Autor Thema: Abmahnung wegen Teilnahme am internen Vorstellungsgespräch während Krankheit  (Read 3658 times)

ahne

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Hallo,

ich war mehrere Wochen leider arbeitsunfähig.

In dieser Zeit hatte ich ein internes Vorstellungsgespräch. Da dem teilnehmenden Personaler mein Krankenstand bekannt war, fragte er mich explizit, ob ich mich für das Gespräch gesund und nicht irgendwie beeinträchtigt fühle, da ein internes Vorstellungsgespräch Arbeitszeit ist. Ich dachte mir nichts dabei und sagte, dass ich mich nicht eingeschränkt fühle.

Jetzt erhalte ich heute eine Abmahnung, dass ich trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an einem internen Vorstellungsgespräch teilgenommen und somit gearbeitet habe, ich mich also gesund gemeldet habe, nach dem Vorstellungsgespräch aber nicht die normale Arbeit aufgenommen habe.

Für das Vorstellungsgespräch brauchte ich sozusagen nicht das, was ich für die normale Arbeit brauche, um arbeiten zu können.

Die zum Zeitpunkt aktuelle AU-Bescheinigung beinhalteten den Tag der Tage vor, den Tag am und die Tage nach dem Vorstellungsgespräch.

Ist diese Abmahnung rechtens?

Danke.

Gruß

Tagelöhner

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Termin zur Erstberatung bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht vereinbaren und den Fall vortragen.

Der Fall könnte juristisch ja auch so eingestuft werden: Offiziell warst du arbeitsunfähig und hast damit alle Aktivitäten zu unterlassen, die der Genesung negativ entgegenstehen. Wenn das bei der Wahrnehmung eines Vorstellungsgesprächs nicht der Fall ist, weil dein Leiden z.B. rein körperlicher Natur ist (z.B. Schnittverletzung an der Hand) könnte die Abmahnung unwirksam sein.

Thomber

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Natürlich ANWALT befragen!

Aber ich sage:  Nein, natürlich war Abmahnung nicht richtig, denn man darf während AU-Zeit ALLES tun, was sich mit der Krankheit verträgt.   Einkaufen gehen, sogar AU im Ausland (Urlaub) geht (kann Genesung fördern, am Meer z.B.)   Also warum sollte man nicht an einem Gespräch teilnehmen dürfen???

Faunus

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Natürlich ANWALT befragen!

Aber ich sage:  Nein, natürlich war Abmahnung nicht richtig, denn man darf während AU-Zeit ALLES tun, was sich mit der Krankheit verträgt.   Einkaufen gehen, sogar AU im Ausland (Urlaub) geht (kann Genesung fördern, am Meer z.B.)   Also warum sollte man nicht an einem Gespräch teilnehmen dürfen???

Noch mehr so gute Ratschläge, die fast zwangsläufig einen Anwalt für den "kranken" Ma nach sich ziehen oder ist  Deiner Meinung nach die Teilnahme an einem Bewerbungsgespräch förderlich für die Genesung?


@ahne
Bei der bestehenden Abmahnung ist ein Anwalt die bessere Wahl. Kein Forum ist für sowas geeignet, da dort niemand deine individuelle Situation kennt und diese hier auch nicht weiter erörtert werden sollte. Hol Dir Hilfe/Rat/Diskussion in Deinem persönlichen Umfeld.


Thomber

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Zitat
Noch mehr so gute Ratschläge, die fast zwangsläufig einen Anwalt für den "kranken" Ma nach sich ziehen oder ist  Deiner Meinung nach die Teilnahme an einem Bewerbungsgespräch förderlich für die Genesung?

Ich gab 1 Ratschlag:  "Natürlich ANWALT befragen!"   und der ist nicht zu kritisieren!

