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[HH] Angleichungszulage - die ultimative Unverschämtheit
NordWest:
Unter allen Frechheiten, die sich die Besoldungsgeber im Rahmen der amtsunangemessenen Alimentation ausgedacht haben, scheint Hamburg nochmal ganz besonders herausstechen zu wollen.
Hier findet man den aktuellen Besoldungsgesetzentwurf:
https://www.hamburg.de/contentblob/16056286/7b832e33e5964a83f780e304bd7c6c15/data/besoldungs-und-beamtenversorgungsanpassung.pdf
Nachdem Hamburg ausgerechnet hat, die Kriterien für amtsangemessene Alimentation auf Prüfstufe 1 deutlich zu reißen, hat es sich entschieden, dies durch die sogenannte Angleichungszulage auszugleichen, nach der man den Beamten einmal jährlich bis zu einem Drittel eines Monatsgehalts zusätzlich zahlt. Was auf den ersten Blick toll klingt, ist in Wahrheit einer der übelsten Tricks, die mir bislang untergekommen sind:
1. Die Angleichungszulage wird befristet gezahlt, schon 2023 halbiert und 2026 ganz abgeschafft. Hamburg geht davon aus, dass es dann auf die Zulage verzichten kann, weil der dann endende 15-Jahresvergleich des BVerfG keine Verstöße mehr fetstsellen soll - die "schlechten Jahre" fallen dann nämlich aus dem Prüfzeitraum. Eine verfassungsrechtlich gebotetene Besoldung später wieder abzuschaffen, war sicher nicht im Sinne des BVerfG, das wohlweislich eine Spitzausrechnung von vornherein abgelehnt hat. Mit dieser Methodik versucht Hamburg, das Verfassungsrecht zu umgehen. Zu Ende gedacht könnte man die gesamte Besoldung nur noch als Angleichungszulage zahlen und müsste dann nach 15 Jahren gar keine Besoldung mehr zahlen, wenn sich diese Idee durchsetzen würde.
2. Die Angleichungszulage ist nicht ruhegehaltsfähig und erhöht weder die Pension von neu in den Ruhestand eintretenden Beamten, noch die Pension bestehender Versorgungsempfänger, die mittlerweile die Hauptzielgruppe des Schröpfens zu werden scheinen. Hamburg formuliert recht offen, dass das BVerfG in den jüngsten Urteilen nicht ausdrücklich verboten habe, die Versorgung von der Besoldung zu entkoppeln und dass es in früheren Urteilen gewisse Möglichkeiten dafür offengelassen hätte. Man schreibt sogar weiter, dass diese Möglichkeiten von BverfG an ähnliche Einschränkungen für Rentner gekoppelt waren. Berücksichtigt man die aktuellen Rentenerhöhungen, stellt man eher das Gegenteil fest.
Ich halte das für einen echten Skandal, der hier passiert und hoffe, dass die Gewerkschaften und Fachleute das auf dem Schirm haben - diese besorgniserregende Entwicklung darf kein Beispiel für andere Bundesländer werden und muss schnellstmöglich bekämpft werden.
Der Obelix:
Das ist die neue Nordeutsche Besoldungssystematik aus Hamburg, S-H und M-V.
Traurig aber hipp und modern-besoldungsstyle.
Bastel:
Über die 115% kommt man trotzdem nicht. Sie versuchen es halt ::)
sapere aude:
Seite 38:
Um die Einhaltung des Mindestabstands der Beamtenbesoldung zum Grundsicherungsniveau
(zweiter Fall des systeminternen Besoldungsvergleichs) im Jahr 2022 zu erfüllen, wird der Se-
nat der Bürgerschaft zeitnah einen Gesetzentwurf mit strukturellen Verbesserungen der Ali-
mentierung von Beamtenfamilien mit Kindern vorlegen (siehe oben unter A. 2. a. aa. ddd. (2)).
Der Gesetzentwurf klärt damit das eigentliche Problem nicht. Unklar bleibt auch was vor 2022 passiert.
