Autor Thema: Verständnisfrage zur Befreiung von Ausbildungs- und Prüfungspflicht  (Read 2653 times)

Carla

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In den Vorbemerkungen zu den Eingruppierungsregelungen der Entgeltordnung VKA steht unter
Ziffer 7 Absatz (5): Von der Ausbildungs- und Prüfungspflicht sind Beschäftigte befreit
a) mit einer mindestens zwanzigjährigen Berufserfahrung bei einem Arbeitgeber, der vom Geltungsbereich des TVöD oder eines vergleichbaren Tarifvertrags erfasst wird, oder bei einem anderen öffentlichrechtlichen Arbeitgeber.

Heißt das
1. Dass Angestellte, die aufgrund des persönlichen Merkmals der nicht "ausreichenden" Ausbildung eine Entgeltgruppe unter der eigentlichen Entgeltgruppe bezahlt werden, nach 20 Jahren im ÖD automatisch hochgezogen bzw. gleichgestellt werden?
2. Dass sich diese Angestellte auch auf "höhere" Stellen bewerben können, wenn sie aufgrund ihrer fachlichen Erfahrung dafür geeignet sind?

Vielen Dank vorab!


2strong

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Nein. Das bedeutet lediglich, dass der Tarifvertrag das Vorliegen der Ausbildungs nicht mehr zwingend voraussetzt. Wenn der Arbeitgeber in der Stellenausschreibung trotzdem einen Studienabschluss oder den VL 2 verlangt, kann sich die langgediente Mitarbeiter für die Befreiung nichts kaufen. Der Arbeitgeber müsste die Ausschreibung also bewusst für den Personenkreis mit >20 Jahren öffnen.

MoinMoin

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Oder es bewusst es offen gestallten.
Wir schreiben EG13 Stelle auch so aus, dass sich ein Schulabbrecher drauf bewerben kann und wir ihn einstellen dürfen.

TVOEDAnwender

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Les mal u.a. diese Urteile:

LAG Hamm, Urteil vom 18.04.2019 - 17 Sa 696/18: https://openjur.de/u/2192335.html
LAG Köln, Urteil vom 09.03.2023 - 6 Sa 610/22: https://openjur.de/u/2475980.html

MoinMoin

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Tja, wenn AGs muss Bestimmungen in die Ausschreibung schreiben, dann muss man sie halt auch erfüllen, da man sonst nicht berücksichtigt werden kann.
Wenn er darauf verzichten und nur wünschenswerte Eigenschaften aufführt, dann darf er auch Schulabbrecher berücksichtigen.

Carla

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Vielen Dank für die Antworten. Und wie verhält es sich hinsichtlich Frage 1?

2strong

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Nach 20 Jahren bekäme man eine Entgeltgruppe weniger als eigentlich vorgesehen.

TVOEDAnwender

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Nach 20 Jahren bekäme man eine Entgeltgruppe weniger als eigentlich vorgesehen.

Ich mach mal einen auf SPID: Nein.

2strong

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Weil? Nach 20 Jahren tritt doch die Situation ein, die man in den neuen Bundesländern (örtlicher Anwendungsbereich) bereits heute hat.

uha

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Soweit eine Eingruppierung nach der Vorbemerkung Nr. 2 erfolgt ist, verbleibt es bei unveränderter Tätigkeit, entsprechend der durch Arbeitgeber übertragenen Tätigkeiten, dauerhaft bei dieser Eingruppierung.
Es erfolgt auch nach 20 Jahren keine Höhergruppierung.

Die Eingruppierung unter Anwendung der Nr. 2 ist eine Ausnahmeerscheinung und erfolgt nur, wenn in dem betroffenen Bundesland keine Ausbildungs- und Prüfungspflicht durch die Tarifvertragsparteien tarifiert wurde.

In Bundesländern, in denen nach der Vorbemerkung 7 eine Ausbildungs- und Prüfungspflicht existiert, dürfen Arbeitgeber nicht wahlweise die Nr. 7 oder Nr. 2 anwenden. Die Tarfvertragsparteien gehen hier von getrennten Systemen aus. Eine Vermischung dieser beiden Instrumente führt zu unbilligen Ergebnissen, die von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt sind.

