Oje, was für arme Menschen, die den Partner pflegen müssen, obwohl die Kinder noch nicht außer Haus sind.
So jung Pflegefall oder so alt Eltern geworden?
Entscheidend ist doch die Frage, ob Kinderlose früher die Versicherung in Anspruch nehmen? Oder wird hier eine nicht wirklich zulässige Verbindung, kinderlos - familienlos, insinuiert?
Vergleicht man die Gruppe der Eltern mit den Kinderlosen, so sind erhebliche Unterschiede im Aufwand bei stationärer Pflege nicht nachweisbar. Der Sachverständige Professor Dr. Schmähl hat ausgeführt, es lägen derzeit keine repräsentativen empirischen Daten vor, ob stationäre Pflege von Kinderlosen häufiger in Anspruch genommen wird als von Pflegebedürftigen mit Kindern. Zwar gebe es einige Anhaltspunkte dafür, dass sich ältere Pflegebedürftige ohne Kinder im Vergleich zu Pflegebedürftigen mit Kindern relativ häufiger in stationärer als in häuslicher Pflege befänden, jedoch scheine der Unterschied nicht allzu ausgeprägt zu sein.
Für die Gesamtgruppe der stationär Pflegebedürftigen dürfte sich dieses Bild nicht wesentlich ändern, denn der Anteil der Bewohner von stationären Pflegeeinrichtungen, die jünger als 60 Jahre sind, beträgt ohnehin nur 7 % (vgl. Schneekloth/Müller, S. 132). Es lässt sich deshalb für diese Leistungen der Pflegeversicherung nicht feststellen, dass pflegebedürftige Eltern die Pflegeversicherung finanziell nennenswert weniger belasten als kinderlose Pflegebedürftige. Hinzu kommt, dass - wie vom Gutachter ausgeführt - eigene Kinder nur einer von mehreren Faktoren für die Entscheidung zur häuslichen oder stationären Pflege sind und dieser Faktor derzeit nicht gewichtet werden kann.
Dagegen hat im ambulanten Pflegebereich die Pflege durch Kinder Einfluss auf den Umfang der Leistungsgewährung. Der Sachverständige hat hierzu überzeugend festgestellt, dass die Elterneigenschaft, wenn auch nicht die Zahl der Kinder, die Wahl zwischen den verschiedenen Leistungsarten der ambulanten Pflege entscheidend bestimmt. Die Auswertung der von ihm erhobenen Daten ergibt folgendes Bild: In der Gruppe der über 60-Jährigen - zu denen über 80 % der Pflegebedürftigen zählen -, die ambulant gepflegt werden, ist ein signifikanter Unterschied zu beobachten. Pflegebedürftige Eltern nehmen zu 75,8 % Pflegegeld und nur zu 24,2 % andere, aufwendigere Leistungsarten (Sachleistung, Kombinationsleistung, teilstationäre Leistung) in Anspruch. Für kinderlose Pflegebedürftige gilt dagegen ein Verhältnis von 66 % zu 34 %. Würden Kinder - und hier weit überwiegend Töchter und Schwiegertöchter -, die rund 38 % der Pflegepersonen darstellen (siehe Schneekloth/Müller, S. 52 ff.), ihre Eltern und Schwiegereltern nicht pflegen, wären der Pflegeversicherung im Jahre 2000 Mehrkosten von 3,53 Mrd. DM entstanden. Selbst unter Berücksichtigung des Aufwands für die zugunsten von Pflegepersonen zu zahlenden Rentenversicherungsbeiträge hätten die Mehrkosten noch 2,695 Mrd. DM betragen. Dies entspricht etwa 8 % des gegenwärtigen Leistungsvolumens der sozialen Pflegeversicherung.
Dem steht nicht entgegen, dass die Leistungsausgaben im ambulanten Bereich insbesondere in der nach dem vorhandenen Datenmaterial aussagekräftigsten Pflegestufe II - bezogen auf alle Altersgruppen - für Pflegebedürftige mit Kindern etwas höher sind als die für Pflegebedürftige ohne Kinder. Denn entscheidend ist, dass insgesamt die Leistungsausgaben für Pflegebedürftige ohne Kinder, die 60 Jahre und älter sind, um 10 % höher sind als für gleichaltrige Pflegebedürftige mit Kindern. Die Altersgruppe der Pflegebedürftigen unter 60 Jahren weist insoweit Besonderheiten auf, als zu vermuten ist, dass für ihre Pflege weniger das Vorhandensein von Kindern maßgeblich ist. Sie werden häufig noch durch ihre Eltern gepflegt. Für diese Kinderpflege wird in erheblich größerem Umfang das Pflegegeld gewählt als im Falle der Elternpflege. So erklärt sich nach Auffassung des Sachverständigen auch, dass bezogen auf alle Altersgruppen pflegebedürftige Kinderlose im Durchschnitt geringfügig geringere Pflegekosten verursachen als Pflegebedürftige mit Kindern.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. April 2001 (vgl. BVerfGE 103, 242 ff.) daher festgestellt, dass es mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren ist, dass Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben dem Geldbeitrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisten, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden. Es hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2004 eine Regelung zu treffen, welche die Kindererziehungsleistung in der umlagefinanzierten sozialen Pflegeversicherung bei der Beitragsbemessung berücksichtigt und beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern bei der Bemessung der Beiträge relativ entlastet.
Diese Antwort hat mit der Ausgangsfrage allerdings so gar nichts mehr zu tun