Solidarität ist ein freiwilliger Akt und kann mithin in einem Zwangsversicherungssystem nicht realisiert werden.
Von Solidarität hat man nur etwas, wenn man ihrer bedarf. Welche rationalen Beweggründe hätte man also, Solidarität zu üben?
Es gibt existenzbedrohende Risiken, mit der jeder Bürger leben muss. Dazu gehören auch biometrische Risiken, wie bspw eine schwere Erkrankung. Niemand weiß, ob er oder sie jemals eine solche Erkankung erleidet. Die meisten Menschen sind für den Fall der Fälle allerdings außerstande, eine solche Behandlung vollständig aus eigener Tasche zu bezahlen.
Ein Kernelement der sozialen Marktwirtschaft ist es daher, diese individuellen biometrischen Risiken auf die gesamte Bevölkerung zu verteilen und so sicherzustellen, dass jeder einen Zugang zum Gesundheitssystem unabhängig vom Einkommen hat. Mit den Beiträgen zum Gesundheitssystem erwirbt man als Individuum einen Versicherungsschutz, ohne zu wissen, ob und in welchem Umfang man ihn tatsächlich in Anspruch nehmen muss.
Es gibt sicherlich auch andere Ansätze in anderen Ländern. Dort wird der Zugang zum Gesundheitssystem nur denjenigen gewährt, die es sich auch leisten können.
Die soziale Marktwirtschaft hilft, die Demokratie zu festigen, extremistische Strömungen zu verringern, sozialen Frieden zu sichern, Beschaffungskriminalität (für Kosten der Gesundheit) zu vermeiden und Wohlstand auch für diejenigen zu sichern, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt inklusive der Kosten der Gesundheit selbst zu finanzieren.
In der Corona-Pandemie hat das deutsche Gesundheitswesen seine Leistungsfähigkeit und Krisenfestigkeit unter Beweis gestellt. Der größte Teil der zusätzlichen Kosten wie der Rettungsschirme für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Hospizdienste wurde allerdings von den gesetzlichen Krankenversicherung getragen. Von der Aufrechterhaltung der Infrastruktur im Gesundheitswesen profitieren alle, die Gefahr laufen, diese Infrastruktur irgendwann einmal nutzen zu müssen. Während die gesetzlichen Krankenkassen den Beitrag voraussichtlich um etwa 1 Prozentpunkt anheben müssen (also einen um etwa 6,25 % höheren Beitrag), hatte die private Krankenversicherung lediglich 1,7 % Mehrkosten.
Wie ich schon mal erwähnt habe: Ob man die Mehrkosten des Gesundheitswesen hauptsächlich durch einen höheren Beitragssatz der gesetzlich Versicherten, durch einen höheren Zuschuss aus Steuermitteln, durch die hier dargestellt Bürgerversicherung oder noch andere Ideen auffangen will, ist eine politische Entscheidung.
Für welches Modell sich die einzelnen Parteien einsetzen, ist in diesem Wahlkampf aus meiner Sicht sehr deutlich geworden. So kann jeder für sich selbst entscheiden, welcher Weg für einen selbst der richtige zu sein scheint.
Wenn in einer Demokratie die Mehrheit der Wähler das allerdings anders sieht, kann diese Solidarität sehr wohl mit einer Pflichtversicherung durchgesetzt werden.