Autor Thema: Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?  (Read 2638 times)

MoinMoin

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Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« am: 20.12.2022 07:24 »
Wenn jemand nach einer dreijährigen Elternzeit wieder anfängt zu arbeiten, ist dann der AG verpflichtet eine Arbeitsstelle mit einem Tätigkeitszuschnitt bereitzustellen, der der alten EG entspricht?
Oder kann der AG ein neues Tätigkeitsspektrum anbieten, welche eine Herabgruppierung zur Folge hätte, mit der einfachen Begründung er hätte keine andere "Stelle"/Tätigkeiten frei?

Gibt es da Unterschiede zwischen den Tarifsystemen (TV-L/ TVöD Bund/ Kommune?)
Muss der AG einen Nachweis erbringen, dass er keinen Tätigkeitszuschnitt hat, der zur alten EG führt?
Falls ja, auch bevor man klagt?

Was muss der AN beachten, damit er nicht herabgruppiert wird?

SVAbackagain

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #1 am: 20.12.2022 07:35 »
Durch die Elternzeit ändert sich ja nichts. Der Beschäftigte hat unverändert die auszuübende Tätigkeit, die er vorher auch schon hatte. Eine eingruppierungsrelevante Tätigkeitsänderung kann nur einvernehmlich geschehen.

MoinMoin

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #2 am: 20.12.2022 08:09 »
Soweit so klar.

Wenn der AG einem nach der Elternzeit andere Tätigkeiten zuweist, mit der Begründung, die alten Tätigkeiten existieren nicht mehr?
Und wenn diese Änderung zu einer Herabgruppierung führen, dann muss/kann der AN was machen?
Diese neuen Tätigkeiten ablehnen, mit dem Verweis, er stimmt dieser eingruppierungsrelevanten Tätigkeitsänderung nicht zu?

Wenn der AG behauptet er habe keine Tätigkeiten, die zur alten EG führen,
dann muss der AG eine Änderungskündigung machen, oder?

Und AN müsste dagegen klagen, um feststellen zu lassen, ob die Kündigung wirksam ist, korrekt?
Dann kann es einerseits stimmen, dass es keine Tätigkeiten mehr gibt und die (betriebsbedingte?) Kündigung ist wirksam.
Oder die Kündigung ist nicht wirksam, da ein entsprechender Tätigkeitszuschnitt existierte und man nur solche dem AN nach der Elternzeit hätte zuweisen dürfen.

Also muss man zunächst den AG darauf verweisen, dass man diesen Tätigkeiten nicht zustimmt und verlangen Tätigkeiten zugewiesen zu bekommen, die zur alten EG führen, richtig?

SVAbackagain

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #3 am: 20.12.2022 08:22 »
Eine eingruppierungsrelevante Tätigkeitsänderung ist eine Vertragsänderung und kann nur einvernehmlich erfolgen. Lehnt der Arbeitnehmer ab, kommt die Vertragsänderung nicht zustande. Der Arbeitgeber kann durchaus eine Änderungskündigung aussprechen. Die wäre aber betriebsbedingt und müsste gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgen, der sich aus der Sozialauswahl ergäbe, um überhaupt die Aussicht zu haben, vor Gericht Bestand zu haben.

MoinMoin

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #4 am: 20.12.2022 09:21 »
Eine eingruppierungsrelevante Tätigkeitsänderung ist eine Vertragsänderung und kann nur einvernehmlich erfolgen. Lehnt der Arbeitnehmer ab, kommt die Vertragsänderung nicht zustande.
Also bekommt der AN gesagt, dass er neue Tätigkeiten hat, AN und AG sind einvernehmlich der Meinung, dass diese zu einer anderen EG führen und der AN lehnt ab diese Tätigkeiten auszuüben.
Der AG verweist aber darauf, dass er keine anderen Tätigkeiten hat.
Was passiert, wenn der AN diese Tätigkeiten schriftlich als auszuübenden Tätigkeiten ablehnt,
sie dennoch ausübt, da er sonst nichts zu tun hätte. Kann das als Annahme uminterpretiert werden?

Wenn dann der AG nur die niedrigere EG auszahlt, dann muss man sein Entgelt einklagen, weil ja die ausgeübten Tätigkeiten nichts mit den auszuübenden zu tun hat und man faktisch noch die alten Tätigkeiten (vor Elternzeit) als auszuübenden Tätigkeiten hat (egal was man tatsächlich an Tätigkeiten ausübt), korrekt?

SVAbackagain

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #5 am: 20.12.2022 09:24 »
Von einem widersprüchlichen Verhalten ist dringend abzuraten. Der Anspruch auf angemessene Beschäftigung ließe sich auch im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchsetzen.

