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[SN] Besoldungsrunde 2021-2023 Sachsen
SwenTanortsch:
Gern geschehen, Saggse. Es wird nicht zuletzt für Sachsen, über das das Damoklesschwert der Vollsreckungsanordnung von allen Ländern gemeinsam mit Niedersachsen wohl am stärksten hängt, nach der anstehenden Entscheidung besonders interessant. Nicht umsonst ist der aktuelle Gesetzentwurf sachlich so katastrophal schlecht begründet, dass man weiterhin davon ausgehen dürfte, dass das Handeln des sächsischen Gesetzgebers einer Untätigkeit gleichkommt. Da das Handeln des sächsischen Gesetzgebers nach 2015 und 2017 bereits zweimal einer Untätigkeit gleichgekommen ist, dürfte es wahrscheinlich sein, dass das Bundesverfassungsgericht ihm keine dritte Chance geben wird, die seit 2008 vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Verfassungswidrigkeit der Grundgehaltssätze vergangenheitsbezogen noch selbst zu korrigieren. Der aktuelle Gesetzentwurf bettelt regelrecht danach, endlich als Gesetzgeber hinsichtlich der Besoldung nicht mehr gesetzgeberisch tätig sein zu müssen, sondern das eigene Gesetzgebungsrecht vergangenheitsbezogen de facto an die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verlieren. Wenn man die ersten rund 30 Seiten der Anhörung liest, dann kann man nur den Eindruck gewinnen, dass die dort anwesenden Abgeordneten wirklich verträumt nicht wissen, welche Lawine sie gerade lostreten.
Saggse:
--- Zitat von: SwenTanortsch am 30.03.2023 09:27 ---Wenn man die ersten rund 30 Seiten der Anhörung liest, dann kann man nur den Eindruck gewinnen, dass die dort anwesenden Abgeordneten wirklich verträumt nicht wissen, welche Lawine sie gerade lostreten.
--- End quote ---
Ich trauen den Abgeordneten durchaus auch politisches Kalkül zu: Man ist nicht selbst für die drastischen Mehrausgaben verantwortlich sondern kann die Schuld auf das böse BVerfG schieben. Auch, wenn es sich hierbei nicht um eine EU-Institution handelt, kann ich mir gut vorstellen, dass diese Argumentation hier auf fruchtbaren Boden fällt. Das Grundgesetz ist nämlich nur dann gut, wenn es persönliche Freiheiten verbrieft - was für Beamte "amtsangemessen" ist, entscheidet hier immer noch der Stammtisch!
Interessant wird auch die Reaktion unter den Lehrern: Die meisten der jungen Kolleginnen und Kollegen dürften inzwischen als Studienräte in das Beamtenverhältnis berufen worden sein - nahezu alle älteren sind hingegen im Angestelltenverhältnis. Wenn hier jetzt tatsächlich noch eine signifikante, rückwirkende Besoldungserhöhung bei der ersten Gruppe erfolgt, dürfte dies erneut zu erheblichem Unmut bei den anderen führen.
SwenTanortsch:
Das ist in beiden Punkten leider schlüssig, Saggse. Insbesondere die Abgeordneten, die das Thema durchdringen, handeln wissentlich und willentlich verfassungswidrig - und zugleich wird eine wieder amtsangemessene Alimentation auch deshalb teuer, weil dann die Gewerkschaften nicht zuletzt hinsichtlich der angestellten Lehrkräfte eine deutliche Erhöhung der Tariflöhne fordern werden und weil sich auch hier nach und nach eine weitergehende Angleichung vollziehen wird. Auch deshalb versucht der Gesetzgeber nicht nur in Sachsen, die Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation solange, wie scheinbar möglich, hinauszuzögern. Nach der anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgericht wird sich anhand der Begründung begründet einschätzen lassen, ob es in der übernächsten Entscheidung ggf. schon um eine Vollstreckungsanordnung gehen wird.
wossen:
Egal, wie hoch die Besoldungsanpassungen der verbeamteten Lehrer ausfallen werden, es wird zu keinerlei finanziellen Vorteilen dadurch für tarifbeschäftigte Lehrer kommen (die ja in Sachsen häufig in Führungspositionen sind, aufgrund der erst kürzlichen Einführung der Verbeamtung).
