Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2092460 times)

Moabit

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11580 am: 29.03.2024 12:49 »
Wie ich schon sagte, ich habe mir hier die knapp 800 Seiten nicht vollständig durchgelesen, vielleicht wurde es also schon durchgekaut. Aber wenn ich mir hinsichtlich der Frage nach den 4 Köpfen den Beschluss noch einmal anschaue, dann überlässt es das BVerfG allein dem Gesetzgeber das Grundgehalt nach 4 Köpfen, 2 Köpfen oder gar nur nach dem Beamten selbst festzulegen(?). Solange er bei einem tatsächlichen zusätzlichen Bedarf aufgrund weiterer Familenmitglieder diesen Bedarf dann auch berücksichtigt.

Hier wäre eine Antwort von Swen sehr hilfreich.

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11581 am: 29.03.2024 13:03 »
Der Beamte und seine Familie müssen dem Amte nach angemessen alimentiert werden.

Als "Regel-Familie" wurde vom BVerfG eine vierköpfige Familie bestimmt. Ab dem dritten Kind ist eine Regelung über Zuschläge zulässig.

Und wenn man Beamtenfamilien als Bedarfsgemeinschaften betrachten wollte und nur den Beamten nach dem Amte nach alimentieren wollte, und die Versorgung von Partnern und Kindern ausschließlich über Zuschläge regeln wollte, dann wäre das Amt nur noch ein marginaler Faktor bei Bestimmung der Besoldungshöhe und das wäre m.E. nicht amtsangemessene,  wenn ein verheirateter A6er mit drei Kindern in Bezug auf Besoldung am kinderlosen A16 Single- Beamten vorbei zöge.

 

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11582 am: 29.03.2024 13:32 »
Swen kann sicher fundierter und umfassender antworten, aber hier schon mal ein paar allgemeine Leitlinien des BVerfG aus seinem Urteil vom 27.09.2005 (2 BvR 1387/02). Damals ging es um die Absenkung der Versorgung von 75% auf 71,75%, die gerade noch so "erlaubt" wurde.

Des Weiteren hat sich nach meinem Verständnis die BVerfG-Rechtsprechung seit damals zu unseren Gunsten verschärft, Swen hat meines Wissens diesbezüglich häufiger den Begriff "neue Besoldungsdogmatik" verwendet.

