Hey Rentenonkel,
ich würde es nicht als Schwäche oder "Schande" ansehen, komplizierte Sachverhalte (ver-)einfach(t) herunterzubrechen, sondern als Stärke, da so das Thema für jene verständlich wird, die sich nicht so tiefgehend mit der Materie auseinandersetzen wollen oder zeitlich können. Insofern ist es genau richtig, dass Du das, was Du schreibst, so schreibst, wie Du es schreibst, finde ich.
Bezogen auf das Thema Versorgung bist Du aber, vermute ich, weitgehend auf dem Holzweg, weil Du hier nach meinem Empfinden viel zu sehr um die Ecke denkst. Ich glaube, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird hier deutlich einfacher ausfallen:
(I.) Zunächst einmal fallen vieler Deiner dargelegten Gedanken gar nicht in das Feld der judikativen Gewalt - also der Prüfung der Alimentation - und also am Ende der Prüfung des verfassungskonformen Gehalts eines Versorgungsgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht, sondern ein Großteil Deiner Gedanken wird sich zunächst einmal die legislative Gewalt machen müssen, also in der Gesetzgebung z.B. entsprechende Regelungen einziehen, wie die Versorgung verfassungskonform ausgestaltet ist, sodass das Bundesverfassungsgericht am Ende ggf. zu prüfen hat, ob die Versorgungssystematik des jeweils zu prüfenden Versorgungsgesetzes verfassungskonform ist oder nicht.
(II) Zugleich halte ich es für wahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht - hier denkst Du eventuell zu kompliziert - einen viel einfacheren Weg gehen wird, was mit seiner Besoldungsdogmatik verbunden ist: Das Bundesverfassungsgericht betrachtet die Versorgung (genauso, wie Du schreibst) als ein gesondertes Feld des Alimentationsprinzips, wobei zugleich der allgemeine Gleichheitssatz zu betrachten ist: wesentlich Gleiches ist gleich zu behandeln, wesentlich Ungleiches ungleich. In seinen Rechtsverhältnissen ist der in den Ruhestand versetzte Beamte als Beamter (a) als wesentlich Gleicher zu begreifen; als Versorgungsempfänger ist er aber gegenüber dem im Dienst stehenden Beamten als (b) wesentlich ungleich zu begreifen. Was folgt nun - denke ich - daraus? Das Bundesverfassungsgericht hat in der von mir gestern hervorgehobenen Entscheidung 2005 entschieden, dass die Absenkung des Höchstversorgungsniveaus von 75 % auf 71,75 % verfassungskonform war. Sofern also die Alimentation des aktiven Beamten amtsangemessen ist, ist ebenso - das ist die rechtliche Folge - die Versorgung weiterhin amtsangemessen. So verstanden benötigt es gar kein komplexes Prüfsystem im Sinne der gerade hervorgehobenen Ziffer (b), vielmehr greift die Ziffer (a), die zugleich auch (verfassungs-)rechtlich das ausschlaggebendere Rechtsgut ist: Voraussetzung dafür, dass ein Beamter Beamter ist, ist nicht, dass er später Versorgungsempfänger ist, denn das muss nicht in jedem Fall der Fall sein; vielmehr muss der Versorgungsempfänger weiterhin Beamter sein, um Versorgungsempfänger zu bleiben. Als wesentlich Gleicher wird er also, sofern die heutige Versorgungssystematik verfassungskonform ist (und das dürfte sie nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sein), solange amtsangemessen versorgt, solange die Besoldung der entsprechenden Beamten zu einer amtsangemessenen Alimentation führt.
III. So verstanden halte ich es für wahrscheinlich, dass das Budesverfassungsgericht nicht die Versorgungssystematik als solche als problematisch betrachten wird, sondern den materiellen Gehalt der Versorgung - und zwar, indem es den entsprechenden materiellen Gehalt der Besoldung betrachten wird, der dem materiellen Gehalt der Versorgung zugrundeliegt. Es wird also ggf., nachdem es die Versorgungssystematik als solche betrachtet und für nicht verfassungswidrig eingestuft hat, die ihr zugrundeliegende Mindestalimentation und Mindestbesoldung betrachten und diese als evident unzureichend ausgefüllt zurückweisen, also das entsprechende Versorgungsgesetz als verfassungswidrig ansehen.
IV. Zugleich - so schätze ich weiter - wird es nun den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers hervorheben und dabei - ganz wie Du das hervorhebst - darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber das Recht hat, auch die Versorgung an den tatsächlichen Bedarfen auszurichten und sie also zu differenzieren. Das gilt sowohl hinsichtlich des Familienstands des Versorgungsempfängers als auch - hier wird es komplexer - hinsichtlich seines Wohnorts.
