Autor Thema: Was tun bei Aussteuerung und BEM-Verfahren?  (Read 1728 times)

ahnungsloser

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Was tun bei Aussteuerung und BEM-Verfahren?
« am: 02.02.2024 19:17 »
Guten Tag,

ich bin selber nicht im öffentlichen Dienst, habe aber eine Frage bezüglich meiner Mutter, bei der ich einfach nicht weiterkomme. Falls mir jemand helfen könnte wäre das super, da ich mittlerweile wirklich hilflos bin und nicht weiß wie ich sie unterstützen kann. Da ich 300km weit entfernt wohne, ist es sowieso sehr schwierig für mich.

Sachverhalt:
  • Meine Mutter (60) ist seit über 15 Jahren im öD als Putzkraft angestellt.
  • Sie hatte 2021 einen Unfall bei dem sie sich einen komplizierten Beinbruch zugezogen hat
  • Die Genesung hat sich aufgrund mehrerer OPs lange hingezogen, mittlerweile ist aber klar, dass sie den Job als Putzfrau nicht mehr machen kann. Mittlerweile hat sie auch 30% Behinderung zugesprochen bekommen, was sich ggf. zukünftig erhöhen könnte.
  • Mittlerweile ist sie aus dem Krankengeld raus und ausgesteuert. Vom Arbeitsamt bekommt sie allerdings  (noch) kein Geld, da sich der Antrag noch in der Prüfung befindet
  • Zu Beginn diesen Jahres hat sie ein BEM-Verfahren beantragt, ist aber weiterhin krank geschrieben.

Fragen
Ich bitte zu entschuldigen, wenn die Fragen möglicherweise trivial sind. Aber ich komme aus einer komplett anderen Richtung und wenn ich Google, finde ich leider teilweise gegensätzliche Informationen (oder ich interpretiere sie so).
  • Welche Möglichkeiten hat meine Mutter, um wieder in ihrem Betrieb arbeiten zu können? Sie würde nämlich wirklich gerne weiterhin dort arbeiten, aber kann ihre eigentliche Stelle leider nicht mehr machen.
  • Kann sie gekündigt werden, obwohl sie über 15 Jahre im öffentlichen Dienst angestellt ist?
  • Was genau bringt das BEM-Verfahren?
  • Muss sie sich einen neuen Job suchen bzw. die Angebote und Maßnahmen des Arbeitsamts wahrnehmen?

Für jegliche Hilfe und Tipps wäre ich sehr dankbar

2strong

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Antw:Was tun bei Aussteuerung und BEM-Verfahren?
« Antwort #1 am: 03.02.2024 01:09 »
zu 1.
Deine Mutter sollte das Gespräch mit der Dienststelle suchen. Grundsätzlich könnte sie natürlich "einfach" in anderer Funktion in der Dienststelle eingesetzt werden. Ich vermute allerdings, dass die Dienststelle hier eher zurückhaltend agieren wird, da es Deiner Mutter mutmaßlich an einer einschlägigen Ausbildung und Berufserfahrung mangelt. Hier ist sie also vermutlich auf den guten Willen der Dienststelle angewiesen.

zu 2.
Wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, Ihre arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, kann sie langfristig (man nennt das dann "personenbedingt") gekündigt werden.

zu 3.
Im BEM wird nach Optionen gesucht, Deine Mutter wieder in den Dienstbetrieb zu integrieren. Hier kann man durchaus kreative Lösungen finden. Praktisch knüpft dieser Punkt am das unter 1. Beschriebene an.

zu. 4.
Wenn Deine Mutter bei der Dienststelle nicht weiterbeschäftigt werden kann, muss sie sich grundsätzlich einen anderen Job suchen oder eine (Erwerbsunfähigkeits-)Rente beantragen.

Ungeachtet dessen sollte Deine Mutter auch derzeit zumindest übergangsweise Arbeitslosengeld bzw. Bürgergeld erhalten können.

MoinMoin

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Antw:Was tun bei Aussteuerung und BEM-Verfahren?
« Antwort #2 am: 03.02.2024 09:44 »
Solange das BEM nicht durch ist, sieht es bzgl. Kündigung gut für die Mutter aus und schlecht für den AG.
Auch muss der AG versuchen einen anderen Job zu finden und wenn der AG ein Land ist, dann kann er natürlich irgendwo in hintertupfingen noch einen Pförtner Job oder anderes finden, was sie aufgrund ihrer Körperlichen Einschränkung noch ausüben kann.
Im BEM ist man mWn weiterhin krankgeschrieben, erst danach arbeitet man wieder als normaler AN.
Salopp gesagt solltest du deiner Mutter einen Arbeitsrechtschutzversicherung gönnen, damit sie nicht verarscht werden kann, bzw. bei Kündigung sich wehren kann.