- Der Beamte muss über ein Nettoeinkommen verfügen, das seine rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihm über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus ein Minimum an Lebenskomfort ermöglicht. Hierbei hat der Besoldungsgesetzgeber auch die Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen. [Rn. 112]
- Die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts – zu der auch die Versorgung des Beamten nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst zählt – ist deshalb ein besonders wesentlicher Grundsatz, zu dessen Beachtung der Gesetzgeber verpflichtet ist. [Rn. 113]
- Dem Beamten steht [...] hinsichtlich des Kernbestands seines Anspruchs auf standesgemäßen Unterhalt ein durch seine Dienstleistung erworbenes Recht zu, das durch Art. 33 Abs. 5 GG ebenso gesichert ist wie das Eigentum durch Art. 14 GG. [Rn. 115]
- Im Beamtenrecht können finanzielle Erwägungen und das Bemühen, Ausgaben zu sparen, in aller Regel für sich genommen nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung angesehen werden. Die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand, nach politischen Dringlichkeitsbewertungen oder nach dem Umfang der Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips bemessen lässt. [Rn. 122]
- [Die] Alimentation des Beamten und seiner Familie ist etwas anderes und Eindeutigeres als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und eines sozialen Standards für alle und findet seinen Rechtsgrund nicht im Sozialstaatsprinzip, sondern in Art. 33 Abs. 5 GG. [Rn. 122]
- Die Angemessenheit der Alimentation bestimmt sich maßgeblich nach innerdienstlichen, unmittelbar auf das Amt bezogenen Kriterien wie dem Dienstrang, der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit. Durch das Gebot, bei der Besoldung dem Dienstrang des Beamten Rechnung zu tragen, soll - dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG folgend - einerseits sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. In dieser Hinsicht bestimmt sich die Amtsangemessenheit im Verhältnis zur Besoldung und Versorgung anderer Beamtengruppen. Andererseits kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Diese Wertigkeit wird durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. [Rn. 128]
- Maßstab hierfür wie auch für das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft sind nicht zuletzt die Einkünfte, die er mit seinen Fähigkeiten und Kenntnissen erzielt, im Vergleich zu den Einkommen ähnlich ausgebildeter Arbeitnehmer mit vergleichbarer beruflicher Verantwortung. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber das Beamtenverhältnis für qualifizierte Kräfte anziehend ausgestalten muss. Dies setzt auch voraus, dass der öffentliche Dienst mit Konditionen wirbt, die insgesamt einem Vergleich mit denen der privaten Wirtschaft standhalten können. Denn die Alimentation dient nicht allein dem Lebensunterhalt des Beamten, sie hat zugleich eine qualitätssichernde Funktion. [Rn. 129]
- Schließlich hat der Gesetzgeber zu beachten, dass der Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und das aus Art. 33 Abs. 5 GG folgende Gebot einer dem Amt angemessenen Alimentierung auch unter den Versorgungsempfängern eine Differenzierung der Höhe ihres Ruhegehalts nach der Wertigkeit des Amtes erfordern, das von ihnen zuletzt ausgeübt wurde. Auch nach einer Absenkung des Versorgungsniveaus muss deshalb ein hinreichender Abstand zur Mindestversorgung gewährleistet sein. Bliebe die Mindestversorgung nicht auf Ausnahmefälle beschränkt oder lägen die Bezüge ganzer Gruppen von Versorgungsempfängern nicht in nennenswertem Maße über der Mindestversorgung, so führte dies zu einer Nivellierung, die die Wertigkeit des Amtes nicht mehr hinreichend berücksichtigte. [Rn. 135]


Daraus ergibt sich in meinen Augen eindeutig, dass sowohl die Besoldung als auch die Versorgung in erster Linie die Wertigkeit des Amtes widerspiegeln muss.

Irrsinnige Zuschlagsorgien wie zurzeit in NRW sind somit hochgradig verfassungswidrig..

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11583 am: 29.03.2024 13:38 »
Ich denke, ihr redet in eurer Debatte zum Teil aneinander vorbei, was uns hier (meine Person mit eingeschlossen) und darüber hinaus auch gesellschaftlich gleichfalls häufiger passiert. Ich stelle mal ein paar verfassungsrechtliche Thesen auf, die eventuell zur Klarheit der Debatte beitragen:

1. Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Beamte und ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren (Rn. 23 der aktuellen Entscheidung wie auch im Folgenden; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html).

2. Es ist ihnen deshalb lebenslang ein nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards angemessener Lebensunterhalt zu gewähren.

3. Damit wird der Bezug der Besoldung sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als auch zur Lage der Staatsfinanzen, das heißt zu der sich in der Situation der öffentlichen Haushalte ausdrückenden Leistungsfähigkeit des Dienstherrn, hergestellt.

4. Der Beamte muss über ein Nettoeinkommen verfügen, das seine rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihm über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus ein Minimum an Lebenskomfort ermöglicht (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. September 2007
- 2 BvR 1673/03 -, Rn. 39; https://www.bverfg.de/e/rk20070924_2bvr167303.html).

5. Der Anstieg der den Dienstherrn treffenden Versorgungslasten ist als sachlicher Grund geeignet, die Verminderungen der Besoldungs- und Versorgungsanpassungen zu rechtfertigen (ebd., Rn. 43 wie auch im Folgenden).

6. Die duchschnittlich längere Lebenserwartung der Bevölkerung lässt es als sachlich gerechtfertigt erscheinen, die Beamtenschaft durch die Verminderungen der Besoldungs- und Versorgungsanpassungen an den steigenden Kosten der Versorgung zu beteiligen.

