Autor Thema: Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?  (Read 4713 times)

SMP1894

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Ich bin im Jugendamt tätig. Zu den Aufgaben gehört die Rufbereitschaft (Inobhutnahme bzw. Kinderschutz außerhalb der regulären Dienstzeiten). Dies ist sowohl im Arbeitsvertrag als auch in einer internen Dienstvereinbarung als fester Bestandteil der Tätigkeit im Jugendamt festgeschrieben. Die Situation gestaltet sich seit geraumer Zeit so, dass uns wenig bis keine Inobhutnahmeplätze zur Verfügung stehen. Dies hat bereits dazu geführt, dass Kollegen:Innen Kinder zu sich nachhause genommen, mit Kinder im Jugendamt oder in Pensionen übernachtet haben. Wir haben signalisiert, dass wir das auf Dauer nicht leisten können und nicht dazu bereit und in der Lage sind, Kinder in Krisensituationen privat aufzunehmen oder die Betreuung und Versorgung im Einzelfall dauerhaft sicherzustellen und diese zusätzlich zu der regulären Arbeit im Jugendamt zu leisten.

Nun meine Frage: Was darf der Arbeitgeber im Rahmen der Rufbereitschaft zumuten (unter den Gesichtspunkten Arbeitsrecht, Arbeitsschutz und Tarifrecht) und wann kann ich als Arbeitnehmer:In die Durchführung der Rufbereitschaft ablehnen? Es geht mir dabei nicht um die grundsätzliche Bereitschaft, der vertraglich festgeschriebenen Rufbereitschaft nachzukommen, sondern darum, wann es nicht mehr zumutbar ist.

Ich freue mich über Rückmeldung und vielleicht auch ähnliche Erfahrungen.

Mir ist klar, dass ich hier keine Rechtsberatung erhalte, aber der Austausch bzw. eine Rückmeldung wäre bereits hilfreich.
« Last Edit: 01.12.2023 13:38 von SMP1894 »

Nerostar

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #1 am: 01.12.2023 19:20 »
Genau vor dieser Problematik stehen wir auch. Keine Inobhutnahmeplätze, Verantwortung der Unterbringung bleibt jedoch bestehen. Dies führt dazu, dass Kollegen auch schon des Öfteren die jungen Menschen mit zu sich nach Hause genommen haben.

Seitens unserer Leitung bekommt man auf die Frage nach einer möglichen Alternative nur ein Schulterzucken.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass man rein Arbeitsrechtlich dazu verpflichtet ist, die Betreuung bei sich zu Hause abzusichern.
Allerdings könnte unsere Garantenstellung dazu führen, dass eben eine solche Pflicht und Notwendigkeit entsteht.
Die Garantenstellung begründet Garantenpflichten zur Abwendung der Rechtsgutverletzung (bspw. Tod, Körperverletzung des jungen Menschen).
Meines Erachtens hat man schlicht und ergreifend gar keine Wahl, insofern keine ION Einrichtungen zur adäquaten Unterbringung zur Verfügung stehen.

Es gibt nur eine Alternative. Nämlich die, dass man das Kind trotz der drohenden oder bestehenden akuten Gefahr im Familiensystem lässt. Dies aber wiederum führt dann zwangsweise zu der oben beschriebenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit.

Eine weitere Möglichkeit, welche sich aber eventuell schwierig gestalten könnte, wäre der gemeinschaftliche Teamentschluss, die Rufbereitschaft unter diesen widrigen Bedingungen nicht mehr abzusichern, bzw. durchzuführen. Dies schriftlich mitteilen an Vorgesetzten (SGL + AL), Personalamt, Personalrat. WICHTIG HIERBEI: Jeder MA muss einzeln ein Schreiben aufsetzen. Sammelschreiben werden erfahrungsgemäß nicht akzeptiert.
Ein Versuch ist es allemal Wert und führt sicherlich dazu, dass SGL + AL sich Gedanken machen müssen. Im Optimalfall entsteht dann nämlich ein Handlungsdruck seitens des PA und des PR gegenüber der Leitung des zuständigen Fachamtes. 

Levana

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #2 am: 02.12.2023 16:46 »
Ich würde vor allem Klären wie das mit der Versicherung ist wenn Kinder mit nach Hause genommen werden. Bei einer Betreuung im JA sieht es natürlich anders aus. Da dann mal auf das Arbeitszeitgesetz verweisen (maximale Arbeitszeit im Durchschnitt/ pro Woche, Mindestruhezeiten...) plus alle Zuschläge einfordern.

RsQ

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #3 am: 02.12.2023 18:22 »
Kinder/Jugendliche mit nach Hause zu nehmen, ist m. E. ein Unding. Das Thema Versicherung wurde schon angesprochen, aber da kommen ja weitere Faktoren dazu: Privatsphäre, Sicherheit, ... Was, wenn die Betreuten einen künftig regelmäßig privat aufsuchen?

Wenn es schon die Notlage gibt, dass es keine Notbetreuungsplätze gibt, dann sollte mindestens die Übernachtung in Pensionen o. ä. verbindlich geklärt sein.

SusiE

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #4 am: 02.12.2023 18:40 »
Ich bin ebenfalls im ASD und auch bei uns ist es oft kritisch in der Nacht. Eine eigene ION-Stelle haben wir nicht, bis jetzt hatte ich immer Glück, dass mir ein Heim oder Bereitschaftspflege  in der relativen Nähe die Kinder abgenommen hat.
Ich würde euch dringend raten mit der AL, dem FBL, Personalrat und eurem Landrat und Landesjugendamt ins Gespräch zu gehen. Das sind Zustände die nicht gehen. Die wichtigsten Punkte wurden schon genannt, Versicherung, Arbeitszeit aber auch Überlastung.

