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Angabe Schwerbehinderung Bewerbung: was ist klar und was nicht?

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spit:
Hallo,

ich war soeben bei einer öffentlichen Sitzung beim Arbeitsgericht.

Da ging es darum, dass eine schwerbehinderte Bewerberin nicht eingeladen wurde, obwohl sie nicht offensichtlich ungeeignet war.

Sie hatte im letzten Absatz ihres Bewerbungsanschreibens das ungefähr so formuliert (ganz genau bekomme ich es nicht mehr hin, aber so gut wie!):

"Ich gebe 100 % trotz 50 % nach dem SGB IX."

Lt. Beklagter wäre dies eine nicht ausreichend klare Formulierung. Nach der Rechtssprechung müsse man eine klare Formulierung wählen, um entsprechende Pflichten beim Arbeitgeber auszulösen.

Ich persönlich kenne das mit der klaren Formulierung bis jetzt nur so, wenn es um den Lebenslauf geht. D. h., die Angabe der Schwerbehinderung muss im Lebebauf an hervorgehobener Stelle erfolgen. Aber im Fließtext des Bewerbungsanschreibens? Was ist da klar und was nicht?

Angeblich hatte die Beklagte die Bewerbung eingehend überprüft.

Wenn das lt. Klägerin und auch lt. Richter so gewesen wäre, hätte der Beklagten bewusst sein müssen, was diese Formulierung bedeutet, da ein Personaler das SGB IX kennen sollte und somit auch, was 50 % bedeutet.

Da lt. Richter, der bereits mehrerer solcher Verfahren hatte, es dennoch keine so klare Formulierung ist, schlug er vor, dass beide Seiten sich in der Mitte treffen sollten, also bei 1,5 Bruttos und es den Erfahrungen und der sonstigen Rechtssprechung nur mehr gibt, wenn die Klägerin z. B. geschrieben hätte: "Ich bin schwerbehindert." oder "Ich habe einen GdB von 50".

Beide Parteien schlossen den Vergleich mit 1,5 Bruttos.

Nun frage ich mich, ob es diesbzgl. andere Urteile oder Kommentierungen gibt, in denen es Beispiele gibt, die ähnlich ... na ja ... googlebedürftig sind. Ich hätte es beim Lesen gewusst, was die Bewerberin aussagen möchte. Aber vielleicht doch nicht jeder, der eingegangene Bewerbungen liest?

Die Klägerin konnte i. Ü. auch glaubhaft machen, dass sie keine sog. AGG-Hopperin ist, die diese Formulierung gewählt hat, damit man sie schnell überlesen kann und somit dann letztlich Schadensersatz geltend machen kann. Sie legte bestimmt ein Dutzend Bewerbungen vor, in denen sie es genauso oder so ähnlich formuliert hatte, sie wurde eingeladen und nahm an den Bewerbungsgesprächen teil.

Auch, wenn ich gewusst hätte, was diese Formulierung bedeutet, hâtte ich dennoch nicht damit gerechnet, dass es letztlich einen Vergleich gibt.

Daher bin ich sehr gespannt, was Urteile oder Kommentierungen hergibt.

Dankeschön.

Beste Grüße

maiklewa:
Klar ist, dass nichts klar ist!

MWn wurde das konkret (noch) nicht ausgeurteilt.

Wenn im Fließtext, egal wo, im Anschreiben ein solcher Hinweis steht, auch sowas wie 50 % nach SGB IX, dann ist einzuladen, sofern keine offensichtliche Nichteignung vorliegt! Jeder AG im ÖD ist einfach selten dämlich, wenn ers nicht tut!

Schade, dass im vorliegenden Fall ein Vergleich geschlossen wurde, aber fürs Gericht ist ein Vergleich natürlich immer besser, als ein Urteil. Aber beide Seiten haben bestimmt eine Widerrufsfrist, oder!?

Und ja, hervogehoben unter einer extra Überschrift muss die Angabe der Schwerbehinderung nur im Lebenslauf sein. Und nicht im Anschreiben und im Lebenslauf. Entweder oder! Aber im Anschreiben muss weder die Wörter oder Angaben "Schwerbehinderung", "schwerbehindert", "GdB", "Grad der Behinderung" ... stehen.

Ich würde es echt interessant finden, weil dann auch beide Seiten Ruhe haben und sicher sind, ob jetzt eingeladen werden muss oder nicht, wobei in dem konkreten Fall man nicht verstehen kann, warum der AG nicht eingeladen hat. Man hat vielleicht auch nur gepokert!? Und dass die Bewerberin der Beklagten die Grundlage einer Unterstellung von wegen AGG-Hopping entzogen hat, indem sie viele weitere Bewerbungen hat vorlegen können - mit dieser Formulierung - dann Einladungen erhalten hat und noch viel wichtiger, dass sie diese dann auch wahrgenommen hat und sich wahrscheinlich hat auch bestätigen lassen ... super!

Ich finde es sogar echt schade, dass die Bewerberin dem Vergleich zugestimmt hat, denn die Rechtssprechung bis zum BAG ist auf ihrer Seite. Die Gegenseite hätte keine Gegenbeweise vorlegen können, dass diese Formulierung nicht ausreicht. Und wenn es dann mind. zum Kammertermin kommt und vielleicht sogar weitergeht, was natürlich dann einen Anwalt und entsprechende Kosten nach sich zieht, dann kanns für den AG hinten raus noch viel teurer werden.

Sollte der AG Widerruf einlegen, und der wird sich ganz sicher diese Möglichkeit im Vergleich einräumen lassen, dann wird das ganz sicher ein Eigentor! Ganz bestimmt! Und die Beisitzenden in der Kammer sind mEn eher pro Klägerin in einem solchen Fall!

Mir dann mal bitte Bescheid geben, wenns zum Kammertermin kommen sollte, dann komme ich vllt auch  mal vorbei. ;-)

MoinMoin:

--- Zitat von: maiklewa am 02.12.2023 08:28 ---Ich finde es sogar echt schade, dass die Bewerberin dem Vergleich zugestimmt hat,

--- End quote ---
und das zeigt doch, dass sie keine Hopperin ist  ;D
Sondern einfach nur den Ag den Kopf waschen wollte.

clarion:
Korrekt hat die Bewerberin sich nicht ausgedrückt.  Es heißt korrekt Grad der Behinderung von 50 ohne Prozent  oder GdB 50.

Ich sehe es aber wie Maiklewa. Der AG hat nicht genau genug gelesen.

Ich finde es ärgerlich,  dass Gerichte bei glasklaren Sachverhalte  trotzdem zu einem hälftigen Vergleich drängen.

MoinMoin:
Ich finde es vernünftig, wenn Gericht die Verfahren verwaltungsökonomisch behandeln.
Es wird niemand zu einem Vergleich gezwungen.

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