offtopic
bei uns wurde bisher immer ein Lösung zum absitzen für solche Menschen gefunden, Pförtner, Registratur, Bote, Telefondienst….auf Teilzeit, damit die böse gesagt, überflüssige Arbeitskraft nicht zu teuer ist, sie aber sich bis zur Rente retten kann.
Das kommt aber eben auf die Menschlichkeit der Entscheider an, ist ja schließlich uU rausgeschmissenes Geld.

clarion

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Antw:Was tun bei Aussteuerung und BEM-Verfahren?
« Antwort #3 am: 03.02.2024 23:35 »
Bei uns gibt es aber keine Absitzjob mehr, keine Telefonzentrale, keinen Pförtner, wir haben die E Akte. Ich könnte mir vorstellen,  dass es in anderen Behörden ähnlich aussieht.

ahnungsloser

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Antw:Was tun bei Aussteuerung und BEM-Verfahren?
« Antwort #4 am: 04.02.2024 10:23 »
Vielen Dank für eure Hilfe!  :)
Das bringt auf jeden Fall einen besseren Überblick und hat mir sehr weitergeholfen.
Allerdings nehme ich daraus mit, dass wir wieder auf den Ausgang des BEM-Verfahrens warten müssen, was sich derzeit noch nicht terminieren lässt.
Es ist natürlich sehr schwierig für meine Mutter, weil sie sich wie am Bahnhof fühlt und darauf wartet, dass der Zug ankommt. Allerdings bekommt sie keine Informationen wann er kommt bzw. wie lange es noch dauert:
BEM-Verfahren und Jobcenter lassen auf sich warten und man weiß nicht wann und wie es weiter geht.
Das ist natürlich psychisch und finanziell eine Belastung für sie.

Ich habe versucht zu recherchieren, ob sie beim Bund oder einem Land angestellt ist, bin mir aber nicht 100% sicher. Sie ist auf jeden Fall bei der Rentenversicherung angestellt (hier scheint es Bund und Land zu geben) und wahrscheinlich beim Land.

Ausbildungstechnisch sieht es bei ihr eher schlecht aus und ob ein Job für sie gefunden werden kann ist fraglich. Dazu gibt es bisher keine Informationen.

Inwieweit ist es denn die Pflicht des AG nach einem Job zu suchen?
Wäre es auch möglich, dass dieser bei einer anderen Landesbehörde oder sonst irgendwo im öffentlichen Dienst ist?
Die Alternative, wenn sie zu einer anderen "Filiale" der Rentenversicherung muss, beinhaltet vermutlich lange Fahrtwege.

Pukki

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Antw:Was tun bei Aussteuerung und BEM-Verfahren?
« Antwort #5 am: 06.02.2024 15:12 »
Solange das BEM nicht durch ist, sieht es bzgl. Kündigung gut für die Mutter aus und schlecht für den AG.
Auch muss der AG versuchen einen anderen Job zu finden und wenn der AG ein Land ist, dann kann er natürlich irgendwo in hintertupfingen noch einen Pförtner Job oder anderes finden, was sie aufgrund ihrer Körperlichen Einschränkung noch ausüben kann.
Im BEM ist man mWn weiterhin krankgeschrieben, erst danach arbeitet man wieder als normaler AN.
Salopp gesagt solltest du deiner Mutter einen Arbeitsrechtschutzversicherung gönnen, damit sie nicht verarscht werden kann, bzw. bei Kündigung sich wehren kann.

offtopic
bei uns wurde bisher immer ein Lösung zum absitzen für solche Menschen gefunden, Pförtner, Registratur, Bote, Telefondienst….auf Teilzeit, damit die böse gesagt, überflüssige Arbeitskraft nicht zu teuer ist, sie aber sich bis zur Rente retten kann.
Das kommt aber eben auf die Menschlichkeit der Entscheider an, ist ja schließlich uU rausgeschmissenes Geld.
Ich glaube, du wirfst BEM und Wiedereingliederung durcheinander. Ein BEM-Verfahren kann sich auch an eine auskurierte Erkrankung anschließen. Das hat mit einer Krankschreibung nur insoweit zu tun, dass es eingeleitet wird, wenn der oder die Betroffene innerhalb eines Jahres insgesamt mindestens 6 Wochen krank gewesen ist.
Kurz gesagt soll ein BEM ja auch nur dazu dienen, einen möglichst leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, um die Wahrscheinlichkeit künftiger längerfristiger Ausfälle im Rahmen der Möglichkeiten des Arbeitgebers soweit wie möglich zu reduzieren.

