Autor Thema: Erfahrungen Ausländerbehörde  (Read 3687 times)

Visiteur7643

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Erfahrungen Ausländerbehörde
« am: 24.10.2023 00:12 »
Hallo,

ich studiere aktuell Public Management (BA) und interessiere mich für eine spätere Tätigkeit bei einer Ausländerbehörde. Allerdings habe ich speziell über dieses Amt bisher nur Schlechtes gehört bzw. gelesen, und sogar teilweise gehört, dass es der "Horror" sein soll. Leider konnte ich bisher nicht herausfinden, was genau so schlimm dort sein soll, deswegen wollte ich fragen, ob jemand hier zufällig bei einer Ausländerbehörde arbeitet/gearbeitet hat und eventuell seine Erfahrungen teilen möchte.

Ytsejam

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #1 am: 24.10.2023 07:25 »
Ein Einsatz in einer ABH ist auch damit verbunden, der Realität ins Auge zu schauen, egal welcher politischen Gesinnung man angehört. Extrem linksgrünverschmuste Rotweingürtelstudentierende erfahren erstmalig, dass nicht jeder Ausländer nur Myrrhe, Minze und Salbei im Gepäck hat, und das in einer Anzahl, die er medial bis dato so gar nicht bemerkt haben dürfte.

Der gedanklich weißgeschnürte Springerstiefelglatzkopf, der meint er könne den Ausländern jetzt mal zeigen wo der Hammer hängt, wird, sofern nicht komplett emotional abgestumpft, seine Einstellung überdenken, wenn er im Rahmen einer zwangsweisen Abschiebung weinende Kinder von Familie und Freunden trennen muss, obwohl diese hier geboren und aufgewachsen sind, und nur jahrelang hier blieben, weil eine zeitnahe Beendigung rechtlich geboten, aber politisch nicht gewollt war. Oder wenn regelmäßig intakte, frei von Bürgergeld lebende Familien abgeschoben werden während Clanmitglied x aus seinem Klischee-AMG lachend winkt, nur weil er zeitig genug seinen Pass weggeschmissen hat, fragt man sich vielleicht auch, ob der "Rechtsstaat" wirklich noch so funktional ist wie man gedacht hat.

Unabhängig der persönlichen Einstellung ist aber auch die rechtliche Seite extrem fordernd. Das Ausländerrecht ist m.E. politisch gewollt so komplex formuliert und immer weiter verkompliziert worden, dass man bereits im mD mehr juristisches Knowhow haben muss als ein generalistischer Rechtsanwalt. Im gD hat man es dann ab Eingangsstufe schon mit Fachanwaltsniveau zu tun. Spätestens hier wird man sich auch fragen, ob das mit der amtsangemessenen Besoldung so stimmen kann, wenn man täglich auf diesem Niveau arbeiten muss, gleichzeitig aber auch eine immense Verantwortung trägt für Gesellschaft und Ausländer. Möchte man der sein, der es verschuldet hat, Anis Amri nicht früh genug abzuschieben, obwohl alle Fakten in der Akte auf dem eigenen Bearbeitungsvorratsstapel lagen? Oder andersrum, kann man mit dem "Suizid" eines Abgeschobenen umgehen, der scheinbar dann doch politisch verfolgt war, das nur hier nicht richtig durchsetzen konnte?

Fazit: Man kann sein Geld auch weitaus einfacher verdienen, ein bisschen Social Media oder irgendwas mit Umwelt sind zur Zeit der Renner und werden im Vergleich zur Ausländerbehörde fürstlich entlohnt, obwohl man eigentlich nichts falsch machen kann und kaum Verantwortung trägt. Man muss da schon ein Typ für sein.

was_guckst_du

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #2 am: 24.10.2023 07:40 »
...hätte ich so nicht besser beschreiben können, was es heisst, bei einer Ausländerbehörde tätig zu sein..

...ich selbst war über 10 Jahre (im A9-A11 Bereich) dort tätig...rückblickend kann ich sagen, dass dies die interessanteste und abwechslungsreichste, aber auch fordernste Tätigkeit in meiner bisherigen Dienstzeit war...obwohl immer viel zu tun, hat die Arbeit Spass gemacht (das ist aber immer abhängig davon, ob das Team - auch zwischenmenschlich - funktioniert)...


Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

Visiteur7643

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #3 am: 24.10.2023 14:36 »
Danke für die Antworten.

