Zugleich dürfte es nicht völlig unwahrscheinlich sein, dass auch die Verordnung zur Regelung des sog. Familienergänzungszuschlags zuvor noch einem Beteiligungsverfahren unterworfen werden soll, was ebenfalls noch einmal Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Denn nicht umsonst wird die Landesregierung zur konkreten Ausformung der Verordnung gezwungen sein, nun die im Gesetzgebungsverfahren nicht vollzogenen Bemessungen des Grundsicherungsniveaus, der Mindestalimentation und der zu gewährenden Nettoalimentation vorzunehmen, so wie das im Gesetzgebungsverfahren von ihr angekündigt worden ist; denn ohne solche Bemessungen kann keine Abwägung erfolgen, wem und in welcher Höhe der sog. Familienergänzungszuschlag zu gewähren ist. Die Prozeduralisierung jener Verordnung zur Herstellung eines sog. Familienergänzungszuschlags dürfte vom Umfang her folglich der eines Gesetzes kaum nachstehen können.
Dabei zeigt allein schon dieser Sachverhalt, dass im Gesetzgebungsverfahren entsprechende Bemessungen nicht vorgenommen worden sind, den wiederkehrend sachlich groteske Gehalt des am Ende der letzten Legislaturperiode verabschiedeten Niedersächsischen Gesetzes zur amtsangemessenen Alimentation (Nds. GVBl. 2022 S. 611); denn der Regelungszweck jenes Gesetzes war die Wiederherstellung einer amtsangemessenen Alimentation. Wie hoch ein entsprechender Betrag zur Widerherstellung einer amtsangemessenen Alimentation jedoch ausfallen müsste (und wie hoch nun eigentlich die sog. Familienergänzungszuschläge ausfallen müssen), ist im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht ermittelt worden: Man hat also ein Gesetz zur Überwindung der eingestanden verfassungswidrigen Alimentation in Niedersachsen verabschiedet, ohne konkret zu prüfen, wie hoch eine Alimentation sein muss, um nicht weiterhin den absoluten Alimentationsschutz zu verletzen (der ausnahmslos nicht verletzt werden darf). Als Folge verbleibt auch der sog. Familienergänzungszuschlag als eine zufällige Einzelmaßnahme, die als solche offensichtlich keinen gerichtlichen Bestand haben kann. Um ein Bild zu gebrauchen: Man ist im Gesetzgebungsverfahren so vorgegangen, wie VW (sich) verfahren würde, wenn es Autos ohne Vorderachse und Lenkräder baute.
Dabei kann davon ausgegangen werden - denke ich -, dass man sich im Finanzministerium bewusst ist, dass die Verordnung anders als ein Gesetz über § 75 NJG i.v.m. § 47 (1) Nr. 2 VwGO vor dem Niedersächsischen OVG beklagt werden kann, worauf ChRosFw hier unlängst berechtigt hingewiesen hat;
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,117251.195.html Entsprechend ist 2014 die GEW Niedersachsen mit der ÄndVO ArbZVO Schule vom 4. Juni 2014 (Nds. GVBl. S. 150) verfahren. Das OVG hat diese Rechtsverordnung dann im betreffenden Normenkontrollverfahren am 09.06.2015 - 5 KN 148/14 - (
https://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE150001960&psml=bsndprod.psml&max=true) als mit höherrangigem Recht unvereinbar zurückgewiesen, sodass jene Verordnung dann nichtig war und die von der Verordnung geregelte Arbeitszeiterhöhung zurückgenommen werden musste. Dabei hat das OVG wie in jedem Klageverfahren zunächst die Zulässigkeit der Klage geprüft und dort entsprechend festgestellt, dass die Klage auf Grundlage von NJG und VwGO zulässig war (vgl. ebd., Rn. 30 ff.), was genauso dann für die ausstehende Rechtsverordnung gelten wird.
Der langen Rede kurzer Sinn: Im Finanzministerium dürfte man derzeit an der entsprechenden Verordnung arbeiten; in Anbetracht der offensichtlich in vielfacher Art und Weise verfassungswidrigen gesetzlichen Ermächtigung und ihrer je spezifischen Vorbereitung jenes sog. Familienergänzungzuschlags (vgl. die S. 36 ff. der Vorlage 9 zu Nds-Drs. 18/11498) dürfte es prinzipiell nicht möglich sein, denke ich, sie nicht rechtsverletzend zu konzipieren. Denn nicht zuletzt dürfte der sog. Familienergänzungszuschlag in seiner Konzeption als Herdprämie unter anderem den allgemeinen Gleichheitssatz verletzen, was der Landesregierung weiterhin nicht verborgen bleiben kann, vgl. z.B. auch die S. 15 der EW vom 30.09. unter
https://www.gew-nds.de/magazin-ew-niedersachsen-1Allein schon die nun anstehenden Bemessungen werden interessant zu lesen sein. Ebenso wird es interessant werden, wie nun die Verordnung konkret konzipiert werden soll, ohne gegen das Gebot des Abstands zwischen den Besoldungsgruppen zu verstoßen. Denn entweder wird man wie bspw. in Schleswig-Holstein einen in den höheren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen immer geringer werdenden Betrag konzipieren, sodass die betroffenen Beamten in jenen betroffenen Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen identisch hoch besoldet werden würden, was ein Verstoß gegen das Abstandsgebot darstellte - oder man würde einen einheitlichen Betrag für alle Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen als sog. Familienergänzungszuschlag gewähren (was nach der Begründung im Gesetzgebungsverfahren offensichtlich nicht vorgesehen ist), was dann de facto aber ebenfalls das Abstandsgebot verletzte, da dann die Abstände insbesondere zwischen den untersten und höchsten Besoldungsgruppen ebenfalls deutlich verringert werden würden. Denn wie in der genannten Vorlage dargelegt, muss jener Familienergänzungszuschlag brutto deutlich über 400,- € betragen, um das Mindestabstandsgebot zu erfüllen, weshalb eine gehörige Anzahl an Besoldungsgruppen von ihm betroffen sein sollten (in der genannten Vorlage wird ab den S. 29 ff. berechnet, dass mindestens noch der 3. Erfahrungsstufe der Besoldungsruppe A 9 ein sog. Familienergänzungzuschlag zu gewähren wäre, damit diese als Wenigstes noch die Mindestalimentation überschritte).
Die Quadratur des Kreises dürfte allemal leichter zu bewerkstelligen sein, als jene Rechtsverordnung zu konzipieren, was allen Abgeordneten des letzten Landtags klargewesen sein könnte, da allen die genannte Vorlage 9 zu Nds-Drs. 18/11498 im direkten Vorfeld des Septemberplenums von der Landtagsverwaltung zugesandt worden ist. Es hat jeder Abgeordnete gewusst oder zumindest wissen können, in welche Probleme man sich mit der aktuellen Gesetzgebung hineinkatapultierte.