Daher: Soweit jemand in einem Bundesland, das keine Ausbildungs- und Prüfungspflicht kennt, nach der Vorbemerkung Nr. 2 eingruppiert wurde, kann dieser sich nach 20 Jahren nicht Systemfremd auf eine Regelung der Nr. 7 berufen. Die Nr. 2 kommt zur Anwendung, da eine Eingruppierung z.Bsp. in der E 9c aufgrund eines dort zu erfüllenden Tarifmerkmales, wie Hochschulabschluss ( Bachelor FH / Uni) und ! entsprechende Tätigkeit, in der Person des Beschäftigten nicht erfüllt sind, zudem dieser nicht den Begriff des Sonstigen erfüllt (gleiche universelle Einsetzbarkeit in jedem Bereich der Verwaltung) oder das Merkmal "in der Tätigkeit von" nicht vorgesehen ist ( Z.BSP. in der Tätigkeit von Sozialarbeitern S8b statt S 11b).

Grundsätzlich ist es immer angeraten, sich die Qualifizierung durch einen A II Lehrgang, oder Verwaltungsbetriebswirt, zu sichern. Hier gibt es zwischenzeitlich in Freiburg sogar die Möglichkeit eines Fernstudiums und Ablegung einer A II Prüfung vor dem Regierungspräsidium Karlsruhe. Ansonsten gibt es auch Lehrgänge in Kaiserslautern zum Teil Abends, zum Teil Samstags. Oder die de LUXE Lösung: der Arbeitgeber veranlasst den Besuch eines AII, zahlt alle Kosten und Freistellung für den Schulbesuch. Das kann er aber nur machen, wenn es eine Ausbildungs- und Prüfungspflicht gibt und nicht nach Vorbemerkung 2 eine Eingruppierung vorgenommen hat. Hier erwirbt der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Besuch des Lehrgangs.

Es kann sich irgendwann als schwierig erweisen, wenn man sich diese Qualifizierung nicht angeeignet hat, da es dem Arbeitgeber zulässigerweise freisteht, für Tätigkeiten die aus dessen Sicht erforderliche Qualifizierung A II, Bachelor usw. festzusetzen. Wer sie nicht erfüllt, kann im Bewerbungsverfahren nicht teilnehmen, auch nicht nach 20 Jahren!

DAHER TIPP:
Nicht auf die 20 Jahre sehen, sondern veruchen einen A II Lehrgang vom Arbeitgeber zu bekommen!

 :)




TVOEDAnwender

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Auch deine Aussagen sind falsch: In den Bundesländern, in welchen die Ausbildungs- und Prüfungspflicht nicht gilt, kann eine Eingruppierung in die Entgeltgruppen 5 bis 12 ohne Erfüllung von persönlichen Voraussetzung erfolgen, da sowohl die Eingruppierung aufbauend auf EG 5 / Fgr. 2, als auch aufbauend auf die EG 9b / FG.2 keine Anforderungen in die Person stellen. Daher kommt hier die Vorbemerkung Nr. 2 auch nicht zur Anwendung.

TVOEDAnwender

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Die Eingruppierung ab EG 5 bis einschließlich EG 12 erfolgt in 2 Strängen. Im ersten Strang (s.o.) ist ab EG 5 bis einschließlich EG 9a als personenbezogenes Merkmal das Vorliegen einer 3-jährigen Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf, ab EG 9b bis EG 12 das Vorliegen einer abgeschlossenen Hochschulbildung (bzw. als weitere Öffnung der sog. Sonstige Beschäftigte) erforderlich. Im zweiten Strang ist ausgehend von der Fallgruppe 2 in EG 5 bzw. EG 9b zunächst das Vorliegen abstrakter Tätigkeitsmerkmale anhand der Erfordernisse der auszuübenden Tätigkeit maßgebend. Bei bestimmten Kommunalen Arbeitgeberverbänden (Bayern, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein) muss hierfür nach Ziff. 7 der Grunds. Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) als subjektives Merkmal erfolgreich die Erste bzw. Zweite Verwaltungsprüfung abgelegt worden sein.

KAV NW NL 047/19

TVOEDAnwender

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Nach 20 Jahren bekäme man eine Entgeltgruppe weniger als eigentlich vorgesehen.
...und in den Ländern, in welchen die A-u-P.-Pflicht besteht ist man - bei Anwendung der Ausnahmeregelung "20 Jahre" - direkt in die EG eingruppiert, nicht eins drunter (siehe meine vorherigen Ausführungen).

SHREK5000

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Auch deine Aussagen sind falsch: In den Bundesländern, in welchen die Ausbildungs- und Prüfungspflicht nicht gilt, kann eine Eingruppierung in die Entgeltgruppen 5 bis 12 ohne Erfüllung von persönlichen Voraussetzung erfolgen, da sowohl die Eingruppierung aufbauend auf EG 5 / Fgr. 2, als auch aufbauend auf die EG 9b / FG.2 keine Anforderungen in die Person stellen. Daher kommt hier die Vorbemerkung Nr. 2 auch nicht zur Anwendung.
:)
Zusammenfassend:
Das es zwei Stränge gibt ist klar, in Bundesländern mit Ausbildungs- und Prüfungspflicht muss diese erfüllt werden, wenn Bedingungen des Stranges I nicht vorliegen. In den Bundesländern sei die Anwendung der Nr. 2 insoweit unzulässig, da vorrangig die Nr. 7 erfüllt werden muss und nicht mit der Nr. 2 umgangen werden dürfe. Nachvollziehbar.

