesetzgeber vorgefunden haben. Diesem Einhalt zu gebieten, bedarf es nun in den angekündigten (und also Anfang letzten Jahres auch deshalb erweiterten) Entscheidungen eines besonderen Konzentrats, das sicherlich nicht an einem Tag gebraut werden konnte.

Zu 3b) Dabei hat man insbesondere mit der 2020 gefällten Entscheidung über das Berliner Besoldungsgesetz auf Vorlagen des Bundesverwaltungsgerichts zurückgegriffen, worauf der Berichterstatter also ebenfalls sachlich berdchtigt hinweist, da hier der gesamte Instanzenzug durchlaufen worden ist und also bereits umfassende Vorarbeiten und Betrachtungen vorlagen. Das betrifft heute genauso die angekündigten Vorlagen des Bundesverwaltungsgerichts über die niedersächsische Besoldungsgesetzgebung; auch hier legt der Berichterstatter also schlüssige Gedanken zur Effizienz - die zunächst einmal einer Effektivität bedarf - dar.

Zu 3c) Auch diese Aussage, dass man nach Möglichkeit Vorlagen aus Rechtskreisen auswähle, zu denen oder über die bereits ein umfassender Datenkorpus nicht zuletzt in Karlsruhe vorläge, trifft auf die angekündigten Entscheidungen über den niedersächsischen Rechtskreis zu, da darüber hinaus hinsichtlich Niedersachsen bereits 2015 und 2018 Betrachtungen des Zweiten Senats vollzogen worden sind, an die man sich hier im schönen Niedersachsen alsbald erinnern dürfte, sofern man das nicht heute bereits tut.

Zu 4 und 5) Mit der Darlegung in der Nr. 4 ruft der Berichterstatter ein weiteres Mal die Pflichten des Senats auf, um dann in der Nr. 5 zentrale Problematiken aufzuzeigen, die bislang einer Beschleunigung im Weg gestanden hätten, um daraufhin mit der mittlerweile vollzogenen Übertragung von Richtervorlagen auf einen weiteren Berichterstatter (5a) und einer Effektivierung weitere Vorlagen Maßnahmen zur Beschleunigung der anhängigen Verfahren darzulegen (5b).

Zu 6 bis 8 ) Darüber hinaus führt der Berichterstatter sachliche organisatorische Einschränkungen aus, die einer weiteren Beschleunigung bislang und auch weiterhin generell im Weg stehen werden, um zugleich über den Sachstand zu informieren. Jener lässt begründet vermuten, dass eine Entscheidung in den angekündigten weiteren "Pilotverfahren" wohl im Verlauf des zweiten bis dritten Quartals erfolgen können und dass daraufhin auf Basis der dann weitgehend abgeschlossenen neuen Besoldungsdogmatik mit weiteren Entscheidungen - und zwar nun in schnellerer Abfolge - zu rechnen sein dürfte, wofür ebenfalls die Beschäftigung eines weiteren Wissenschaftlichen Mitarbeiters sprechen dürfte.

III. Fazit

So wie dargestellt liest sich für mich das, was der Berichterstatter formuliert - und da ich mich als einer von sehr wenigen, die sich hier (regelmäßig) zum Thema äußern, in der Vergangenheit wiederkehrend sehr umfassend mit den sachlichen Problematiken beschäftigt habe, kann ich mir ein sachliches Urteil erlauben, wie zeitintensiv die Beschäftigung mit der Materie ist, insbesondere weil die Arbeit an einer neuen Dogmatik, die also nicht auf vorliegende Vorgaben zurückgreifen kann und die genau auf ihre möglichen Konsequenzen hin abgewogen werden muss, ein ziemlich komplexes Unterfangen ist. Auch deshalb fordere ich hier seit langer Zeit regelmäßig dazu auf, mal entsprechende Gedanken hier sachlich präzise auf den Tisch zu legen, worauf ich aber seitdem nicht eine entsprechende Antwort erhalten habe.

