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Urteile bei Entfristung, wenn Sachgrund "falsch", "nicht eingehalten" ...?
carriegross:
--- Zitat von: Opa am 17.03.2023 08:09 ---Ja, damit hast du recht. Ich hatte durch den Einwand von Casa den Befristungsgrund „Haushaltsmittel“ im Vordergrund der Betrachtung und dabei übersehen, dass der TE sich zum Befristungsgrund überhaupt nicht eingelassen hatte.
Dennoch beantwortet der Verweis auf die Entscheidung zumindest den Teil der Frage nach einem Urteil, aus dem hervorgeht, dass bei unzulässiger Befristung mit Sachgrund ein unbefristeter Arbeitsvertrag besteht.
--- End quote ---
Danke fur die Klarstellung.
Hast Du evtl. "etwas", Urteile, die auf solche Sachgrundbefristungen mit den Ukraineflüchtigen anzuwenden sind. Z. B. die Sachgrundbefristung einer Freundin läuft in 3 Monaten nach einem Jahr ab. Sie soll wohl eine weitere Sachrgundbefristung mit Verweis auf den Ukrainekrieg erhalten.
Dabei war doch bereits letztes Jahr nicht klar, wie lange das dauern kann, weder im Februar noch im März noch im April noch im Mai ... noch nicht einmal jetzt. Ist dann überhaupt, wenn man gar keine Prognose machen kann und darf, eine Sahrgrundbefristung erlaubt oder müsste man sachgrundlos befristen? Lt. aktueller Prognose werden mind. weitere 400000 Ukrainer in 2023 erwartet und mind. ein Drittel will in D bleiben. Aber was, wenns in der Ukraine noch schlimmer wird, dann können sich diese Zahlen rapide nach oben korrigieren.
hoschiming:
Definitv interessant. Auch das mit den Sachgrundbefristungen in Bezug auf den Ukrainekrieg. Bei uns in Landkreis wurden auch Dutzende so eingestellt. Lerne auf Schulungen auch immer welche kennen, die bei anderen Landkreisen, Kommunen und sonstigen Behörden mit dieser Sachgrundbefristung eingestellt worden sind.
Da frage ich mich, inwiefern ein AG überhaupt eine entsprechende Prognose und somit Sachgrundbefristung, und dann auch noch einen gekoppelte Sachgrund sozusagen, als Vertragsgrundlage nennen darf.
Keiner kann doch wissen, ob der Krieg nun max. zwei Jahre dauert oder schon vorher beendet ist und wenn der vorher beendet ist, Ukrainer nicht mehr untergebracht und verpflegt werden müssen, darf der AG den sachgrundbefristeten Arbeitsvertrag beenden?! Der AG nimmt sich also die Freiheit heraus und á la Glaskugel werden Verträge mit Sachgrund befristet.
Dabei hätte jeder AG doch auch locker sachgrundlose Befristungen aussprechen können und aus rechtlicher Sicht sicherlich auch mache sollen und müssen.
Ich sehe in einem Jahr und danach viele Befristungskontrollklagen bei den Arbeitsgerichten eingehen. Sicherlich mit Erfolg!
Opa:
--- Zitat von: hoschiming am 17.03.2023 13:39 ---Ich sehe in einem Jahr und danach viele Befristungskontrollklagen bei den Arbeitsgerichten eingehen. Sicherlich mit Erfolg!
--- End quote ---
Das sehe ich etwas gelassener, da im Gegensatz zu der Zeit, aus der das BAG-Urteil ist, heutzutage die Arbeitgeber selbst ein erheblich höheres Interesse hat, die Leute nach der Befristung weiter zu beschäftigen. Zumindest den Teil, der selbständig einigermaßen geradeaus laufen kann.
Casa:
Bei einer Befristung mit Sachgrund muss die Dauer des vorliegenden Grundes nicht absehbar oder gar konkret bestimmbar sein. Das fordert das Gesetz nicht.
Zumindest der TVöD VKA sagt nicht viel zur Befristung mit Sachgrund, außer TzBfG gilt und nicht länger als 5 Jahre.
--- Zitat ---Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
--- End quote ---
https://www.gesetze-im-internet.de/tzbfg/__14.html
Knackpunkt ist erst einmal, dass die Aufzählung unvollständig ist, vgl. "insbesondere."
In Betracht kommen häufig die fett markierten Gründe 1 und 3.
Nr. 1 regelt schon im Wortlaut, dass der Bedarf an Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Bedarf an Arbeitsleistung nicht dauerhaft besteht. Eingrenzen ließe sich das Ganze noch durch die Grenze von 5 Jahren. Dabei weiß aber niemand bei Abschluss des Vertrags, ob in 1, 2, 3 oder 5 Jahren noch ein Bedarf an Arbeitsleistung besteht.
Deutlich wirds in Nr. 2, die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers. Bei Erkrankungen von Arbeitnehmern weiß niemand, ob oder wann die Erkrankung enden wird.
Und in die Zukunft sehen und diese vorhersagen können wir alle nicht.
--- Zitat ---Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis (BAG 5. Juni 2002 - 7 AZR 201/01 - BAGE 101, 257 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 235 = EzA BGB § 620 Nr. 192, zu 2 a der Gründe). Teil des Sachgrunds ist daher eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, weil in der Regel damit zu rechnen ist, dass der Vertretene nach Beendigung der Freistellung oder Erkrankung seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird (BAG 11. Dezember 1991 - 7 AZR 431/90 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 141 = EzA BGB § 620 Nr. 110, zu II 2 a der Gründe).
