Ich muss mich korrigieren -- die Dinge, die ich gesehen habe, beschäftigten sich (nach nochmaligem Lesen) nicht mit den BVerfG-Urteilen, sondern anderen Fragen rund um die individuelle Besoldung einzelner klagender Beamter; und die Dinge, die sich mit ihnen beschäftigten, mündeten in Vorlage-Beschlüssen beim BVerfG. [1] Letztendlich ist also von dort (weitere) Klärung zu erwarten.
Ich bleibe jedoch dabei, dass erstens die Gesetzesgeber [2] nicht so dumm sind, wie hier gern unterstellt wird, [3] sondern genügend juristischen Sachverstand besitzen, eine offenbar durchaus vertretbare Position zu beziehen. Dass verschiedene juristische Sachverständige hier verschiedene Ansichten zu dieser haben und äußern ist jetzt nicht überraschend. Aber als Laie so zu tun, als hätte man den Durchblick, erscheint mir zu viel angemaßt.
Nichtdestotrotz darf man, selbst wenn das hier von einigen sehr stark vertretene Prinzip, dass dem ledigen Beamten im 1K-Haushalt eine Alimentation zustehen sollte, die ausreichen muss, eine 4K-Familie (die er nicht hat) zu ernähren -- und mit ihr auf dem amtsangemessenen Niveau leben zu können, aus [4] irgendwelchen "althergebrachten Grundsätzen des Beamtentums" ableitbar sein sollte, hinterfragen, ob man diese "althergebrachten Grundsätze" nicht an modernere Zeiten anpasst. [5] Die Lebenswirklichkeit ist mittlerweile eine ganz andere als in der Weimarer Republik oder zuvor im preußischen Beamtenapparat. [6] Ich wüsste nicht, wo durch die Ewigkeitsklausel geschützt wäre, dass ledige Beamte einen nicht vorhandenen hypothetischen Partner und nicht vorhandene zwei Kinder versorgen können müssten... Schlussendlich wäre es also eine rein politische Frage, an welchen Grundsätzen hier die Beamtenbesoldung ausgerichtet werden soll. Und das sollte dann durchaus auch von der Legislative entschieden werden.
Ich finde es sinnvoll und gut, dass Du Dich im ersten Absatz korrigierst, cyrix, da das zeigt, dass Du eine sachliche Diskussion führen und nicht nur Behauptungen aufstellen willst. Darüber hinaus ist jede weitere Deine Ansichten sachlich diskutierbar. Ich gehe das mal - in jedem der nachfolgenden Fälle sachlich verkürzend, da das hier sonst ein weiteres Mal ein sehr langer Text werden würde - sachlich durch, wozu ich Deine Aussagen in eckigen Klammern durchnummeriert habe:
[1] Seit 2020 - seit der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Mai 2020 (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html) - haben das VG Hamburg, das OVG Schleswig-Holstein, der VGH Hessen, das VG Düsseldorf und das VG Berlin Vorlagebeschlüsse über verschiedene A-, B- und R-Besoldung(sgrupp)en und unterschiedliche Zeiträume, die Jahre 2007 sowie 2011 bis 2020 betreffend, gefasst. Im letzten Jahr hat das VG Berlin dabei den betrachteten Zeitraum 2016 und 2017, die R-Besoldung betreffend, entsprechend betrachtet und die Jahre ab 2018 hier (also die R-Besoldung betreffend) als verfassungskonform, wobei davon ausgegangen werden kann, dass hier Berufungsverfahren geführt werden, da die befasste Kammer des VG für den Zeitraum ab 2018 bislang eine - was die anderen genannten Verwaltungs und Oberverwaltungsgerichte bzw. den VGH Hessen betrifft - Einzelmeinung vertreten hat. Eine weitere Entscheidung der Kammer zur A-Besoldung aus dem letzten Jahr hat diese auch über das Jahr 2017 hinaus als verfassungswidrig betrachtet und hier ebenfalls einen Vorlagebeschluss gefasst. Wir finden also seit 2020 eine weitgehende Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit vor, aus der letztes Jahr die Kammer des VG Berlin für Besoldungsgruppen, die im Entscheidungszeitraum ab A 10 aufwärts lagen, ausgeschert ist, was nun sachlich weiter zu klären wäre.
Darüber hinaus ist in dem DÖV-Beitrag "Das Alimentationsprinzip der Besoldungsordnung A 2008 bis 2020 - eine 'teilweise drastische Abkopplung der Besoldung' als dauerhafte Wirklichkeit?", S. 198 ff., der Nachweis auf Grundlage der neuen Besoldungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts geführt worden, dass zwischen 2008 und 2020 in allen 16 Länderrechtskreisen das Mindestabstandsgebot als verletzt zu betrachten ist, und zwar weit überwiegend in eklatanter Art und Weise, dass sich hier also eine Alimentation in den unteren Besoldungsgruppen noch unterhalb des Grundsicherungsniveaus findet. Den dort dargestellten Ergebnissen ist bislang von keiner Seite widersprochen worden.