7. Kürzungen der Beamtenversorgung haben allerdings gleichheitsgerecht zu erfolgen. Auch Versorgungsempfängern kann im einzelnen oder als Ganze ohne sachlichen Grund kein "Sonderopfer" abverlangt werden (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 -, Rn. 62; https://www.bverfg.de/e/ls20070320_2bvl001104.html).

8. Die überkommene Struktur der Versorgungsregelungen sollte sich bis 2021 in allen 17 Rechtskreisen als verfassungskonform dargestellt haben (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 27. September 2005
- 2 BvR 1387/02 -,https://www.bverfg.de/e/rs20050927_2bvr138702.html).

9. Das Besoldungsniveau sollte sich seit spätestens 2008 in allen 17 Rechtskreisen als nicht amtsangemessen darstellen: Die gewährte Nettoalimentation unterschreitet spätestens seitdem in allen Rechtskreisen die Mindestalimentation; 2020 hat die gewährte Nettoalimentation in 13 der 16 Länder-Rechtskreisen darüber hinaus selbst das Grundsicherungsniveau unterschritten, und zwar im einzelnen deutlich (DÖV, 2022, S. 198 <206>).

10. Die Mindestalimentation umfasst den vom absoluten Alimentationsschutz geschützten Betrag der zu gewährenden Nettoalimentation, in den also keine Kürzungen oder andere Einschnitte vorgenommen werden darf (Rn. 95 der aktuellen Entscheidung).

11. Als Folge einer eklatanten Unterschreitung des Mindestabstandsgebots sind auch die Grundgehaltssätze anzuheben, die sich in diesem Fall also als verfassungswidrig darstellen (Tenor der akutellen Entscheidung i.V.m. Rn. 99, Rn. 160 und 176).

12. Folge: Eine Heilung der verletzten Besoldungssystematik allein durch die Anhebung familienbezogener Besoldungskomponenten ist nicht möglich, da eine solche Anhebung nicht die Attraktivität der Dienstverhältnisse von allen Ämtern für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung berücksichtigen könnte.

13. Konsequenz: Im Rahmen der überkommenen Struktur der Versorgungsregelungen dürfte sich durch die Abhängigkeit der (maximalen) Versorgungshöhe von der letzten gewährten Besoldungshöhe ein Ausschluss einer höheren familienneutralen Versorgung offensichtlich sachlich nicht rechtfertigen, da hier zwischen dem Grundgehaltssatz, den geleisteten Dienstzeiten und der Höhe der Versorungsleistungen ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben ist.

14. Der Versorgungsgesetzgeber verfügt im Rahmen der gerade dargelegten (und weiterer) Prämissen über einen weiten Entscheidungsspielraum, wie er die Versorgung seiner Beamten regeln will. Er kann dabei deren Struktur jederzeit im Rahmen der Verfassung ändern, sofern dafür ein sachlicher Grund vorliegt.

PS. Nach Fertigstellung dieses Beitrag lese ich nun den von Dir, BVerfGBeliever. Beide Beiträge ergänzen sich schlüssig, denke ich.

Moabit

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11584 am: 29.03.2024 13:54 »
Okay, aber das WIE steht dem Gesetzgeber frei(?).

"Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf. Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum. Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen."

Die Grundbesoldung könnte also eventuell sogar verringert werden und dafür bei Bedarf mit höheren Zuschlägen (und soweit am Alleinverdienermodell festgehalten würde) die Differenz wieder ausgeglichen werden.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11585 am: 29.03.2024 14:04 »
Wir hatten hier das alles schon einmal…

Die Zuschläge dürfen nicht zu einer Hauptkomponente heranwachsen. Wann dem so ist, wird bestimmt bald ausgeurteilt…

clarion

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« Antwort #11586 am: 29.03.2024 14:12 »
Genau

BVerfGBeliever

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« Antwort #11587 am: 29.03.2024 14:24 »
Yep.

Das BVerfG schreibt eindeutig, "dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss" (siehe oben).