Das die Eingruppierung nach Strang 2 ohne dieses zusätzliche subjektive Merkmal in Bundesländern ohne Prüfungspflicht möglich ist, auch klar.

Das soweit jemand, der die Voraussetzungen für eine Befreiuung nach Nr. 7 (20 Jahre) erfüllt hat und in einem Auswahlverfahren zugelassen wurde (weil der Arbeitgeber keine Anforderungen an die Ausbildung gestellt hat) in die Wertigkeit der Tätigkeit unmittelbar eingruppiert werden kann, auch klar.

Unklar bleibt,
wenn in Bundesländern mit Prüfungspflicht  in den EG 5-12 keine Umgehung der Nr. 7 durch die Nr.2 erfolgen kann,
die Bundesländer ohne Prüfungspflicht  die Vorbemerkung 2 nicht anwenden, da diese dort unmittelbar in der Fallgruppe 2, ohne jedwede subjektiven Voraussetzungen ( E 5-12) eingruppieren;

 ::)Wo findet nun die Vorbemerkung Nr. 2 überhaupt Anwendung?
Im allgemeinen Teil nur in den Entgeltgruppen 13-15? Und ggfls. bei Spezialmerkmalen wie Meister? Ingenieure? Oder wo ist das denkbar?

Da die 20 Jahre sich explizit auf die Nr. 7 beziehen, wird es wohl unabdingbar so sein, dass- soweit ein Anwendungsfall der Nr. 2 vorliegen würde, dann nach den 20 Jahren nicht zur Höherstufung in die eigentliche Entgeltgruppe kommt?

Es soll aber auch Verwaltungen geben, da wird einfach eins tiefer eingruppiert wenn keine Ausbildung nach Nr. 1 vorliegt, unbesehen der Möglichkeiten nach Fallgruppe 2.

Einfach um eine Abgrenzung zu Mitarbeitern mit der entsprechenden Ausbildung darzustellen.



TVOEDAnwender

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Zitat
::)Wo findet nun die Vorbemerkung Nr. 2 überhaupt Anwendung?
Im allgemeinen Teil nur in den Entgeltgruppen 13-15? Und ggfls. bei Spezialmerkmalen wie Meister? Ingenieure? Oder wo ist das denkbar?

Die Vorbemerkung Nr. 2 regelt die Fälle, in denen in einem Tätigkeitsmerkmal eine Voraussetzung in der Person gefordert wird und der Beschäftigte bei Erfüllung der sonstigen Anforderungen diese geforderte Vorbildung oder Ausbildung nicht besitzt.

Also z.B. im "allgemeinen Teil" bei Eingruppierungen aufbauend auf die EG 5 Fg. 1, EG 9b Fg. 1 und EG 13 Fg. 1. Die jeweiligen E 5/9b/13 Fg. 2 sind jeweils ohne Voraussetzungen in der Person, wenn Eingruppierung über FG 2 erfolgt (erfüllt), keine Anwendung der Vorbemerkung Nr. 2 notwendig.

In den speziellen Tätigkeitsmerkmalen ist es unterschiedlich:

- ITK: EG 6 Fg. 1 - Ausbildungsbezug, Fg. 2 - kein Ausbildungsbezug, EG 10 Fg. 1 - Studium - Fg. 2 Heraushebungsmerkmal ohne Anforderung in die Person - daher hier Eingruppierung bis EG 13 ohne jegliche Ausbildung möglich, jeweils über Fgr. 2

- Techniker: EG 8: Anforderung in der Person (Staatlich geprüfte Technikerinnen und Techniker mit entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer
Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.), darauf aufbauend Eingruppierung bis EG 9b - daher Anwendung der Vorbemerkung Nr. 2

- Meister: siehe Techniker, nur hier ist die Eingruppierung bis EG 9c möglich

- Ingenieure: siehe Meister/Techniker, aufbauend auf EG 10 bis EG 13 (Ing. mit Bachelor/Hochschulstudium (Dipl.Ing.FH).

- XXIV. Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst: I.d.R. Anforderung in der Person, hier jedoch aufpassen: Tätigkeitsmerkmale "in der Tätigkeit als..." vorhanden, somit gilt Vorbemerkung Nummer 2 Satz 3.