Ist man allerdings lange krankheitsbedingt ausgefallen und spricht sich der Hausarzt oder die Hausärztin für eine Wiedereingliederung aus, und wird eine entsprechende Vereinbarung geschlossen, so ist man während der Wiedereingliederungsphase weiterhin "krank".

Rentenonkel

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Antw:Was tun bei Aussteuerung und BEM-Verfahren?
« Antwort #6 am: 07.02.2024 08:37 »

zu. 4.
Wenn Deine Mutter bei der Dienststelle nicht weiterbeschäftigt werden kann, muss sie sich grundsätzlich einen anderen Job suchen oder eine (Erwerbsunfähigkeits-)Rente beantragen.



Eine Erwerbsminderungsrente hätte solange keine Aussicht auf Erfolg, wie theoretisch eine Beschäftigung von mehr als 6 Stunden unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes möglich erscheint.

Hier scheint ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben [LTA] mehr Aussicht auf Erfolg zu haben. Im Rahmen von LTA wird auch im Rahmen von BEM geschaut, ob begleitet von finanziellen Anreizen der Arbeitgeber ermuntert werden kann, eine innerbetriebliche Lösung zu finden. Wenn das nicht gelingt, werden alternative, überbetriebliche Unterstützungsmöglichkeiten zur beruflichen Neuorientierung besprochen. Solange eine Integration ins Arbeitsleben nicht gelingt, stehen ihr zunächst Leistungen der Bundesagentur zu (ALG I) und je nach Bedürftigkeit danach ggf. Bürgergeld.

Stellen kann man den Antrag online unter www.deutsche-rentenversicherung.de/eantrag

Sofern es sich bei dem Unfall um einen Arbeits- oder Wegeunfall handelt, wäre der Antrag bei der BG zu stellen.

Friedrichs007

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Antw:Was tun bei Aussteuerung und BEM-Verfahren?
« Antwort #7 am: 07.02.2024 11:12 »
Bei einem GdB von 30% kann auch bei der Bundesagentur für Arbeit eine Gleichstellung beantragt werden.

Eine Gleichstellung ist an die folgenden Voraussetzungen geknüpft:

Der Grad Ihrer Behinderung beträgt weniger als 50, aber mindestens 30.
Sie haben Ihren Wohnsitz, Ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Arbeitsplatz rechtmäßig in Deutschland.
Aufgrund Ihrer Behinderung ist Ihr Arbeitsplatz gefährdet oder Sie können deswegen keinen geeigneten Arbeitsplatz finden.

Die Gleichstellung beantragen Sie bei Ihrer zuständigen Agentur für Arbeit. Sie können den Antrag online stellen (siehe Abschnitt „Dokumente online übermitteln“ unten). Sie können die Gleichstellung auch formlos, das heißt persönlich, telefonisch oder schriftlich beantragen.

Die Agentur für Arbeit muss prüfen, ob Sie die notwendigen Voraussetzungen erfüllen. Darum müssen Sie im Antrag einige Fragen beantworten. Sie müssen außerdem Art und Grad Ihrer Behinderung nachweisen.

Haben Sie den Antrag gestellt und den notwendigen Nachweis des Grads Ihrer Behinderung erbracht, prüft die Agentur für Arbeit Ihren Antrag. Wenn Sie Ihren aktuellen Arbeitsplatz absichern möchten, befragt Ihre Agentur für Arbeit Ihre Arbeitgeberin oder Ihren Arbeitgeber zu Ihrem Arbeitsverhältnis und zu Ihrer Arbeitsplatzsituation.

Gleiches gilt für Ihren Betriebs- oder Personalrat und Ihre Schwerbehindertenvertretung (falls jeweils vorhanden). Die Befragung dieser Stellen erfolgt nur, wenn Sie hierzu Ihre Einwilligung gegeben haben.

Nachdem die Agentur für Arbeit Ihren Antrag geprüft hat, erhalten Sie einen schriftlichen Bescheid darüber, ob Ihr Antrag bewilligt oder abgelehnt wurde. Gegen diesen Bescheid können Sie Widerspruch einlegen.

Und danach wird das Integrationsamt mit eingebunden!

Das Integrationsamt

fördert und sichert die berufliche Eingliederung von schwerbehinderten Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
berät schwerbehinderte Menschen und ihre Arbeitgeber bei der Schaffung und Sicherung der Arbeitsplätze.
gewährt finanzielle Leistungen an schwerbehinderte Menschen und Arbeitgeber.
entscheidet unter Abwägung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen über Kündigungsanträge.