Das andere war halt meine Meinung auf Grundlage von Lebenserfahrung. 
Natürlich ist die Teilnahme an einem Bewerbungsgespräch ein schöner, positiver Anlass.  Ob das verboten ist, ist ja bisher wohl unklar.  Bin gespannt.

maiklewa

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Noch nie einen dämlicheren Abmahnungsgrund gelesen.

Ob man dann bei diesem AG überhaupt noch arbeiten will?

Mal davon ausgegangen, der TE ist nicht allzu blöd gewesen und hatte eine Krankheit, die physischer oder psychischer Natur war und vllt auch noch ansteckend, dann ist die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch der Genesung ja nicht kontraproduktiv. Wenn da jemand sitzt und Corona hat sicher und wenn jemand einen an der Klatsche hat, sicherlich auch. Bei uns saßen auch schon welche z. B. mit gebrochener Hand, mit der man natürlich auch nicht an einem PC arbeiten kann, die aber nicht daran hindert, ein Gespräch zu führen, das dann schlecht für die Heilung ist.

Da ist der Personaler aber deutlich übers Ziel hinaus, ganz ohne Grund. Dass die so abgesegnet wurde, kann ich mir gar nicht vorstellen!

Mind:

https://openjur.de/u/613111.html

2strong

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Die Handlung muss die Genesung nicht fördern, sie darf ihr lediglich nicht entgegen.

Opa

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Es gibt keinen Grund, wegen dieser höchstwahrscheinlich unwirksamen Abmahnung noch einem Anwalt Geld hinterherzuwerfen. Denn die Abmahnung bleibt ja erstmal folgenlos. Sollte sie zu einem späteren Zeitpunkt wegen einer beabsichtigten verhaltensbedingten Kündigung herbeigezogen werden, kann man dann immer noch einen Anwalt einschalten und hat dann sogar vor Gericht bessere Chancen, weil die Abmahnung die Unfähigkeit des Arbeitgebers hervorragend dokumentiert.

Was ich aber auf jeden Fall machen würde: Eine Gegendarstellung schreiben und zur Personalakte nehmen lassen. Da reichen ein paar kurze Sätze:

„Die gegenüber mir am 12.07.2023 ausgesprochenen Abmahnung wegen <Grund aus der Abmahnung übernehmen> weise ich zurück.
Am Tag des Vorstellungsgesprächs sowie dem darauffolgenden Tag war ich arbeitsunfähig, was ich Ihnen durch Bescheinigung des behandelnden Arztes nachgewiesen habe. Eine Arbeitsunfähigkeit schließt nicht generell aus, dass Tätigkeiten der allgemeinen Lebensführung sowie dringende Termine wie ein Vorstellungsgespräch dennoch wahrgenommen werden. Dies habe ich im Vorfeld am 04.07.2023 mit Herrn XY aus der Personalabteilung telefonisch auch so besprochen. Eine Arbeitsaufnahme nach dem Vorstellungstermin war mir aufgrund der bescheinigten akuten Erkrankung nicht möglich.
Ich erwarte, dass die Abmahnung formell zurückgenommen wird. Andernfalls nehmen Sie bitte diese Gegendarstellung zur Personalakte, wobei ich mir weitere rechtliche Schritte ausdrücklich vorbehalte.

Freundliche Grüße
Hugo Holiday“

Dies ist eine Meinungsäußerung und sollte keinesfalls als Rechtsberatung verstanden werden.

was_guckst_du

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...erstmal ist das natürlich eine ganz "linke Geschichte" seitens des AG...

...ich würde auf jeden Fall gegen die Abmahnung angehen (interessant ist hier auch, dass der AG gegen seine Fürsorgeverpflichtung verstoßen hat, da er - wenn er schon (in meinen Augen lächerliche) Abmahnungstatbestände erfüllt sieht - es unterlässt, vor dem Vorstellungsgespräch darauf hinzuweisen, sondern den Bewerber bewußt ins offenen Messer laufen lässt (also selbst erst für die Erfüllung "seiner" Abmahnungsgründe sorgt)..