Und um nicht missverstanden zu werden: Ich kann die Emotionen, die mit unserem Thema einhergehen, gut nachvollziehen; nicht umsonst warte auch ich seit 2005 auf eine rechtskräftige Entscheidung. Und diesen Emotionen muss auch Raum gegeben werden; denn die Unteralimentation hat nicht erst seit gestern insgesamt ein wiederkehrend erschreckendes Maß angenommen - aber für all das tragen nicht die Gerichte die Verantwortung, sondern seit spätestens 2020 ganz allein die Besoldungsgetzgeber. Denn hätten sie sich seitdem an die Bindungen erinnert, die sie nicht abschütteln können, dann stellten sich uns unsere Probleme heute nicht (mehr) - und Karlsruhe hätte es seitdem leicht gehabt, seine Entscheidungen in den 52 anhängfigen Verfahren bereits auf Basis der heute sehr weitgehend vorhandenen neuen Dogmatik zu treffen.

Da Karlsruhe aber ab 2021 auf 17 Besoldungsgesetzgeber trifft, die keine Veranlassung zu der Vermutung bieten, dass sie nach den angekündigten Entscheidungen auch nur einen Deut anders handeln wollten als seit Anfang 2021, wird man nicht nur im Dezernat von BVR Maidowski viel Gehirnschmalz aufgewendet haben, um diese Sachlage zu beenden - und es dürfte auf Basis der 638 Seiten hier und der 373 im Parallelforum (sowie der vielen weiteren zu den jeweiligen Rechtskreisen) einleuchtend sein, dass das nicht mal eben so zu erreichen sein dürfte. Nicht Karlsruhe ist das Problem, sondern das Handeln von 17 anderen Verfassungsorganen.
« Last Edit: 16.01.2024 15:24 von SwenTanortsch »

BuBea

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9568 am: 16.01.2024 16:29 »
@ Swen: Danke für die Zusammenfassung und Überlegungen
Wenn ich mal Deine zeitliche Einschätzung hinsichtlich der Pilotverfahren (2. bzw. 3. Quartal) neben die Kabinettsbefassung Ende Januar und dann im Weiteren das parlamentarische Verfahren lege, stellt sich mir die Frage, ob und wie das aufeinander wirken wird.
Ggf. muss man dann doch die Abgeordneten in der Breite weiter bzw. stärker sensibilisieren. Alles unter der Voraussetzung, dass der Besoldungsgesetzgeber hier auch wieder unzureichend gearbeitet hat.

Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9569 am: 16.01.2024 16:37 »
Gerade Maidowski ist es übrigens, der nicht selten in seinen Entscheidungen Art. 19 IV GG (effektiver Rechtsschutz) betont und in teilweise schon kaum noch praktikabler Weise „ausschärft“. Dann auf eine Verzögerungsrüge nach 10 Jahren Verfahrensdauer eine solche Antwort zu geben, empfinde ich angesichts der Breitenwirkung und Bedeutung der Frage für die Qualitätsstandards unseres gesamten Staatswesens als … überraschend.

Zitat
Verzögerungsbeschwerde gegen die Dauer des Normenkontrollverfahrens 2 BvL 3/19

Der Kläger hat in dem Verfahren bereits 2004 Klage erhoben, beim Bundesverfassungsgericht liegt es aber erst seit Januar 2019 und das BVerfG kann nur diesen Zeitraum betrachten für den es selber verantwortlich ist. Diese 4-5 Jahre hält das BVerfG für üblich. Eine solche Zeitdauer ist auch normal vor dem BVerfG.

Bei den Verzögerungsrügen oder Beschwerden geht es im Endeffekt nur um ein paar Tausend Euro Entschädigung. Die hätte man im Angesicht der Umständen (schwer krank, keine Zinsen, absichtliche zurückstellung zu Gunsten von Pilotverfahren) des Klägers auch einfach zahlen können. Aber so ist es halt in Deutschland. Immerhin haben wir dadurch viele Infos gewonnen.