Und wenn in NRW ab Februar 2025 ein verheirateter A5 Stufe 5 mit drei Kindern in Mietstufe VII gut 400 Euro mehr bekommt als ein lediger kinderloser A14 Stufe 5 (5.757€ <-> 5.351€), dann ist diese Forderung des BVerfG eklatant verletzt..

tigertom

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11588 am: 29.03.2024 14:36 »
Nur, dass NRW keine einzige Gemeinde mit Stufe VII hat.
Auch VI finde ich nur 1 Mal. Und zwar "Köln, Stadt".

Moabit

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11589 am: 29.03.2024 14:37 »
Dann verstehe ich aber nicht (und ich wäre für entsprechenden Hinweis auf einen Text des BVerfG nach 2 BvL 4/18 dankbar) wieso das BVerfG dann dies hier ausführt:

"Insbesondere ist der Besoldungsgesetzgeber frei, Besoldungsbestandteile an die regionalen Lebenshaltungskosten anzuknüpfen, etwa durch (Wieder-)Einführung eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags".

Es dürften also sowohl Ortszuschläge (wieder-)eingeführt werden, die die von Region zu Region teils erheblich voneinander abweichenden Kosten der Unterkunft ausgleichen, als auch Familienzuschläge, die nicht mehr vom Alleinverdienermodell für 4 Personen ausgehen.

Das BVerfG zieht die bisherige Praxis des 4 Personen Alleinverdienermodells also eindeutig vor die Klammer. Dieses Modell darf aber abgeändert werden. Der Satz, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe wiederspiegeln muss, steht aber "in der Klammer" und wird im Beschluss auch in einem ganz anderen Kontext genannt, nämlich allein wenn es um das Bestehen von Besoldungsgruppen oder den Vergleich mit der Privatwirtschaft geht.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11590 am: 29.03.2024 14:55 »
Okay, aber das WIE steht dem Gesetzgeber frei(?).

"Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf. Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum. Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen."

Die Grundbesoldung könnte also eventuell sogar verringert werden und dafür bei Bedarf mit höheren Zuschlägen (und soweit am Alleinverdienermodell festgehalten würde) die Differenz wieder ausgeglichen werden.

Eine solche Regelung stände im Widerspruch zur These 10 und 11, Moabit. Ämter- und Stellenzulagen dienen zur Besoldungsdifferenzierung, so wie das Bastel hervorhebt. Sowohl das Grundgehalt als auch die Amtzulage betrachtet das Bundesverfassungsgericht - anders als Stellenzulagen - als Kernbestand der beamtenrechtlichen Alimentation. Die Amtszulage kennzeichnet die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht als "Zwischenamt" (vgl. BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1457/96 -, Rn. 7, https://www.bverfg.de/e/rk20001214_2bvr145796.html und BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2008 - 2 BvR 380/08 -, Rn. 5, https://www.bverfg.de/e/rk20081219_2bvr038008.html). Das bedeutet, dass sie in dem Fall zu gewähren ist, wenn ein Beamter in seinem Amt regelmäßig mit Tätigkeiten einer herausgehobenen Funktion beschäftigt ist, die siginifikant über die Verantwortung seines Amts hinausgehen, die aber nicht hinreichen, um einem nächst höheren Amt zu entsprechen. Die Amtszulage kann entsprechend nicht in beliebiger Höhe gewährt werden und darf also nicht dazu führen, dass ein Beamter, der ein niedrigeres Amt bekleidet, am Ende über die Gewährung der Amtzulage höher besoldet wird als ein Beamter, der ein höherwertiges Amt bekleidet. Denn wie dargelegt, reicht das von ihm bekleidete "Zwischenamt" von der mit ihm verbundenen Verantwortung nicht aus, um dem nächst höherem Amt gleichgestellt zu werden. Da sie - anders als Stellenzulagen - zum Kernbestand der Alimentation gehören, sind Amtszulagen ruhegehaltsfähig, also Bestandteil des Grundgehalts.