[2] Die mit der Gesetzgebung befassten Verantwortungsträger in den Dienstrechtsministerien sind sicherlich genauso wenig wie die politischen Verantwortungsträger dumm. Darüber hinaus bleiben die ersten weisungsgebunden und haben die zweiten ein - sachlich nachvollziehbares - Interesse, die in allen 17 Rechtskreisen hohen Personal- und Versorgungskosten zu minimieren. Die Personalkosten sachlich angemessen gering zu halten, ist dabei nicht nur ein legitimes politisches Ziel, sondern ist zugleich sachlich geboten, um die Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht auf Kosten der Steuerzahler zu privilegieren; auf der anderen Seite steht hier das grundrechtsgleiche Individualrecht des einzelnen Beamten, amtsangemessen alimentiert zu werden, was vom Dienstherrn besonders zu beachten ist, da sich der Beamte in einem Sonderrechtsverhältnis befindet, das verschiedene seiner Grundrechte einschränkt, und weil von der amtsangemessenen Alimentation nach Ansicht des Bundesverfassungsgericht die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung maßgeblich abhängt, womit die amtsangemessene Alimentation deutlich über das grundrechtsgleiche Individualrecht des einzelnen Bediensteten hinausreicht oder hinausweist.
[3] In diesem Spannungsfeld zwischen legitimen und von Seiten des Dienstherrn gebotenen Interessen, die Personalkosten angemessen gering zu halten, und seiner Pflicht, jeden seiner Beamten amtsangemessen zu alimentieren, wird nun der zweifellos sowohl in den Dienstrechtsministerien als auch in Teilen der politischen Entscheidungsträgern vorhandene juristische Sachverstand genutzt, um die insgesamt hohen Besoldungs- und Versorgungsaufwendungen zu minimieren, was dazu führt, dass seit 2021 alle 16 Ländergesetzgeber die familienbezogenen Besoldungskomponenten exorbitant angehoben haben (der Bund hat Anfang 2021 den verfassungswidrigen Gehalt der von ihm gewährten Besoldung und Alimentation eingestanden, um seitdem Maßnahmen zur Abhilfe zu betrachten, dabei aber gesetzgeberisch weiterhin untätig zu bleiben). Es ist im Einzelnen für alle dieser 16 Rechtskreise der begründete Nachweis geführt worden, dass diese Regelungen nicht mit der zu beachtenden Rechtsprechung des Zweiten Senats zu vereinbaren sind; das gilt nicht zuletzt in den Rechtskreisen, in denen der Wissenschaftliche Dienst des jeweiligen Landtags eingeschaltet worden ist, auch von jener Seite. Dahingegen wäre es am jeweiligen Besoldungsgesetzgeber gewesen, diese sachliche Kritik noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren sachlich zu entkräften. Mir ist seit 2021 jedoch kein Fall bekannt, in dem das geschehen wäre, weshalb ich vor ein paar Tagen an anderer Stelle (nicht an Dich gerichtet) nachgefragt habe, wer solch einen Fall kennte.
[4] Art. 33 Abs. 5 GG lautet: "Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln." Solange das Grundgesetz so verfasst ist, sind die 17 Besoldungsgesetzgeber daran gebunden. Sie haben darüber hinaus jederzeit die Möglichkeit, auch diesen Absatz des Artikels neu zu fassen, was zum letzten Mal 2006 geschehen ist, als hier die Fortentwicklungsklausel eingeführt worden ist. Dabei bestand bereits vor deren Einführung in den Art. 33 GG jederzeit die Möglichkeit der einfachgesetzlichen Weiterentwicklung des Beamtenrechts auf Grund veränderter sozialer Verhältnisse, wie bspw. die Einführung der Teilzeitbeamtenverhältnisse zeigt (vgl.
Battis in: Sachs-Battis, GG, 8. Aufl., 2018, Art. 33, Rn. 68). Auch weiterhin lässt die Rechtsprechung des Zweiten Senats - auch die sich seit 2012 sachlich zunehmend deutlicher kontinuierende neue Besoldungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts - den weiten Entscheidungsspielraum, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt, bestehen; er ist seitdem aber zunehmend eingehegt worden, weil der Zweite Senat seit 2012 in bis heute sechs weiteren Entscheidungen jeweils den verfassungswidrigen Gehalt der jeweils betrachteten Besoldungsordnungen betrachten musste. Für die zunehmende Einhegung seines Gestaltungsspielraums trägt also am Ende der jeweilige Besoldungsgesetzgeber selbst die Verantwortung, indem er zunächst begründeten Anlass zur Vermutung eines verfassungswidrigen Handelns geboten hat, der sich danach in den betreffenden Normenkontrollverfahren rechtskräftig bestätigte. Wenn er darüber hinaus trotz des o.g. Nachweises einer seit 2008 bestehenden Kontinuität des verletzten Mindestabstandsgebots dieses in allen Rechtskreisen, wie sich zeigen lässt, verletzt weiterbestehen lässt, um darüber hinaus seit 2021 mit Maßnahmen zu reagieren, die in allen seitdem vollzogenen Gesetzgebungsverfahren von unterschiedlichen Seiten vielfach schwere sachliche Kritik gefunden haben, dann stellt sich meiner Meinung nach die Frage, ob er aus den sechs seit 2012 erfolgten Entscheidungen des Zweiten Senats die richtigen Schlüsse zieht. Diese Frage kann nur er selbst beantworten, indem er handelt, wie er handelt.
