Autor Thema: Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte  (Read 4556 times)

silke

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Ich habe mich, aus einem festen Arbeitsverhältnis heraus, an einer anderen Universität beworben. Aus persönlichen Gründen. Es ist im Grunde die gleiche Position. Ich habe jahrelange Arbeitserfahrung, Weiterqualifikationen und sehr gute Zwischenzeugnisse. Und ich bin schwerbehindert. Nach meiner Bewerbung hat mich der Leiter zum ersten Mal angerufen und versucht mir meine Bewerbung auszureden. Ich hätte doch eine so tolle Stelle und ich hätte dort bessere Aufgaben etc. Nun gut. Nach der Bewerbungsfrist hat mich der Leiter zum zweiten Mal angerufen. Eigentlich um einen Termin für ein Vorstellungsgespräch zu vereinbaren. In Wirklichkeit wollte er mir die Bewerbung ein zweites Mal ausreden. Es hätten sich über 100 beworben und sehr viele gute Bewerber seien eingeladen, worüber er sich sehr freut etc. Ich gehe stark davon aus, dass es eine Scheinausschreibung ist. Lange Rede kurzer Sinn, wenn ich hinfahre und es wird ein "Interner" genommen, wie sollte ich dann verfahren? Ist eine Klage realistisch erfolgreich? Oder ist es so sinnlos, dass ich am besten gar nicht fahre? Lg Silke

clarion

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #1 am: 03.03.2024 23:26 »
Der Vorgesetzten will Dir das vielleicht ausreden, ist aber nicht allein im Auswahlgremium. Kampflos würde ich das Feld nicht räumen.

Thomber

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #2 am: 04.03.2024 07:55 »
Abgesehen davon, dass ein Mensch, der in Arbeit steht und sich auf die gleiche Stelle bewirbt, eigentlich den besonderen Schutz für Schwerbehinderte nicht benötigt, muss natürlich die Bewerberauswahl korrekt getroffen werden und bei Zweifeln kannst Du das ja juristisch hinterfragen lassen.  Möge der/die/das Bessere gewinnen.

MoinMoin

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #3 am: 04.03.2024 08:13 »
Das versucht wird dir es auszureden ist insgesamt verständlich, da dadurch, sofern du auf Platz 1 kommst, es wieder lange dauert, bis eine zusätzlich Person im öD eingestellt werden kann, also die dann freiwerdende Stelle neu besetzt ist.
Das kann dir aber egal sein, bewerben und im Zweifel Akteneinsicht fordern und im Zweifel klagen, leben was das angeht ja noch in einem Rechtstaat.

NelsonMuntz

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #4 am: 04.03.2024 09:08 »
Letztendlich ist das eine Geschmacksfrage. Wenn für die vakante Stelle eigentlich bereits ein Wunschkandidat zur Stelle steht, eine Einstellung aber nur über den Weg der (öffentlichen) Ausschreibung möglich ist, dann kann man da von außen hineingrätschen, muss es aber nicht. Inwieweit ein über den Klageweg zustandegekommenes Arbeitsverhältnis ein "glücklicher" Start in eine erfolgreiche Arbeitsbeziehung darstellt, ist wie gesagt: Eine Frage des persönlichen Geschmacks.

btw: Wir schreiben offene Stellen zunächst immer intern aus. Diese Ausschreibungen sind recht oft "maßgeschneidert", um es MA zu ermöglichen, im Haus das Referat zu wechseln, oder MA von Fremdfirmen fest zu übernehmen. Da bewirbt sich dann in der Regel auch nur die betreffone Person drauf.

Albeles

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #5 am: 04.03.2024 09:14 »
Stellt sich noch zusätzlich die Frage, wie Sinnvoll es ist, irgendwo beruflich anzufangen, wenn man nicht "erwünscht" ist. Ich persönlich hätte da schon kein Bock drauf in ein solches Klima zu kommen. Man ist ja schon ein paar Std am Tag dort...
Aber das muss ja jeder für sich entscheiden, ob er diesen Weg gehen will.

