Das sind jetzt mehrere Fragen, BlauesBlau - und ich versuche, sie mal für meine Verhältnisse möglichst kurz zu beantworten.
In der bundesverfassungsgerichtlichen Besoldungsrechtsprechung muss man zwischen materiellen und indiziellen Bedingungen unterscheiden: Die
materiellen Bedingungen umfassen am Ende die vom Dienstherrn gewährte
Netto-Alimentation; sie beschreiben als Ganze die dem Beamten real vom Dienstherrn gewährte Zuwendung, entsprechend hebt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung hervor: "Bezugspunkt ist das Gehalt als Ganzes" (Rn. 73). Die
indiziellen Bedingungen beschreiben hingegen das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Prüfprogramm, mit dem also geprüft werden kann und soll, ob eine gewährte Alimentation verfassungskonform ist oder nicht. Diese Prüfung erfolgt anhand von
Bruttobestandteilen der Besoldungsordnung. Die materielle und die indizielle Dimension sind in der Betrachtung von Besoldungsgesetzen streng zu trennen: "Die Parameter [der ersten Prüfungsstufe, also der
indizielle Gehalt der Prüfung; S.T.] sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (Rn. 30)
Die 10 % Abstand, die im Zeitraum von zehn Jahren zu betrachten sind, sind Teil des Prüfprogramms, also Teil des vierten Prüfparameter und stellen insofern eine
indizielle Bedingung dar. Ist der Abstand zwischen zwei Besoldungsgruppen innerhalb von fünf Jahren um mehr als 10 % verringert worden, so liegt ein Indiz für eine verfassungswidrige Alimentation vor; wieso genau dieser Wert und jener Zeitraum zur
Prüfung herangezogen worden ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht weiter begründet (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05. Mai 2015- 2 BvL 17/09 -, Rn. 112). Da also der Wert und Zeitraum "nur" ein
Indiz für eine verfassungswidrige Alimentation im Rahmen der ersten Prüfungsstufe darstellt, folgt daraus, dass es dem Besoldungsgesetzgeber
materiell durchaus gestattet ist, die Abstände zwischen Besoldungsgruppen in jedem Zeitraum auch unterhalb von fünf Jahren um deutlich mehr als 10 % zu verringern - solange er am Ende
materiell allen Amtsträgern eine ihrem Amt angemessene Alimentation gewährt, soll heißen: Es ist ihm gestattet eine Ämterneubewertung bis hin zu einer völligen Neustrukturierung des Besoldungsgefüges vorzunehmen. Entscheiden ist dabei allerdings, dass er das sachlich begründet, es muss also ein sachlicher Grund gegeben sein (und Personalkosteneinsparungen stellen keinen bzw. nur einen innerhalb eines gleichheitsgerecht vollzogenen Einsparungsrahmens innerhalb einer Zeit der Haushaltskonsolidierung dar, der entsprechend begründet ist). Dabei hat er insbesondere zu beachten, dass die vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Mindestalimentation als der absolut niedrigste
materielle Nettobetrag einer eventuell verfassungskonformen Alimentation bei der Besoldung des am niedrigsten besoldeten Beamten der Besoldungsordnung A nicht unterschritten wird. Der "Mindestabstand wird unterschritten, wenn die Nettoalimentation (unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds) um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt" (Rn. 47).
Nun gehen wir mal der Einfachheit halber davon aus, dass der Gesetzgeber jenem Beamten die Mindestalimentation gewährt und dass dies diesbezüglich zu einem verfassungskonformen Ausgangspunkt führt (was nicht der Fall sein muss, denn auch die Gewährung einer Nettoalimentation genau auf Höhe der Mindestalimentation muss nicht zu einer amtsangemessenen Alimentation führen; aber das ist jetzt ein anderes Thema). Nun kann der Gesetzgeber von diesem Ausgangspunkt aus die Besoldungssystematik unter Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums neu strukturieren; er hat dabei allerdings entsprechend unter anderem die Ämterwertigkeit zu beachten: "Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die „amts“-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung" (Rn. 43).
Insofern gehe ich davon aus, dass die Besoldungsgesetzgeber, wenn sie sich gezwungen sehen, die Mindestalimentation entsprechend meinen letzten Ausführungen anzuerkennen (und also auch die jeweils durchzuführende Prüfung der Mindestbesoldung als -
indizellen - Teil des vierten Prüfparameters durchführen), nun die von ihnen in fast allen Besoldungsrechtskreisen in den letzten 15 Jahren verstümmelte Besoldungsordnung A neubewerten werden: Denn durch die in vielen Fällen Verstümmelung (eine solche liegt m.E. vor, sofern untere Besoldungsgruppen ohne hinreichende sachliche Begründung ersatzlos gestrichen worden sind, also i.d.R. um den Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation zu verringern) der Besoldungsordnung A wird in dem Moment, wo die Besoldungsgesetzgeber eine nun wieder amtsangemessene Alimentation in der untersten Besoldungsgruppe gewähren, dieses Unterfangen deutlich teurer, als wenn sie in der Vergangenheit die bestehenden Besoldungsgruppen nicht angetastet hätten.