Würdet ihr eher die Bundesebene (BAMF) oder die Kommunalebene empfehlen? Irgendwie hört sich das BAMF für mich einfach noch einmal interessanter an.

was_guckst_du

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #4 am: 24.10.2023 14:43 »
...Ausländerbehörde (gibt es nur auf kommunaler Ebene) und BAMF (Bund) sind völlig verschiedene Behörden und unterscheiden sich in ihrer Tätigkeit komplett...
Gruß aus "Tief im Westen"

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Herbert Meyer

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #5 am: 24.10.2023 16:42 »
Ich vermute, dass die Arbeit auch sehr von der Kommune abhängig ist. In unserer migrantisch geprägten Großstadt gehört die Tätigkeit dort auf jeden Fall zu den weniger beliebten Einsatzmöglichkeiten im Öffentlichen Dienst. Nach einem Messerübergriff mussten zuletzt sogar Jobcenter-Mitarbeiter mit Hilfe tarifrechtlich dubioser Prämien zur Arbeit in der Ausländerbehörde gelockt werden, weil sich die eigentlichen Mitarbeiter nach dem Angriff über einen längeren Zeitraum systematisch krankgemeldet haben. Ansonsten bürokratische Fließbandarbeit. Da braucht man schon ein dickes Fell.

In einer anderen Stadt mit einer anderen Bevölkerungsstruktur kann ich mir schon vorstellen, dass man wesentlich wertschätzender arbeiten kann und auch Spaß daran entwickelt, den Menschen Perspektiven zu eröffnen und zur Integration beitragen zu können.

maiklewa

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #6 am: 25.10.2023 13:54 »
Ich habe zwar selbst nicht in der ABH gearbeitet, sondern "nur" im Bereich AsylbLG, aber da hatten wir natürlich logischerweise auch viel mit Flüchtlingen erster und zweiter Klasse zu tun. Und auch fast täglich mit der ABH und dem RP. Es gab Hospitierungen usw.

Man bekommt schon verdammt viel mit und ab. Babys werden auf der Flucht geboren, Babys sterben auf der Flucht ... Man wurde mind. zT angeschrien, warum nix Geld oder weniger, zu wenig, was mit Jobcenter, was los mit Ausweis ... Da darf man rein gar nix an sich rankommen lassen. Bei uns war es so, dass es psychologische Unterstützung gab, wenn man sie denn wollte. Aber in Anspruch genommen hatte sie keiner, weil sich zumindest auf dem Flur keiner die Blöße geben wollte, in das Zimmer zu gehen, wo die "Psychotante" wartete. Dabei hatten da schon echt viele nen Knacks weg. Und ließen das neue Kollegen spüren. Erst alles FFE und dann so nach und nach merkte man dann, wie die einzelne tickt. Waren fast nur Frauen und die sehr wenigen Männer, waren nur Männer, weil sie aufs Männerklo gingen. Es gab zwei Vorgesetzte. Eine Frau, die auch schon ihren Zenit überschritten hatte, als direkte Vorgesetzte und ein Mann da drüber. Die Frau war nur pro Frauen, als Mann hatte man da keine Chance. Wenn man sich mal bei der ausheulen wollte, wussten es danach alle anderen und gebracht hatte es nichts. Ihr Vorgesetzter sah alles nur durch die rosarote Brille und fand sein "Frauenteam" (er genoss so viele Frauen um und unter sich!) so toll, weil alles so prima funktionierte, auch untereinander, was natürlich nicht stimmte. Stutenbissigkeiten ohne Ende! Die Fluktuation war sehr hoch, besonders bei den Neueren, ua aus genannten Gründen. Es gab nur ne handvoll ältere Damen, die schon seit Ewigkeiten da arbeiteten, die eh woanders keine Chance mehr hatten und sich dort wie Königinnen aufführten. Es fehlten eindeutig ein paar Penisse auf dem Flur! ;-) Die Vorgesetzte hätte man längst austauschen müssen und ihren Vorgesetzten hätte man mal richtig die Augen öffnen müssen, aber von oben! Die, die es "von unten" versucht hatten, wurden nicht gehört und die wurden danach nicht mehr glücklich.

Zu der ABH, die für uns der direkte Ansprechpartner war, dort arbeiteten viele (noch immer!) selbst welche mit Migrationshintegrund, was auch nicht unbedingt leicht sein muss. Die Stadt und auch die entsprechende Dezernentin war so eingestellt, dass alles für die Flüchtlinge und nichts für die Angestellten. Bewertet mit 9c und 10. Vllt kein schlechtes Geld, aber in Relation zur Arbeit noch viel zu wenig!

Auch wenn die Arbeit sehr abwechslungsreich, verantwortungsvoll, komplex ist, würde ich das nie wieder machen wollen. Spiel, Spaß und Schokolade gibts im ÖD woanders und das für ähnlich viel oder mehr Geld! ;-)

Visiteur7643

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #7 am: 25.10.2023 19:48 »
Ok, danke für die Informationen. Inwiefern spielen eigentlich Fremdsprachenkenntnisse eine Rolle, wenn man in einer ABH arbeitet? Ich spreche neben Deutsch noch Englisch und Französisch, aber da Deutsch ja die Amtssprache ist, bin ich mir nicht sicher, inwiefern mir Fremdsprachenkenntnisse, z.B. bei der Bewerbung, nützen würden.