FloHB

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #6 am: 04.03.2024 11:50 »
Aus meiner Sicht macht es überhaupt keine Sinn dort zum Vorstellungsgespräch zu gehen. Zwei Anrufe sollten doch ausreichen, um zu verstehen, dass man dort nicht erwünscht ist. Der Grund spielt keine Rolle, denn man macht sich in jedem Fall das Leben unnötig schwer und wird es nicht ändern können.
Selbst wenn der AG mehr oder weniger "gezwungen" wird, dich einzustellen, gibt es genug legale Wege einem AN, das Leben auf der Arbeit schwer zu machen, das tut man sich doch normalerweise nicht freiwillig an.

Schinkensandwich

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #7 am: 04.03.2024 12:47 »
Aus meiner Sicht macht es überhaupt keine Sinn dort zum Vorstellungsgespräch zu gehen. Zwei Anrufe sollten doch ausreichen, um zu verstehen, dass man dort nicht erwünscht ist. Der Grund spielt keine Rolle, denn man macht sich in jedem Fall das Leben unnötig schwer und wird es nicht ändern können.

Es ist halt auch schlicht und ergreifend maximal unverschämt gleich zweimal der eigentlich sehr gut qualifizierten und sehr gut passenden (schwerbehinderten) Bewerberin die Bewerbung madig machen zu wollen. Da wäre es natürlich gut gewesen, wenn bei diesen Telefonaten ein Zeuge o.ä. mitgehört hätte. Ich sehe es zwar auch so, dass man dann wohl letztlich nicht genommen werden wird, aber bei einem derart unverschämten Arbeitgeber wäre hier theoretisch eine sehr gute Grundlage gelegt, um die maximale Entschädigung nach AGG in so einem Fall zu erstreiten.

Thomber

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #8 am: 04.03.2024 13:09 »
Sagen wir es so:   Jeder andere, nicht schwerbehinderte Bewerber hätte nicht einmal einen Anruf erhalten.   ;D
Dass man vorab per Telefonat versucht einen Bewerber abzuschrecken - ist ja immerhin relativ offen, ehrlich und fair.   Klagen?  Ja, wäre zumindest typisch und würde wohl keinen verwundern. 

m4ck

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #9 am: 04.03.2024 13:15 »
Ganz komische Perspektiven hier -- teilweise gespickt mit politischen Behauptungen ("noch in einem Rechtsstaat") ...

Die Bewerberin schreibt, dass sie "aus persönlichen Gründen" die Stelle interessant findet. Das ist ihr gutes Recht und deswegen muss sie sich keine nett verpackten Unverschämtheiten des AGs anhören. Es klingt ja wirklich so, als ob dieser zu wissen scheint, dass er etwas falsch macht.

Für mich ist das ein klassischer Fall für den Rechtsschutz einer Gewerkschaft. Erkundige dich doch mal dort, ob es sinnvoll ist hier zu klagen und was das bedeutet. Viel Erfolg!

troubleshooting

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #10 am: 04.03.2024 14:00 »
Ganz komische Perspektiven hier -- teilweise gespickt mit politischen Behauptungen ("noch in einem Rechtsstaat") ...

Die Bewerberin schreibt, dass sie "aus persönlichen Gründen" die Stelle interessant findet. Das ist ihr gutes Recht und deswegen muss sie sich keine nett verpackten Unverschämtheiten des AGs anhören. Es klingt ja wirklich so, als ob dieser zu wissen scheint, dass er etwas falsch macht.


Beim ersten teil bin ich dabei. Insbesondere Aussagen, wie "...Der Grund spielt keine Rolle, ..." oder "... ist ja immerhin relativ offen, ehrlich und fair.." sind schon arg grenzwertig. Genau deshalb gibt es die Antidiskriminierungsgesetze.

NelsonMuntz

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #11 am: 04.03.2024 14:32 »
Ganz komische Perspektiven hier -- teilweise gespickt mit politischen Behauptungen ("noch in einem Rechtsstaat") ...

Die Bewerberin schreibt, dass sie "aus persönlichen Gründen" die Stelle interessant findet. Das ist ihr gutes Recht und deswegen muss sie sich keine nett verpackten Unverschämtheiten des AGs anhören. Es klingt ja wirklich so, als ob dieser zu wissen scheint, dass er etwas falsch macht.