Tagelöhner

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #6 am: 20.12.2022 17:29 »
Was spricht denn dagegen, dem Arbeitgeber gegenüber zu erklären, dass die neuen Tätigkeiten unter dem Vorbehalt ausgeübt werden, dass diese sich nicht negativ auf die Eingruppierung auswirken. Damit sollte doch klar sein, dass man den Weisungen des Arbeitgebers folge leistet, aber zugleich kann demjenigen nach ein paar Jahren des Stillschweigens und der Ausübung der geringerwertigen Tätigkeiten keine implizite Zustimmung zur Tätigkeitsänderung unterstellt werden.

Wenn der Arbeitgeber gerne tarifwidrig zu Gunsten des Arbeitnehmers handelt, werden ja streng genommen "lediglich" Steuermittel veruntreut. Ein reines Arbeitgeberproblem also.

SVAbackagain

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #7 am: 20.12.2022 17:38 »
Entweder man folgt einer Anweisung, dann handelt es sich aber nicht um eine eingruppierungsrelevante Tätigkeitsänderung, denn die kann der Arbeitgeber nicht anweisen, oder man ändert den Vertrag. Handelt es sich um eine eingruppierungsrelevante Tätigkeitsänderung und stimmt man ihr zu, ändert sich die Eingruppierung. Entweder oder, ein bisschen schwanger geht auch nicht.

MoinMoin

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #8 am: 20.12.2022 17:48 »
Was spricht denn dagegen, dem Arbeitgeber gegenüber zu erklären, dass die neuen Tätigkeiten unter dem Vorbehalt ausgeübt werden, dass diese sich nicht negativ auf die Eingruppierung auswirken.

Das funktioniert doch nicht, wenn der AG sich schon die Rechtsmeinung gebildet und verkündet hat, dass er der Meinung ist, dass die Tätigkeiten eine EG niedriger sind.
Dann kann man doch nur sagen, ich gehe davon aus, dass es keine EG niedriger ist und führe von daher diese Aufgaben durch und muss dann das Entgelt einklagen.
Wenn dann sich herausstellt, dass der AG Recht hatte, kann man dann rückwirkend dieser Übertragung nicht zustimmen?

Entweder man folgt einer Anweisung, dann handelt es sich aber nicht um eine eingruppierungsrelevante Tätigkeitsänderung, denn die kann der Arbeitgeber nicht anweisen, oder man ändert den Vertrag. Handelt es sich um eine eingruppierungsrelevante Tätigkeitsänderung und stimmt man ihr zu, ändert sich die Eingruppierung. Entweder oder, ein bisschen schwanger geht auch nicht.
Aber doch nur wenn es ein rechtssicher Feststellung darüber gibt, welche Eingruppierung es ist.
Und die kann doch nur durch ein Gericht erfolgen? Oder?

und wie verfährt man solange man nicht weiß, ob es EG relevant ist oder nicht?

Also wenn der AG einem neue Tätigkeiten (die ein Änderung der EG zur Folge hat) zuweist, AN und AG sich irren und glauben es ist weiterhin die gleichen EG, dann ist es doch keine einvernehmliche Vertragsänderung, oder?

SVAbackagain

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #9 am: 20.12.2022 17:56 »
Doch, das wäre eine wirksame Vertragsänderung. Möglicherweise wäre eine Anfechtung wegen Irrtums möglich, aber auch nur dann, wenn man einen solchen glaubhaft machen kann. Das ist aber hier ja gerade nicht der Fall.

Tagelöhner

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #10 am: 20.12.2022 18:10 »
Dann konstruieren wir mal einen fiktiven Fall:

Arbeitnehmer A hat jahrelang eine Funktion in der mittleren Führungsebene und wir nehmen an, er war auch korrekt in EG X eingruppiert.
Arbeitnehmer A fällt in Ungnade, weil seinen Führungskräften und was noch so darüber als Wasserkopf existiert plötzlich seine Visage nicht mehr gefällt und er wird daher auf die Strafbank gesetzt. Ihm wird die Funktion in der mittleren Führungsebene also entzogen und ihm wird ein Sachbearbeiterposten zugewiesen. Durch geänderte Zeitanteile von Tätigkeiten, veränderte Verantwortlichkeiten und den Wegfall von Befugnissen, ist schwer davon auszugehen, dass die neuen ausgeübten Tätigkeiten nur noch zu einer tatsächliche Eingruppierung EG X-1 oder EG X-2 führen könnten.

Wie soll derjenige zur Wahrung seiner Interessen jetzt bestmöglich damit umgehen, wenn er sich mit der neuen Situation arrangieren kann, und keinen Gefallen daran findet, sich mit dem Arbeitgeber in einen Rechtsstreit zu begeben und der Arbeitgeber ihm auch die übertarifliche Bezahlung zukommen lässt?