SwenTanortsch:
Ein frohgemutes Helau und Alaaf nach Hamburg, wo der Karnevalsverein sich ja seit Jahr und Tag nicht nur auf den Fußball erstreckt (und damit ist bekanntlich nicht Pauli gemeint). Geht man die Berechnung der gewährten Netto- und der Mindestalimentation durch, findet man den mittlerweile Regelfall in den Besoldungsrechtskreisen: eine jeweils sachwidrige Berechnung, nämlich im Einzelnen (zurzeit habe ich hier meine Unterlagen nicht vor Ort, sodass ich sie zum Teil nicht konkret präzisieren kann):
Auf S. 18 der Begründung wird zurecht darauf verwiesen, dass das aktuelle 95 %-Perzentil des BfA für Hamburg verzerrt wird durch die Erfassung und Leistungsgewährung bei der Unterbringung unter anderem in Sammelunterkünften, weshalb hierauf nicht zurückgegriffen werden kann. Das VG Hamburg, Beschluss vom 29.09.2020 - 20 K 7506/17 - 84 ff. i.V.m. Rn. 96; Hervorhebung durch mich hat deshalb eine bereinigte Berechnung bei der BfA angefordert, die für das Jahr 2019 als kalte monatliche Unterkunftskosten 1.050,- € auswies; zugleich hat das VG darauf hingewiesen: "Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Mietkosten nicht anhand der von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration erlassenen Fachanweisungen Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II zu ermitteln. Denn die Beklagte hat nicht dargelegt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass anhand der in der Fachanweisung festgesetzten Höchstbeträge, die im Vergleich zu den von der Bundesagentur für Arbeit ermittelten Werten (95 %-Perzentil) niedriger sind, das Ziel der Vergleichsbetrachtung, dass die Nettoalimentation in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau wahrt (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O., Rn. 52), erreicht wird."
Die Landesregierung vollzieht nun die Berechnung erneut "unter Heranziehung der Fachanweisung Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II der Sozialbehörde Hamburg" (S. 18) und kommt für 2022 zu kalten monatlichen Unterkunftskosten von 999,90 € (Anlage B 17). Offensichtlich geht der Senat also davon aus, dass sich die entsprechenden Kosten von 2019 nach 2022 rund 4,8 % veringert haben. In der Realität dürften die Unterkunftskosten um monatlich rund 100,- € zu niedrig angesetzt sein.
Zugleich wird hinsichtlich der gewährten Nettoalimentation eine Amtszulage von monatlich 76,10 € ins Feld geführt, die jedoch offensichtlich nicht allen Besoldungsempfängern der untersten Besoldungsgruppe gewährt wird, hier könnte deshalb allenfalls die allgemeine Stellenzulage in Höhe von monatlich 22,73 € herangezogen werden. Auch wird der monatliche PKV-Beitrag mit 589,87 € zu niedrig angesetzt (Anlage B 17), er beträgt nach der entsprechenden Mitteilung des PKV-Verbands für das Jahr 2021 633,70 €. Die gewährte Nettoalimentation wird also monatlich um mindestens rund 80,- € zu hoch angesetzt.
Trotz der sachwidrigen Berechnung kommt der Entwurf für das Jahr 2022 zu einem Netto-Fehlbetrag von 5.714,81 € (ebd.), der also in der Realität noch einmal deutlich höher liegt (nämlich um mindestens mehr als 2.000,- €). Eine amtsangemessene Alimentation wird allerdings durch den Entwurf weiterhin nicht angestrebt, entsprechend heißt es auf der S. 38: "Um die Einhaltung des Mindestabstands der Beamtenbesoldung zum Grundsicherungsniveau (zweiter Fall des systeminternen Besoldungsvergleichs) im Jahr 2022 zu erfüllen, wird der Senat der Bürgerschaft zeitnah einen Gesetzentwurf mit strukturellen Verbesserungen der Alimentierung von Beamtenfamilien mit Kindern vorlegen".
Ob die HSV-Fans, wenn der Verein irgendwann im nächsten Jahrzehnt mal für eine Saison aufsteigt, "Nie mehr Zweite Liga" singen werden, sei dahingestellt - Fußballfans dürften weit überwiegend keine Beamten sein, weshalb sie es wohl singen werden. Und Beamte singen während des Diensts eher nicht, aber der Senat ist bestimmt der Sangeskunst mehr zugetan als der Rechenkunst.
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