Das Totschlagargument lautet, die TdL gestattet das nicht.....(hat man doch alles schon bei der Wiedereinführung der Verbeamtung mit der völlig unzureichenden Kompensation durchgespielt), '
SwenTanortsch:
Ich glaube da eher an die normative Kraft des Faktischen - sobald die Beamtenbesoldung in Sachsen wieder ein das Leistungsprinzip hinreichend beachtendes Niveau erreichen wird, sodass also wieder eine amtsangemessene Alimentation gewährt werden wird, werden die Gewerkschaften mit schlüssigen Argumenten auf eine ebenfalls deutliche Erhöhung der Tarifentlohnung dringen. Diese wird dann auch in Sachsen nach und nach kommen - oder auch Sachsen würde insbesondere hinsichtlich seiner Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis eine deutliche Abwanderung erfahren. Denn da mindestens in den nächsten zehn Jahren ein massiver Lehrkräftemangel gegeben sein wird, wird der Konkurrenzföderalismus zukünftig seine Wirkung ganz anders zeitigen als in der Vergangenheit. Nicht umsonst hat Bayern bereits angekündigt, Lehrkräfte aus anderen Bundesländern abzuwerben. Flexible Lehrkräfte werden kaum in Sachsen ihr Lohndasein als schlecht bezahlte Angestellte fristen, wenn ihnen deutlich bessere Bedingungen in anderen Bundesländern geboten werden.
Was wir alle weiterhin zu wenig auf dem Schirm haben, ist, dass der demographische Wandel unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit wiederkehrend ins Leere laufen lässt oder laufen lassen wird. Denn die Marktmacht der Beschäftigten dreht sich in vielen Branchen und Sektoren mehr und mehr zu ihren Gunsten - auch das haben die öffentlichen Arbeitgeber und Dienstherrn offensichtlich vielfach noch nicht ganz so auf dem Schirm, weshalb sie wiederkehrend meinen, mit erfreulichen, jedoch auf's Ganze gesehen weitgehend nutzlosen Bonbons wie Dienstfahrrädern oder Jobtickets den immer mehr Gestalt annehmenden Fachkräftemangel aufhalten zu können. Auch darin zeigt sich der verträumte Gehalt der in meinen vorherigen Beiträgen Genannten. Denn dort glaubt man offensichtlich, dass alles immer so schön weitergehe wie bisher, ohne dass die Krisenhaftigkeit der Zeitentwicklungen hinreichend in den Blick genommen wird. Würde man die Krisenhaftigkeit der Zeit auch in Sachsen hinreichend in den Blick nehmen, würde man die paar hunderte Millionen heute gerne in die Hand nehmen, um den Öffentlichen Dienst nun krisenfester zu machen, als zu versuchen, mit den Problemenbewältigungsstrategien der 2010er Jahren - vor allem die Schuldenbremse - die tatsächlichen Probleme der 2020er und 2030er Jahre in den Griff zu bekommen. Denn auch in den 2020er und 2030er Jahren wird die Staatsverschuldung als ein dauerhaftes Problem moderner Staatlichkeit nicht verschwunden sein und verschwinden - aber der demographische Wandel verbunden mit den aus dem Klimawandel folgenden Problemen wird ganz andere Herausforderungen mit sich bringen, als dass die Lösungsstrategien der 2000er und 2010er Jahren noch viel Erfolgschancen mit sich bringen werden, um die anstehenden Probleme zu lösen. Wer sich in den nächsten Jahren auch im Öffentlichen Sektor nun möglichst viele gut qualifizierte Nachwuchskräfte sichert, dürfte in den nächsten rund zwei Jahrzehnten - wenn der Fachkräftemangel nicht zuletzt im Öffentlichen Dienst mehr und mehr durchschlagen wird - deutlich besser aufgestellt sein als der Dinosaurier von nebenan. Olaf Scholz kann hinsichtlich von Pflegekräften noch x-mal gen Südamerika reisen - qualifizierte Juristen, Polizisten, Verwaltungsfachleute und Lehrkräfte, die zugleich die Voraussetzungen mitbringen, um in Deutschland verbeamtet zu werden, wird er da eher nicht finden. Denn auch die wachsen nicht im Regenwald.
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