Für Stellenzulagen gilt hingegen, dass sie anders als Amtszulagen nicht zum Kernbestand der Alimentation zählen, dass für sie darüber hinaus aber prinzipiell dasselbe gilt, wie ich es gerade hinsichtlich der Amtzulage dargelegt habe. Sie dürfen nicht dazu führen, dass am Ende über ihre Gewährung ein Beamter, der ein niedriger bewertetes Amt bekleidet, höher besoldet wird als ein Beamter, der ein höherwertiges Amt bekleidet. In diesem Sinne sind nicht nur die Möglichkeiten der familienbezogenen, sondern auch der amtsbezogenen Besoldungsdifferenzierung begrenzt und dabei jederzeit über einen sachlichen Grund zu rechtfertigen. Das Ziel, Personalkosten einzusparen, ist für sich allein betrachtet kein sachlicher Grund für Besoldungskürzungen.

Wieder neu einzuführende Ortzuschläge, wie das Nordrhein-Westfalen und Bayern vollzogen hat, sind dabei ebenfalls so zu betrachten, wie ich das gerade getan habe. Sie können als Nebenkomponenten der Besoldung nicht zu einer Hauptkomponente werden. Ihre Gewährung hat dabei gleichheitsgerecht zu geschehen, was bedeutet, dass die vormalige Münchenzulage mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungskonform war, während ein nach mehreren Mietenstufe differenzierter Ortszuschlag zwar gestattet wäre, jedoch in der sozialen Wirklichkeit der Bundesrepublik kaum sachlich gerechtfertig werden kann, da hier das Abgrenzungsproblem bleibt, das hier bereits vielfach dargelegt worden ist (vgl. bspw. meinen Beitrag vom 28.02. unter https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,122240.300.html).

Moabit

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« Antwort #11591 am: 29.03.2024 14:58 »
Vielen Dank, die beiden Verlinkungen führen aber nichts zu Familienzuschlägen aus.

*Beitrag nach Durchsicht der Verlinkungen geändert
« Last Edit: 29.03.2024 15:06 von Moabit »

Pendler1

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« Antwort #11592 am: 29.03.2024 15:18 »
Hallo Alle,

top Diskussion, die sich hier entwickelt hat.

Ich war ja öfters bei diesem Thema etwas - na ja - aggressiv - bin aber auch gemäßigt kein großer Freund dieses AEZ.

Geht mal in die Geschichte: Danaer-Geschenk (vulgo vergiftetes, unheilbringendes Geschenk, Trojanischer Krieg)
Und die Trojaner haben das Unheil dieses Geschenkes erst bemerkt, als es zu spät war😁

Viele Beamte werden es vielleicht auch zu spät merken?

Sag ich mal so, kraft meiner Wassersuppe.

Trotzdem: Schöne Feiertage. Und vielleicht nach dem Kölner Motto "Et hätt noch immer jot jejange"

SwenTanortsch

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« Antwort #11593 am: 29.03.2024 15:26 »
Nachdem wir nun die Amts-, Stellen- und Ortszuschläge durchdekliniert haben, bleiben noch die Familienzuschläge oder genauer: die familienbezogenen Besoldungskomponenten. Dabei bleibt mir jetzt unklar, was Du genau wissen willst, Moabit.

Moabit

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« Antwort #11594 am: 29.03.2024 15:34 »
Amts- und Stellenzulagen sind das eine, die tangieren aber die Diskussion hier nicht. Aber Familienzuschläge und auch Ortszuschläge werden vom BVerfG ja ausdrücklich und ausführlich als möglich eingeräumt, wenn es um den (wenn notwendig zu schaffenden) Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau (bei einem 4 Personen Alleinverdienermodell) geht.

Und dieses Modell darf der Gesetzgeber ändern, müsste aber trotzdem darauf achten, dass der Mindestabstand in Summe zur Grundsicherung eingehalten wird.

Ich bin kein Fan von Familienzuschlägen, weil ich das als Thema des Sozialrechts sehe, aber "leider" muss ich zugeben, dass der reine Text des BVerfG sehr stark in diese Richtung zeigt.
« Last Edit: 29.03.2024 15:42 von Moabit »