...das Ganze ist vollkommen irre und lässt darauf schließen, dass ganz andere Hintergründe vorhanden sind und man jetzt einfach mal "zuschlagen" wollte...

...was sagt eigentlich der Personalrat zu der Geschichte?
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

Opa

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Ergänzung: solltest du in deinem Berufsleben nochmal in eine vergleichbare Situation kommen, sagst du dem Personaler direkt, dass es dir leid tut, den Termin krankheitsbedingt nicht wahrnehmen zu können und bittest darum, das Gespräch um 2 Tage zu verschieben. Das verringert nicht deine Chancen auf die Stelle, spart dir aber den ganzen Ärger.

RsQ

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... n und bittest darum, das Gespräch um 2 Tage zu verschieben. Das verringert nicht deine Chancen auf die Stelle, spart dir aber den ganzen Ärger.
Also in Szenarien, in denen Besetzungsgremien termingebunden zusammenfinden, ist "mal eben zwei Tage später" m. E. keine Option. Und gerade im öD ist das doch so ziemlich Standard?

Opa

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Ganz im Gegenteil. Der Bewerberverfahrensanspruch als grundgesetzlich verankertes Recht wiegt stärker, als eine derart geringfügige Verzögerung des Verfahrens. In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren zu unserem fiktiven Fall müsste der Arbeitgeber schlüssig darlegen, weshalb der Bewerber nicht berücksichtigt wurde. Das kann nur Erfolg haben, wenn die Verzögerung für den Arbeitgeber eine deutliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen bedeutet hätte. Er müsste sich vom Richter vorhalten lassen, dass es ihm zumutbar ist, für solche Fälle noch einen Ausweichtermin in der Woche nach den regulären Vorstellungsgesprächen einzuplanen.

Wir richten teilweise unsere Vorstellungstermine nach dem Urlaub der Kandidaten und wenn jemand aus wichtigem Grund verhindert ist und das vorher auch mitteilt, bekommt er eine Woche später einen neuen Termin. Eine Verlängerung des Auswahlprozesses um bis zu 14 Tage aus solchen Gründen dürfte im Regelfall kein organisatorisches Problem darstellen.

PiA

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Rein formal spinnt sich der Faden wie folgt:

Eine AU ist immer insoweit vorläufig, als dass man bei vorzeitiger Genesung 'eigentlich' wieder arbeiten gehen müsste und das grds. auch darf; es ist also keine "Gesundschreibung" oder ärztliche Aufhebung der AU erforderlich.

Mit der Aufnahme der Arbeit - und den Hinweis, dass der AG die Teilnahme am Gespräch als Aufnahme der Arbeit ansieht, hat der Personaler zumindest indirekt gegeben ("... handelt es sich um Arbeitszeit...") - hat der AN nach Auffassung des AG seine AU beendet.

Stellt man nach der Aufnahme der Arbeit fest, dass man doch noch arbeitsunfähig ist, benötigt man eine neue AU; eine ursprünglich längere, aber "eigenmächtig beendete" AU lebt nicht wieder auf.

Ich schreibe weder, dass ich die Vorgehensweise des AG als klug oder angemessen erachte, noch, dass eine Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg haben kann.

Allerdings stellt sich bei der Anfechtung einer Abmahnung folgendes "Problem":
Eine Abmahnung ist eine (tw. zwingende) Vorstufe zur Kündigung.
Wird auf Grund einer Abmahnung gekündigt, kann man die Rechtmäßigkeit der Abmahnung m.W. ggf. auch noch im Rahmen der Kündigungsschutzklage überprüft werden. War sie nicht rechtmäßig, wird idR. auch die darauf fußende Kündigung als nicht rechtmäßig angesehen (es sei denn, der finale Kündigungsgrund erforderte keine Abmahnung).
Wenn man nun eine Abmahnung anfechtet, das Gericht diese aber bestätigt, hat man faktisch ein Beweissicherungsverfahren zu Gunsten des AG geführt.