MoinMoin

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #11 am: 20.12.2022 18:11 »
Doch, das wäre eine wirksame Vertragsänderung. Möglicherweise wäre eine Anfechtung wegen Irrtums möglich, aber auch nur dann, wenn man einen solchen glaubhaft machen kann. Das ist aber hier ja gerade nicht der Fall.
Und bei dem Fall:
Also wenn der AG einem neue Tätigkeiten (die ein Änderung der EG zur Folge hat) zuweist, AN und AG sich irren und glauben es ist weiterhin die gleichen EG, dann ist es doch keine einvernehmliche Vertragsänderung?

SVAbackagain

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #12 am: 20.12.2022 18:16 »
Dann konstruieren wir mal einen fiktiven Fall:

Arbeitnehmer A hat jahrelang eine Funktion in der mittleren Führungsebene und wir nehmen an, er war auch korrekt in EG X eingruppiert.
Arbeitnehmer A fällt in Ungnade, weil seinen Führungskräften und was noch so darüber als Wasserkopf existiert plötzlich seine Visage nicht mehr gefällt und er wird daher auf die Strafbank gesetzt. Ihm wird die Funktion in der mittleren Führungsebene also entzogen und ihm wird ein Sachbearbeiterposten zugewiesen. Durch geänderte Zeitanteile von Tätigkeiten, veränderte Verantwortlichkeiten und den Wegfall von Befugnissen, ist schwer davon auszugehen, dass die neuen Tätigkeiten nur noch zu einer tatsächliche Eingruppierung EG X-1 oder EG X-2 führen könnten.

Wie soll derjenige jetzt damit umgehen, wenn er sich mit der neuen Situation arrangieren kann, und keinen Gefallen daran findet, sich mit dem Arbeitgeber in einen Rechtsstreit zu begeben?

Die neue Situation wäre ja, dass der Arbeitgeber jederzeit seinen Eingruppierungsirrtum korrigieren kann. Wenn man sich unbedingt der Gnade eines Arbeitgebers ausliefern möchte, bei dem man ohnehin in Ungnade gefallen ist und der vielleicht demnächst die Eigenkündigung des Arbeitnehmers herbeiführen möchte, sollte man explizit oder implizit zustimmen. Wenn man hingegen schlau ist, lässt man das besser.

SVAbackagain

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #13 am: 20.12.2022 18:17 »
Doch, das wäre eine wirksame Vertragsänderung. Möglicherweise wäre eine Anfechtung wegen Irrtums möglich, aber auch nur dann, wenn man einen solchen glaubhaft machen kann. Das ist aber hier ja gerade nicht der Fall.
Und bei dem Fall:
Also wenn der AG einem neue Tätigkeiten (die ein Änderung der EG zur Folge hat) zuweist, AN und AG sich irren und glauben es ist weiterhin die gleichen EG, dann ist es doch keine einvernehmliche Vertragsänderung?

Dann könnte eine Anfechtung wegen Irrtums ggfs. Aussicht auf Erfolg haben.

MoinMoin

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Antw:Nach Elternzeit Herabgruppierung möglich?
« Antwort #14 am: 20.12.2022 18:18 »
Dann konstruieren wir mal einen fiktiven Fall:

Arbeitnehmer A hat jahrelang eine Funktion in der mittleren Führungsebene und wir nehmen an, er war auch korrekt in EG X eingruppiert.
Arbeitnehmer A fällt in Ungnade, weil seinen Führungskräften und was noch so darüber als Wasserkopf existiert plötzlich seine Visage nicht mehr gefällt und er wird daher auf die Strafbank gesetzt. Ihm wird die Funktion in der mittleren Führungsebene also entzogen und ihm wird ein Sachbearbeiterposten zugewiesen. Durch geänderte Zeitanteile von Tätigkeiten, veränderte Verantwortlichkeiten und den Wegfall von Befugnissen, ist schwer davon auszugehen, dass die neuen Tätigkeiten nur noch zu einer tatsächliche Eingruppierung EG X-1 oder EG X-2 führen könnten.

Wie soll derjenige jetzt damit umgehen, wenn er sich mit der neuen Situation arrangieren kann, und keinen Gefallen daran findet, sich mit dem Arbeitgeber in einen Rechtsstreit zu begeben?

Da konstruiere ich doch gleich noch was hintennach:
AG weist dem A neue Tätigkeiten zu, die zu einer EG X-1 führen, bezahlt ihn aber weiter mit dem höheren Entgelt und nach 6 Monaten besinnt er sich seines Eingruppierungsirrtums und überweist das korrekte Entgelt und holt sich das zu viel Gezahlte zurück.

Dann kann A dieser Herabgruppierung nur noch wegen Irrtums anfechten, korrekt?
Und darf ab sofort nicht mehr die Tätigkeiten ausüben.