Für mich ist das ein klassischer Fall für den Rechtsschutz einer Gewerkschaft. Erkundige dich doch mal dort, ob es sinnvoll ist hier zu klagen und was das bedeutet. Viel Erfolg!

Frage:
Was würdest Du mit einem solchen Vorgehen erreichen wollen? Einen guten Start in einem neuen Beschäftigungsverhältnis kann man so wohl eher nicht erwarten. Wenn man menschlich bereits ziemlich abgestumpft ist, dann ist einem das natürlich auch wieder egal - aber dann enstehen ganz schnell neue "persönliche Gründe", warum man schnell wieder weg will.

Muss aber jeder für sich selbst wissen.

Organisator

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #12 am: 04.03.2024 14:47 »
Ganz komische Perspektiven hier -- teilweise gespickt mit politischen Behauptungen ("noch in einem Rechtsstaat") ...

Die Bewerberin schreibt, dass sie "aus persönlichen Gründen" die Stelle interessant findet. Das ist ihr gutes Recht und deswegen muss sie sich keine nett verpackten Unverschämtheiten des AGs anhören. Es klingt ja wirklich so, als ob dieser zu wissen scheint, dass er etwas falsch macht.


Beim ersten teil bin ich dabei. Insbesondere Aussagen, wie "...Der Grund spielt keine Rolle, ..." oder "... ist ja immerhin relativ offen, ehrlich und fair.." sind schon arg grenzwertig. Genau deshalb gibt es die Antidiskriminierungsgesetze.

Aber diese Antidiskriminierungsgesetze machen das Leben manchmal unnötig schwer. Wenn ich als AG einen passenden Bewerber habe, versuche ich doch anderen (und mir) Zeit und Arbeit zu sparen und sie zur Rücknahme der Bewerbung zu motivieren.

Ansonsten würde man halt ein sinnloses Vorstellungsgespräch durchführen, Stunden (Arbeits-) Zeit verpulvern und dann doch den passenden (und geeigneten) Bewerber auswählen. Eine Chance auf Einstellung sehe ich nicht.

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #13 am: 04.03.2024 15:30 »
... Wenn ich als AG einen passenden Bewerber habe, versuche ich doch anderen (und mir) Zeit und Arbeit zu sparen und sie zur Rücknahme der Bewerbung zu motivieren.

Ansonsten würde man halt ein sinnloses Vorstellungsgespräch durchführen, Stunden (Arbeits-) Zeit verpulvern und dann doch den passenden (und geeigneten) Bewerber auswählen. Eine Chance auf Einstellung sehe ich nicht.

Den Fehler solltest du selbst mitbekommen. Warum machst du überhaupt eine Ausschreibung, wenn du einen Bewerber hast? Mit einem "fairen" Verfahren, im Sinne von ergebnisoffen, hat das dann nichts zu tun.

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #14 am: 04.03.2024 15:37 »

Frage:
Was würdest Du mit einem solchen Vorgehen erreichen wollen? Einen guten Start in einem neuen Beschäftigungsverhältnis kann man so wohl eher nicht erwarten. Wenn man menschlich bereits ziemlich abgestumpft ist, dann ist einem das natürlich auch wieder egal - aber dann enstehen ganz schnell neue "persönliche Gründe", warum man schnell wieder weg will.
...

Ging zwar nicht an mich, aber dennoch: Habe auch einmal die Erfahrung mit einer getürkten offenen Stellenausschreibung machen dürfen. Kam allerdings erst im Vorstellungsgespräch raus, obwohl ich vorher explizit nachgefragt hatte. Das Schöne ist, man sieht sich ganz oft 2x im Leben. Und just genau der damals Verantwortliche, hat dann in seiner inzwischen neuen Funktion versucht, mich zum Bleiben zu überreden.
Lustig war auch seine Begrüßung: "Wir kennen uns noch nicht..." - Ich: "Oh, doch!"

Natürlich hätte ich die Stelle damals dann auch nicht erkämpfen und antreten wollen. Nur, bei solchen Sachen habe ich ein Elefantengedächtnis!