Insbesondere wegen möglicher "Eigentore" sowohl durch Tun wie durch Unterlassen ist die Konsultation eines ANWALTS in der Tat ratsam, zumal wir hier nicht "sämtliche Umstände des Einzelfalles" kennen.

carriegross

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Ganz im Gegenteil. Der Bewerberverfahrensanspruch als grundgesetzlich verankertes Recht wiegt stärker, als eine derart geringfügige Verzögerung des Verfahrens. In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren zu unserem fiktiven Fall müsste der Arbeitgeber schlüssig darlegen, weshalb der Bewerber nicht berücksichtigt wurde. Das kann nur Erfolg haben, wenn die Verzögerung für den Arbeitgeber eine deutliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen bedeutet hätte. Er müsste sich vom Richter vorhalten lassen, dass es ihm zumutbar ist, für solche Fälle noch einen Ausweichtermin in der Woche nach den regulären Vorstellungsgesprächen einzuplanen.

Wir richten teilweise unsere Vorstellungstermine nach dem Urlaub der Kandidaten und wenn jemand aus wichtigem Grund verhindert ist und das vorher auch mitteilt, bekommt er eine Woche später einen neuen Termin. Eine Verlängerung des Auswahlprozesses um bis zu 14 Tage aus solchen Gründen dürfte im Regelfall kein organisatorisches Problem darstellen.

Bei uns hat sich intern eine am 28.7. beworben, Bewerbungsfrist läuft am 4.8. ab.

In der Bewerbung gab sie an, dass sie sich in den nächsten drei Wochen im Urlaub befinder und für ein mögliches Vorstellungsgespräch erst danach zur Verfügung steht und darum bittet, dies zu berücksichtigen.

Das sind ganze zwei Wochen nach Bewerbungsfrist. Eigentlich wollten wir in der Folgewoche schon für die übernächste Woche Einladungen versenden.

D. h., wir müssten die Bewerberin in der überübernächsten Woche einladen?

Was könnten denn evtl. Folgen für den AG sein, wenn man der Bewerberin ihren Bewerbungsverfahrensanspruch nicht ermöglicht?

Opa

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@pia: Sehe ich anders aufgrund dieses Zitats:

„ob ich mich für das Gespräch gesund und nicht irgendwie beeinträchtigt fühle, da ein internes Vorstellungsgespräch Arbeitszeit ist.“

Es wurde explizit nach Leistungsfähigkeit für das Gespräch und dessen Dauer gefragt. Ob dieser Zeitraum generell als Arbeitszeit gewertet wird, ist im Sachverhalt unerheblich.

Die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch gehört nicht zu den vertraglich vereinbarten Pflichten des Arbeitnehmers, es wird weder Arbeitsleistung erbracht noch geschuldet. Von einer Aufnahme der Arbeit und damit einhergehender Beendigung der Arbeitsunfähigkeit kann also keine Rede sein.

Wenn der Arbeitgeber also dennoch Arbeitszeit gutschreibt (was er nicht müsste), hat dies eher den Charakter einer bezahlten Freistellung von der Arbeitspflicht. Da eine Freistellung bereits aus anderem Grund, nämlich der Arbeitsunfähigkeit unnötig war, war auch der Hinweis des „Personalers“ obsolet.

Der Hinweis, dass wir nicht den ganzen Sachverhalt kennen ist aber richtig, deshalb ist das hier ja auch keine Rechtsberatung. Wäre nämlich beispielsweise der TE so dämlich gewesen, für das Vorstellungsgespräch die Zeiterfassung mit kommen/gehen oder gar Dienstreise zu betätigen, hätten wir genau den von dir beschriebenen Fall: Eine dokumentierte Beendigung der Arbeitsunfähigkeit mit anschließendem unentschuldigten Fehlen.