Fitch

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #5 am: 03.12.2023 09:45 »
Wichtig ist auch, euch über Rufbereitschaft zu unterhalten, während ihr Kinder schützen sollt.

Genau so Stelle ich mir das Jugendamt vor.

Ekelhaft.

SusiE

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #6 am: 03.12.2023 10:11 »
Wichtig ist auch, euch über Rufbereitschaft zu unterhalten, während ihr Kinder schützen sollt.

Genau so Stelle ich mir das Jugendamt vor.

Ekelhaft.
Könntest du mir das bitte genauer erklären?

MarieH

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #7 am: 03.12.2023 12:17 »
Wichtig ist auch, euch über Rufbereitschaft zu unterhalten, während ihr Kinder schützen sollt.

Genau so Stelle ich mir das Jugendamt vor.

Ekelhaft.

Ekelhaft ist lediglich dein Kommentar.

Nerostar

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #8 am: 03.12.2023 12:19 »
Wichtig ist auch, euch über Rufbereitschaft zu unterhalten, während ihr Kinder schützen sollt.

Genau so Stelle ich mir das Jugendamt vor.

Ekelhaft.

Deine Aussage ist nicht nur völlig zusammenhanglos aus jeglichem Kontext gerissen, sondern auch an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten.

1. Unterhalten wir uns nicht über die Rufbereitschaft WÄHREND ( :-X) wir "Kinder schützen sollen". Oder glaubst du, dass sich ein/e Feuerwehrmann/frau während ein Brand gelöscht wird, über die Dienstverhältnisse in einem Forum beschwert und um Hilfe bittet? Schlecht möglich oder?

2. Ist der Staatliche Kinderschutz Menschen übertragen worden, welche sich in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis befinden, in welchem es nunmal gewisse Regeln, ja stell dir vor, auch zum Schutz des Arbeitnehmers zu beachten gilt.

3. Trolle mag niemand. Vielleicht in Zukunft einfach nachdenken, bevor man solch einen Blödsinn von sich gibt.  ;)
« Last Edit: 03.12.2023 12:27 von Nerostar »

Opa

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #9 am: 03.12.2023 13:07 »
Ein struktureller Mangel an Inobhutnahmeplätzen ist ein Unding. Den betroffenen Mitarbeitern kann ich nur raten, die Problemlage gerichtsfest dokumentiert gegenüber der Führungskraft anzuzeigen und im Falle der Untätigkeit direkt die Behördenleitung (ebenfalls gerichtsfest dokumentiert) einzuschalten.

Selbst wenn der Kreis/die Stadt in der Haushaltssicherung ist, muss für diese Pflichtaufgabe jederzeit genug Kohle locker gemacht werden. Das dürfte in einem halbwegs verständigen Jugendhilfeausschuss ohne größere Diskussion durchgehen.

Die private Inobhutnahme birgt neben sozialen und versicherungstechnischen Risiken die Gefahr, dass der Jugendamtsmitarbeiter durch die Familie absichtlich geschädigt wird. Sei es durch randalierende Eltern, die mitten in der Nacht vor der Tür stehen oder beispielsweise durch erfundene, aber dennoch höchst schädliche Anschuldigungen wie sexueller Mißbrauch des Kindes durch den JA-Mitarbeiter.

Was die demgegenüber harmlose Ausgangsfrage angeht, so ist Rufbereitschaft im vertraglich vereinbarten Umfang geschuldet. Die gesetzlichen und tariflichen Grenzen, insbes. was den Zeitausgleich und die Ruhezeiten angeht, sind einzuhalten.

Flying

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #10 am: 04.12.2023 12:24 »
Also Kinder mit zu sich nach Hause zu nehmen ist schon sehr unprofessionell..

Trefft im Zweifel Absprachen mit Hotels etc.

Athene

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #11 am: 06.12.2023 11:53 »
Hier ist eine Entlastungs-/Überlastanzeige um Selbstschutz dringend erforderlich. Direkt an die Amtsleitung/Bürgermeister und Kopie an den Personalrat. Die Garantenstellung hat letztendlich die Amtsleitung welche sie an die ASD Mitarbeitenden delegierte. Wenn das nicht asap bearbeitet wird, würde ich ein Schreiben nachsenden dass zukünftig Kinder für die es keine Lösung gibt beim Amtsleiter/Bürgermeister abgeliefert werden. Eine Alternative ggf. gefährdete Kinder in der Familie zu lassen ist keine Alternative!

BAT

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #12 am: 06.12.2023 11:57 »
Leider scheint ihr das mit der Rufbereitschaft in den Arbeitsverträgen festgehalten zu haben. Daher geht das wohl nicht mehr anders. Ansonsten wäre ja eine Lösung, auf Teilzeit zu gehen, auch mit einer Stunden weniger. Dann kann man eigentlich nicht mehr verpflichtet werden.

Für die Gesamtsituation bringt das natürlich nichts.

tina92

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #13 am: 06.12.2023 13:15 »
Angeordnete Rufbereitschafts hat nichts damit zu tun, Kinder mit nach Hause zu nehmen.

Umlauf

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Antw:Rufbereitschaft Jugendamt - Was ist zumutbar?
« Antwort #14 am: 06.12.2023 13:52 »
Seit wann hat ein Arbeitgeber Durchgriffsrechte auf der Wohnung des AN?