--- End quote ---
Würde eine zeitliche Abschätzung oder eine konkrete Kenntnis der Dauer der Befristung vorhersehbar sein müssen, würde die Norm für Befristungsdauern von bis zu 2 Jahren inhaltsleer werden. Denn dann würde man für die 2 Jahre schlicht auf eine sachgrundlose Befristung ausweichen. Und das ganz ohne die Gefahr, dass der angedachte Sachgrund eine Befristung überhaupt nicht rechtfertigt und ein Gericht dies später feststellt.
Zudem normiert § 15 Abs. 2 TzBfG, ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.
§ 15 Abs. 2 TzBfG wäre inhaltsleer, wenn die Dauer des Zwecks / Sachgrundes schon vor Abschluss des Vertrags vorliegen würde.
Bei dem Personalmangel im öD würde ich die Zeit zur Qualifizierung nutzen. Insbesondere weil befristet Beschäftigte bevorzugt bei der Besetzung von Dauerarbeitsstellen zu berücksichtigen sind, wenn die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen, § 30 Abs. 2 S. 2 TvöD-VKA.
Irgendwann kann mit den Sachgrundbefristungen freilich auch schluss sein. Nämlich dann, wenn die Befristung rechtsmissbräuchlich ist.
Ausführlich dazu:
https://www.hensche.de/Kettenbefristung_Missbrauch_Kettenbefristung_kann_Missbrauch_sein_Kettenbefristung_BAG_7AZR443-09_Kuecuek.html
Casa:
Bei einer Befristung mit Sachgrund muss die Dauer des vorliegenden Grundes nicht absehbar oder gar konkret bestimmbar sein. Das fordert das Gesetz nicht.
Zumindest der TVöD VKA sagt nicht viel zur Befristung mit Sachgrund, außer TzBfG gilt und nicht länger als 5 Jahre.
--- Zitat ---Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
--- End quote ---
https://www.gesetze-im-internet.de/tzbfg/__14.html
Knackpunkt ist erst einmal, dass die Aufzählung unvollständig ist, vgl. "insbesondere."
In Betracht kommen häufig die fett markierten Gründe 1 und 3.
Nr. 1 regelt schon im Wortlaut, dass der Bedarf an Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Bedarf an Arbeitsleistung nicht dauerhaft besteht. Eingrenzen ließe sich das Ganze noch durch die Grenze von 5 Jahren. Dabei weiß aber niemand bei Abschluss des Vertrags, ob in 1, 2, 3 oder 5 Jahren noch ein Bedarf an Arbeitsleistung besteht.
Deutlich wirds in Nr. 2, die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers. Bei Erkrankungen von Arbeitnehmern weiß niemand, ob oder wann die Erkrankung enden wird.
Und in die Zukunft sehen und diese vorhersagen können wir alle nicht.
--- Zitat ---Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis (BAG 5. Juni 2002 - 7 AZR 201/01 - BAGE 101, 257 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 235 = EzA BGB § 620 Nr. 192, zu 2 a der Gründe). Teil des Sachgrunds ist daher eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, weil in der Regel damit zu rechnen ist, dass der Vertretene nach Beendigung der Freistellung oder Erkrankung seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird (BAG 11. Dezember 1991 - 7 AZR 431/90 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 141 = EzA BGB § 620 Nr. 110, zu II 2 a der Gründe).
--- End quote ---
Würde eine zeitliche Abschätzung oder eine konkrete Kenntnis der Dauer der Befristung vorhersehbar sein müssen, würde die Norm für Befristungsdauern von bis zu 2 Jahren inhaltsleer werden. Denn dann würde man für die 2 Jahre schlicht auf eine sachgrundlose Befristung ausweichen. Und das ganz ohne die Gefahr, dass der angedachte Sachgrund eine Befristung überhaupt nicht rechtfertigt und ein Gericht dies später feststellt.
Zudem normiert § 15 Abs. 2 TzBfG, ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.
§ 15 Abs. 2 TzBfG wäre inhaltsleer, wenn die Dauer des Zwecks / Sachgrundes schon vor Abschluss des Vertrags vorliegen würde.
Bei dem Personalmangel im öD würde ich die Zeit zur Qualifizierung nutzen. Insbesondere weil befristet Beschäftigte bevorzugt bei der Besetzung von Dauerarbeitsstellen zu berücksichtigen sind, wenn die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen, § 30 Abs. 2 S. 2 TvöD-VKA.
Irgendwann kann mit den Sachgrundbefristungen freilich auch schluss sein. Nämlich dann, wenn die Befristung rechtsmissbräuchlich ist.
Ausführlich dazu:
https://www.hensche.de/Kettenbefristung_Missbrauch_Kettenbefristung_kann_Missbrauch_sein_Kettenbefristung_BAG_7AZR443-09_Kuecuek.html
--- Zitat ---Das sehe ich etwas gelassener, da im Gegensatz zu der Zeit, aus der das BAG-Urteil ist, heutzutage die Arbeitgeber selbst ein erheblich höheres Interesse hat, die Leute nach der Befristung weiter zu beschäftigen. Zumindest den Teil, der selbständig einigermaßen geradeaus laufen kann.
--- End quote ---
Jepp. Manchmal können sie auch nur gerade so geradeaus laufen.
Bei manche habe ich Zweifel daran, dass sie sich morgens allein die Schnürsenkel binden.
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