Eine Anmerkung sei mir noch gestattet:
Ich empfinde die Regelungen (trotz offenkundiger Fehler) nicht als geschlechterdiskriminierend. Denn tatsächlich finden die Vorschriften auf Männlein und Weiblein gleichermaßen Anwendung. Meine Frau und ich haben uns nicht für ein "rückwärtsgewandtes Familienmodell" entschieden. Sondern es war unser beider Wunsch die Rollen so auszufüllen.
Unsere finanzielle Situation sähe genauso aus, wenn sie zu 100% arbeitete und ich entsprechend weniger (wir teilen uns sogar ein Büro). Und sie sähe auch so aus, wenn beide zu 75% arbeiten würden. Beamtenfamilien sind m.M.n. ein gutes Beispiel dafür, dass hier keine Geschlechterdiskriminierung stattfindet. Die Diskriminierung, die hier tatsächlich vorliegt, ist eine die sich auf Ehe und Familie bezieht...für die nämlich ein Familieneinkommen berechnet wird. Anders gesagt: Eine Scheidung brächte uns in den Genuss des FErgZ. Eine Geschlechtsumwandlung hingegen nicht.
Die Argumentation in der Stellungnahme ist eine andere, und zwar vereinfacht die folgende:
- Der Familienergänzungszuschlag (FEZ) wird in einer Höhe gewährt, die dem Ehepartner nicht in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen gewährt wird; hier müssen allein schon wegen des Mindestlohns deutlich höhere Verdienste gewährt werden.
- Die Höhe des FEZ liegt laut Bemessung des Gesetzentwurfs und darüber hinaus bei einer realitätsgerechten Bemessung in Verdienstsegmenten, die in einer geringfügigen oder Teilzeitbeschäftigung erzielt werden; es geht hier um untere Lohnsegmente.
- Der FEZ macht es entsprechend attraktiv, in den gerade genannten Verdienstsegmenten die Arbeitszeit weiter herabzusenken oder die jeweilige Beschäftigung in den jeweiligen unteren Lohnsegmenten ganz aufzugeben, um so das materielle Gut des FEZ leistungslos zu erhalten.
- In den unteren Lohnsegmenten und in einer Teilzeitbeschäftigung sind in einem weit überwiegenden Anteil Frauen und Mütter von (nicht zuletzt jungen) Kindern tätig.
- Durch die Berufstätigkeit in unteren Lohnsegmenten ist ihre Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe wie individueller finanzieller Vorsorge herabgesetzt. Ursache ist insbesondere die unbezahlte familiäre Carearbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird.
- Damit aber werden durch die Regelung der Gewährung eines FEZ in der sozialen Gefasstheit der niedersächsischen Gesellschaft deutlich häufiger Ehefrauen als Ehemänner ihre Berufstätigkeit weiter einschränken oder ganz aufgeben, was ihre gesellschaftliche gegebene partizipative wie Vorsorgebenachteiligung verfestigt.
- Regelungen, die solche Verfestigung bezwecken oder unbezweckt nach sich ziehen, sind als geschlechterdiskriminierend zu verstehen und verstoßen so gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Sie zeigen sich gleichfalls als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, wonach der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt.
- Darüber hinaus formuliert Art. 6 Abs. 4 GG besondere staatliche Schutzpflichten gegenüber Müttern, indem er ausführt: "Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft". Hier finden wir also nicht nur ein besonderes Diskriminierungsverbot, sondern ebenso eine besondere Schutzpflicht, die jedoch ebenfalls durch Regelungen missachtet wird, die die ökonomische Ungleichheit von Müttern gegenüber Vätern vergrößern, und zwar ebenfalls selbst dann, wenn sie nicht bezweckt, sondern mittelbare Folge der Regelung ist.
Wie immer geht es also im Verfassungsrecht nicht um unsere je eigene und unterschiedliche Empfindung, sondern um materielle Rechtsgüter, an die sich der Gesetzgeber gebunden sieht.