Autor Thema: Verfall tariflicher Urlaub bei Langzeiterkrankung  (Read 1501 times)

Claudia Schock

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 1
Folgender Sachverhalt: AN hat Resturlaub aus 2021 von insgesamt 26 Tagen. AN krank vom 14.01.2022 bis 31.12.2022. Laut AG verfällt der tarifl. Mehrurlaub aus 2021 zum 30.09.2022; der gesetzl. Urlaub zum 31.03.2023. Ist dies so rechtens? Denn ein Schreiben mit Hinweis auf Verfall des Resturlaubs aus 2021 bekam AN erst am 11.08.2022.

MaryPoppins

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 49
Antw:Verfall tariflicher Urlaub bei Langzeiterkrankung
« Antwort #1 am: 11.08.2023 13:14 »
Weil sich die jährlich erworbenen Urlaubsansprüche von Arbeitnehmenden, die über mehrere Jahre arbeitsunfähig erkrankt sind, ins Unermessliche addieren würden, legte der EuGH und im Anschluss auch das BAG eine Grenze fest. Danach ist es zulässig und nunmehr gefestigte Rechtsprechung, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch spätestens 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahrs verfällt. Dies gilt auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmenden über diesen Zeitraum hinaus ununterbrochen andauert (BAG v. 18.09.2012, 9 AZR 623/10). Für Fälle der Scheinselbstständigkeit eines Arbeitnehmenden gilt nach Auffassung des EuGH diese Grenze von 15 Monaten nicht.

Bisher ungeklärt war, ob die 15-Monatsfrist bei Langzeiterkrankung oder dauerhafter Arbeitsunfähigkeit auch bei unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers gilt. Das BAG hatte dem EuGH diese Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nunmehr ist klar: Jahresurlaub darf auch bei längerer Krankheit nicht einfach verfallen. Der Europäische Gerichtshof hat die 15-Monatsfrist bei Langzeiterkrankung oder dauerhafter Arbeitsunfähigkeit zwar grundsätzlich bestätigt. Wenn der Arbeitgeber allerdings seine Mitwirkung versäumt, dürfen Urlaubstage in dem Urlaubsjahr, in dem Beschäftigte auch tatsächlich gearbeitet haben und dann erkrankten, nicht verfallen. In Umsetzung dieser Vorgaben hat das BAG seine Rechtsprechung entsprechend angepasst.

Wabi Sabi

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 106
Antw:Verfall tariflicher Urlaub bei Langzeiterkrankung
« Antwort #2 am: 11.08.2023 17:11 »
Vielleicht hilft folgende Fundstelle eher weiter als die vorherige von Haufe.  ;)

In diesem aktuellen Rundschreiben des BMI (zwar zum TVöD Bund, aber grundsätzlich wohl auch auf den Bereich des TV-L übertragbar) wird unter Ziffer 1.2.2 (Seite 4 f.) die aktuelle BAG-Rechtsprechung zu den Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers im Hinblick auf den Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankungen dargestellt. Hier wird auch unterschieden zwischen einer ganzjährigen Arbeitsunfähigkeit und einer zu Beginn des Jahres eintretenden. Hier auch Hinweis auf ein aktuelles Urteil des BAG: BAG v. 31. Januar 2023 – 9 AZR 107/20.

Das BAG kommt im Übrigen auch zu dem Ergebnis, dass sich hinsichtlich der Mitwirkungsobliegenheien des Arbeitgebers und ihren Auswirkungen auf den Verfall von Urlaubsansprüchen im Ergebnis kein Unterschied zwischen gesetzlichem und tariflichen Urlaub ergibt, da es diesbezüglich keine Regelungen im Tarifvertrag gibt.

https://www.bmi.bund.de/RundschreibenDB/DE/2023/RdSchr_20230809.html;jsessionid=2DE4C36CB65F3EF52724029A7F0F1650.2_cid364

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9-azr-107-20/
Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung ungemein!