Ich beabsichtige auf jeden Fall, ein Praktikum in einer ABH zu machen, deswegen frage ich.

was_guckst_du

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #8 am: 26.10.2023 07:03 »
Fremdsprachenkenntnisse (insbesonders englisch) sind in der täglichen Arbeit von Vorteil, aber keine Voraussetzung.
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was_guckst_du

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« Antwort #9 am: 26.10.2023 07:06 »
ich studiere aktuell Public Management (BA) und interessiere mich für eine spätere Tätigkeit bei einer Ausländerbehörde.

..als Aufbau auf eine bereits bestehende Verwaltungsausbildung?
Gruß aus "Tief im Westen"

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maiklewa

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #10 am: 26.10.2023 08:52 »
Ok, danke für die Informationen. Inwiefern spielen eigentlich Fremdsprachenkenntnisse eine Rolle, wenn man in einer ABH arbeitet? Ich spreche neben Deutsch noch Englisch und Französisch, aber da Deutsch ja die Amtssprache ist, bin ich mir nicht sicher, inwiefern mir Fremdsprachenkenntnisse, z.B. bei der Bewerbung, nützen würden.

Ich beabsichtige auf jeden Fall, ein Praktikum in einer ABH zu machen, deswegen frage ich.

Amtssprache ist deutsch. Wer von uns was wollte und sich nicht verständigen konnte, hatte einen Dolmetscher mitzubringen. Einige versuchten es mit Apps, aber wir wissen, wie weit man damit kommt.

Fremdsprachenkenntnisse müssen, wenn dann schon verhandlungssicher sein, weil von wegen verhandlungssicher.

Die Kollegen, die bei uns oder der ABH arbeiteten und Fremdsprachen konnten, waren eh Muttersprachler. Selbst wenn die in D geboren wurden, konnten die besser die Sprache der Eltern, als die deutsche.

Eleon

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #11 am: 26.10.2023 09:17 »
Hallo,
seit über 30 Jahren arbeite ich im Landesdienst in einer Ausländerbehörde.

Allerdings habe ich in der Zeit wenig Kontakt mit den Kunden gehabt und bin sehr froh darüber.

oemmes

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #12 am: 26.10.2023 10:40 »
Ich war ca. 5 Jahre in einer ABH in einer NRW Großstadt tätig  (`12 -`17), die Arbeit hat mir zumindest viel Spaß gemacht. Die generelle Orga des Amtes ist leider nicht immer gut gewesen, sodass die Fluktuation dort schon damals sehr hoch war. Englisch war "nice-to-have", aber keinesfalls Bedingung. Es ist aber wie bereits angedeutet, eher Massenabfertigung, egal ob mD oder gD, zumindest war es damals so. Möchte die Zeit nicht missen, aber es gibt besser vergütete Stellen mit viel interessanteren Tätigkeitsbereichen (n.m.M., rein subjektiv).

Visiteur7643

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #13 am: 26.10.2023 13:43 »
ich studiere aktuell Public Management (BA) und interessiere mich für eine spätere Tätigkeit bei einer Ausländerbehörde.

..als Aufbau auf eine bereits bestehende Verwaltungsausbildung?

Ich habe vorher ein Studium im Bereich Fremdsprachen (ein "Mischmasch" aus Übersetzung, Kommunikationswissenschaft, interkultureller Kommunikation usw.). absolviert, habe also keine Verwaltungsausbildung. Allerdings habe ich in meinem jetzigen Public Management Studium die Möglichkeit, mich auf Ausländer - und Personenstandsrecht zu spezialisieren (als Wahlpflichtmodul).
« Last Edit: 26.10.2023 14:00 von Visiteur7643 »

was_guckst_du

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Antw:Erfahrungen Ausländerbehörde
« Antwort #14 am: 26.10.2023 14:11 »
...ich habe deshalb gefragt, weil die Stellenausschreibungen im öD i.d.R. auf das Vorhandensein einer entsprechenden Verwaltungsausbildung abstellen, wenn es sich nicht um spezielle Stellen handelt, die einen spezifischen Hochaschulabschluss erfordern...

...die Tätigkeit in einer Ausländerbehörde erfordert keine spezielle Hochschulausbildung, sondern das Vorhandensein einer Verwaltungsausbildung (sogen. A1 bzw A2 Lehrgänge bzw. entsprechende beamtenrechtliche Laufbahnbefähigungen)...
Gruß aus "Tief im Westen"

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