Das ist wahr.
Ich habe allerdings das andere mit Jockel diskutierte Thema des Arbeitsvorgangs nochmal reflektiert. Der TdL muß eigentlich klar sein, daß sie juristisch nichts gewinnen kann, selbst wenn sie vor dem BVerfG obsiegen sollte. Selbst das dürfte nicht sehr wahrscheinlich sein.
Vor dem BVerfG geht es ja darum, ob das BAG Tarifverträge so auslegen darf, wie es Gesetze auslegt. Oder ob es nicht vorrangig den Willen der Tarifvertragsparteien berücksichtigen müßte, auch wenn er sich nicht im Text niedergeschlagen hat. An welche realen Grenzen das stößt, wenn die Tarifvertragsparteien sich dann gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht übereinstimmend äußern, habe ich ja bereits erklärt.
Nun ist es aber so, daß der von Geyer so geliebte "geronnene Wille" der Tarifvertragsparteien als solcher nur dann von vorrangiger Bedeutung sein kann, wenn es um die Angehörigen der jeweiligen Koalitionen geht, sprich, wenn es um Arbeitsverhältnisse geht, deren Inhalt sich deshalb nach dem Tarifvertrag richtet, weil beiderseitige Tarifbindung besteht. Denn nur für diese Arbeitsverhältnisse erangt der Tarifvertrag unmittelbare Bedeutung durch den Willen der Tarifvertragsparteien. Und möglicherweise für solche Arbeitsverhältnisse, denen eine Gleichstellungsabrede zugrundeliegt. Diese sind von ihrer Zahl her bedeutungslos.
Bei der Masse der Arbeitsverhältnisse wird durch arbeitsvertragliche Bezugnahme die Wirkung des Tarifvertrages hergestellt. Die Bezugnahmeklausel ist aber eben gerade nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien unterworfen. Sie ist eine wechselseitige Willenserklärung der Arbeitsvertragsparteien. Es geht also um deren Verständnis der in Bezug genommenen Norm, hier des Tarifvertrages. Und dieses Verständnis ist im Streitfalle wiederum durch die Arbeitsgerichtsbarkeit in der bisher vorgenommenen Art und Weise zu bestimmen.
Das gilt auch für alle Arbeitsverhältnisse, in denen bei beiderseitiger Tarifbindung im Arbeitsvertrag eine Bezugnahmeklausel vereinbart wurde und die Auslegung der Arbeitsgerichtsbarkeit günstiger ist als die übereinstimmende Äußerung der Tarifvertragsparteien zum Verständnis der von ihnen vereinbarten Regelungen. Denn Normenkonflikte im Arbeitsrecht sind nach dem Günstigkeitsprinzip aufzulösen, der Konflikt zwischen der unmittelbaren und mittelbaren Wirkung des Tarifvertrags also durch dessen günstigere Wirkung. Und Bezugnahmeklauseln haben in Arbeitsverträgen auch zwischen Tarifgebundenen konstituierende und nicht lediglich deklaratorische Wirkung.
Selbst wenn also das BVerfG feststellen sollte, daß das BAG den Willen der Tarifvertragsparteien bei der Auslegung von Tarifverträgen durch deren Befragung zu ermitteln hätte, wäre das also ohne praktische Relevanz. Es gibt nur wenige Arbeitsverhältnisse mit Gleichstellungsabreden. Nahezu alle der ohnehin wenigen Arbeitsverhältnisse mit beiderseitiger Tarifbindung enthalten eine Bezugnahmeklausel. Arbeitsverhältnisse, bei denen der Arbeitsvertrag lediglich durch Bezugnahmeklausel Anwendung findet, sind ohnehin nicht betroffen.
Der von der TdL beschrittene juristische Weg ist also fruchtlos. Das wird auch die TdL wissen. Naja, oder auch nicht. Jedenfalls bleibt den Arbeitgebern für eine effektive Änderung des rechtlichen Verständnisses des Arbeitsvorganges nur der Weg über die Änderung des Tarifvertrages.
Ob die Gewerkschaften die Kraft haben, dem zu widerstehen?