[5] Wie schon unter der Ziff. 4 hinsichtlich der Fortentwicklungsklausel hervorgehoben, gibt es den "starren" Kern im Art. 33 Abs. 5 nicht, den Du voraussetzt, so als würden wir noch immer eine gesetzliche Verfasstheit des Berufsbeamtentums wie in der Weimarer Republik oder zuvor im Kaiserreich vorfinden. Das Berufsbeamtentum ist auf Grundlage des öffentlichen Dienstrechts seit 1949 kontinuierlich in die sich wandelnde soziale Wirklichkeit eingebunden worden. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums standen dem dabei nicht im Wege; mit einer rechtlichen Verfasstheit der 1870er oder 1920er Jahre wären die staatlicherseits zu vollziehenden Aufgaben durchs heute bestehende Berufsbeamtentum nicht zu bewerkstelligen. Auch hier ist es hilfreich, sich die Sachlage sine ira et studio vor Augen zu führen, wie sie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte bis heute entwickelt hat:
"Der Entwurf des Abs. 5 (Art. 27b II [des Entwurfsartikels des GG]) fixierte die Berücksichtigung der
'hergebrachten Grundsätze über die Rechtstellung des Berufsbeamtentums' durch den künftigen Gesetzgeber. Dies sollte einerseits sicherstellen, dass die traditionellen und institutionellen Grundzüge des bisherigen Beamtenrechts erhalten blieben, darüber hinausgehend aber auch die Beachtung der neueren Grundsätze auf dem Gebiet der im öffentlichen Dienst stehenden Angestellten einschließen. Auf eine strenge Bindung an die hergebrachten Grundsätze wurde mit Blick auf die notwendige Gestaltung eines neuen Beamtentums und Beamtenrechts verzichtet. Durch G. v. 28.8.2006 [BGBl. I 2006 S. 2034] - Föderalismusreform I - ist Abs. 5 um die Worte 'und fortzuentwickeln' ergänzt worden. Vorschläge, Art. 33 V ersatzlos zu streichen oder auch Art. 33 IV zu verändern, haben sich in der Föderalismuskommission I nicht durchsetzen können." vgl.
Battis in: Sachs-Battis, GG, 8. Aufl., 2018, Art. 33, Rn. 6; Hervorhebungen wie im Original)
[6] In diesem Sinne gilt für die Alimentation des Beamten und seiner Familie, solange es nicht um den alimentativen Mehrbedarf ab dem dritten Kind geht, weitgehend das, was ich gestern in zwei Beiträgen in den allgemeinen Foren in knapper Form skizziert habe, vgl. hier die Nr. 10627 unter
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.10620.html und hier die Nr. 5739 unter
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114363.5730.html). Dabei geht es nicht darum, "dass ledige Beamte einen nicht vorhandenen hypothetischen Partner und nicht vorhandene zwei Kinder versorgen können" müssten, sondern dass aus den Schutzrechten des Beamten, der einem Sonderrechtsverhältnis unterliegt, Pflichten des Dienstherrn erwachsen, die dessen Vorteile, die aus jenem Sonderrechtsverhältnis resultieren, kompensieren, um so weiterhin die Forderungen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG erfüllen zu können. Denn auch der Beamte bleibt zunächst einmal Staatsbürger, dessen Grundrechte in unserer staatlichen Ordnung nur im engen Rahmen eingeschränkt werden dürfen - und da sie für ihn als Folge des Beamtenverhältnisses eingeschränkt werden, bedarf es dafür gesetzlich zu regelnder Kompensationen: Ein "Rosinenpicken" ist als Folge des gegenseitigen Treueverhältnisses keiner der beiden Seiten gestattet.
Entsprechend hat der Besoldungsgesetzgeber, solange sich der Dienstherr entscheidet, Beamte mit hoheitlichen Aufgaben zu betrauen, die Pflicht, jene amtsangemessen zu alimentieren; so wie der Gesetzgeber als Ganzes jederzeit über das Recht verfügt, diese aus dem Grundgesetz folgenden Bindungen durch deren Änderung verfassungsrechtlich neu zu fassen oder sie ggf. über die ersatzlose Streichung des Art. 33 Abs. 5 GG zu beenden. Damit dürften ggf. für ihn Kostenersparnisse einhergehen; auf der anderen Seite dürften damit allerdings offensichtlich auch Nachteile für ihn verbunden sein, da er dann nicht mehr auf ein Personal zurückgreifen könnte, das sich in einem Sonderrechtsverhältnis befände und über das er entsprechend so im Rahmen gegenseitiger Treuepflichten verfügen könnte.