V. Hinsichtlich des Wohnorts dürfte es nun jedoch hinsichtlich des Alimentationsprinzips komplexer werden: Denn der aktive Beamte ist - wenn ich das richtig sehe - in allen 17 Besoldungsgesetzen zwingend gehalten, seinen Wohnort in der Nähe des Dienstorts zu wählen, auch wenn das Residenzprinzip nicht mehr angwandt wird. Ob das ebenso gesetzlich in den Versorgungsgesetzen geregelt ist, kann ich nicht sagen (im Versorgungsthema kenne ich mich nur graduell aus); ich halte es aber für wahrscheinlich, dass das nicht der Fall ist. Hier nun greift das, was ich unter der Ziffer IIb formuliert habe. Die Rechtsverhältnisse zwischen aktiven Beamten und Versorgungsempfängern sind hier dann entsprechend ungleich zu vollziehen, da hier wesentlich Ungleiches zu behandeln ist.
VI. So verstanden halte ich es für wahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ebenso das Recht einräumt, die tatsächlichen Bedarfe der Versorgungsempfänger zu berücksichtigen (im Sinne von Ziffer IIa); jedoch hinsichtlich der Unterkunftskosten davon ausgeht, dass der Versorgungsempfänger - anders als der aktive Beamte - nicht per se das Recht hat, seinen Wohnsitz auch an Orten mit den höchsten Unterkunftskosten zu wählen. Denn anders als der aktive Beamte dürfte der Versorgungsempfänger in der Wahl seines Wohnorts - so vermute ich - nicht eigeschränkt sein, sodass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ggf. die Möglichkeit einräumt, innerhalb des weiten Entscheidungspielraums, über den er bei der Ausgestaltung einer amtsangemessenen Versorgung verfügt, die Möglichkeit, unterschiedlicher Wohnkosten enger an das jeweilige Amt zu binden, sodass weniger die Mietenstufen des WoGG eine mögliche und also verfassungskonforme Grundlage zur Versorgungsdifferenzierung darstellen könnten (das sind sie hinsichtlich des in der Wohnortwahl nicht gänzlich freien aktiven Beamten), sondern dass der Gesetzgeber im Sinne seines weiten Entscheidungsspielraums auch andere - eben an das Amt gebundene - Möglichkeiten der Versorgungsdifferenzierung vollzieh kann.
VII. Sofern das Bundesverfassungsgericht im beschriebenen Sinne argumentieren würde, würde es - so vermute ich weiter - dem Gesetzgeber zunächst keine weiteren Auflagen machen, da dieser ja erst einmal im Sinne seiner Pflicht, das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln, selbst entsprechende gesetzliche Regelungen vollziehen müsste, die dann ggf. vom Bundesverfassungsgericht zu prüfen wären, sofern im Anschluss an solchen, die Versorgung neu differenzierenden Versorgungsgesetzen Vorlagebeschlüsse nach Karlsruhe versandt werden würden.
Wenn ich es richtig sehe, dürfte so in etwa der weitere Weg sein, den das Bundesverfassungsgericht gehen wird: Es wird - zusammengefasst - die Versorgung solange als verfassungskonform ansehen, solange die Alimentation des aktiven Beamten materiell amtsangemessen ist. Ist das nicht der Fall - und das ist in allen 17 Rechtskreisen nicht der Fall -, wird es den materiellen Gehalt der Versorgung als verfassungswidrig betrachten, sodass der Gesetzgeber die Versorgung wieder amtsangemessen herstellen muss; dabei wird er dann das Recht haben, die Versorgungssystematik verfassungskonform zu verändern: eben im Sinne des weiten Entscheidungsspielraums, über den er verfügt. Teil des weiten Entscheidungsspielraums ist nun, dass reale Unterkunftskosten auch von Versorgungsempfängern im Sinne der Ziffer IIa ebenso in der Gesetzgebung zu berücksichtigen sind; jedoch dürfte im Sinne von IIb (der offensichtlich freieren Möglichkeit der Wohnortwahl) das Amt und damit der Status bei der gesetzlichen Betrachtung von Wohnkosten eine stärkere Rolle spielen können. Denn im Sinne des Status ist es der Beamte amtsangemessen zu alimentieren. Es dürfte dann also weniger der reale Wohnort zu beachten sein, sondern das Amt, sodass einem höherwertigen Amt ggf. auch höhere potenzielle Unterkunftskosten zugerechnet werden könnten.