Nehmen wir hier das Extrembeispiel Baden-Württemberg: Durch die Dienstrechtsreform vom 09.11.2010 ist zum 01.01.2011 der einfache Dienst entfallen und wurden die Beamten der Besoldungsgruppen A 2 bis A 4 in die Besoldungsgruppe A 5 übergeleitet. Durch das nun geplante "Vier-Säulen-Modell" soll am Ende die Besoldungsgruppe A 7 zur niedrigsten werden - unabhängig davon, dass damit Beamte ohne entsprechende Qualifikation bis zu fünf Besoldungsgruppen nach oben geklettert sind (was ihnen von meiner Seite gegönnt sein soll, juristisch aber ohne hinreichende Begründung zweifelhaft ist), wird so am Ende - davon ist auszugehen - zunächst einmal nicht mehr die Ämterwertigkeit beachtet worden sein, was sich als verfassungswidrig heraustellen dürfte. Zugleich wird das Bundesverfassungsgericht dann zukünftig prüfen - sofern es entsprechend angerufen werden wird -, ob diese Ämterwertigkeit zukünftig wieder hergestellt werden wird, also Begründungen für die dann entweder weiterhin oder neuen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen im Sinne der Ämterwertigkeit erwarten. Solche Begründungen dürften aber - so vermute ich - schwerfallen, wenn nun in der Besoldungsgruppe A 7 Beamte mit völlig unterschiedlichen Schul-, Ausbildungs- und bisherigen Dienstqualifikationen gänzlich gleichwertig besoldet werden.
Entsprechend sollten sich die Dienstherrn gezwungen sehen, sofern sie zu einer verfassungskonformen Alimentationspraxis zurückkehren wollten, eine sachgerechte Ämterneubewertung und darin eine Neustrukturierung der Besoldungsordnung(en) vorzunehmen - vermutlich werden sie dabei versuchen, um weiterhin (nun ggf. noch verfassungskonform) Personalkosten einzusparen, die Abstände zwischen den verschiedenen Besoldungsgruppen möglichst so gering zu halten, dass damit eben weniger Kosten anfallen. Eventuell werden dabei (das ist ebenfalls nur eine Vermutung) auch Veränderungen in den bzw. innerhalb der Laufbahngruppen vorgenommen werden - egal allerdings, wie die Besoldungsgesetzgeber dann vorgehen (wollen), wollen sie eine wieder verfassungskonforme Besoldungssystematik entwickeln und darin die Personalkosten noch verfassungskonform gering halten, werden sie gehörigen Gehirnschmalz aufwenden müssen, um zu einer für sie dann passablen Lösung zu gelangen. Und um ehrlich zu sein: Darauf freue ich mich schon heute diebisch, da ich davon ausgehe, dass ich das mit großer Freude betrachten werde; denn ich gehe davon aus, dass jenem Unterfangen wegen der vielfach sachwidrigen Verstümmelungen wiederkehrend eine nicht zu unterschätzende Komplexität inhärent sein wird; diese haben sich die Besoldungsgesetzgeber selbst zuzuschreiben: Volkstümlich ausgedrückt - sie werden auch diese Suppe auslöffeln müssen, die sie sich selbst eingebrockt haben. Versuchen sich die Gesetzgeber allerdings erneut, sich ohne sachliche Gründe weiterhin in die Büsche zu schlagen, dürfte es zu einem Treppenwitz der Geschichte werden, dass in den Medien Jahr für Jahr berichtet wird, dass Karlsruhe schon wieder dieses und jenes Besoldungsgesetz kassiert hat - denn wie in der Vergangenheit schon geschrieben: Es ist davon auszugehen, dass mit Abschluss der neuen Besoldungsdogmatik im Anschluss Entscheidungen über Vorlagebeschlüsse schneller geschehen werden als bislang. Vielleicht wird es dann ja zu einer Art Volkssport oder man entwickelt eine Lotterie, auf dass man also sonnabends neben der Ziehung der Lottozahlen wetten kann, welches Besoldungsgesetz in dieser Woche als erstes wieder die Karlsruher Zusatzzahl (die heißt heute Superzahl, fällt mir gerade ein) bilden wird. Auch erhalten dann eventuell Finanzminister ab dem fünften oder siebten verfassungswidrigen Besoldungsgesetz innerhalb einer Legislaturperiode den Ehrentitel "Ein echter Karlsruher" mit dem Ehrenrecht verliehen, bei Eintritt in den Ruhestand von der DB einen generellen Freifahrtschein vom Ruhesitz in den Schloßbezirk 3 zu erhalten.
Sofern nun Grundgehaltssätze, die verfassungskonform auf höherem Niveau als zuvor liegen sollten, zukünftig prozentual gegenüber anderen und niedrigeren Grundgehaltssätzen abgesenkt werden würden und das sachgerecht begründet werden würde, würde es keinen Bestandsschutz geben - denn sofern eine Neustrukturierung sachgerecht erfolgt, gibt es keinen Bestand, der geschützt werden müsste. Zugleich sollte insbesondere im Hochschulbereich - also in einem besondere Leistungsmerkmal aufweisenden Bereich des öffentlichen Diensts - eine stärkere Gewichtung von Grundeghältern und leistungsbezogenen Besoldungskomponenten möglich sein als bspw. im mittleren oder gehobenem Dienst, denke ich. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten Entscheidung zur neuen Besoldungsdogmatik einige bemerkenswerte Ausführungen gemacht. Es lohnt sich, als Hochschullehrer diese Entscheidung vom 14.02.2012 - 2 BvL 4/10 - gründlich zu lesen (als Finanzminister übrigens auch):
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2012/02/ls20120214_2bvl000410.html.