Autor Thema: Reform des Disziplinarrechts des Bundes  (Read 4437 times)

DrStrange

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Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« am: 04.04.2024 10:07 »
Es gibt eine interessante FAQ Seite zu dem Thema.

Dort steht zum Beispiel auch, dass das Entfernen aus dem Dienst durch VA bereits seit 15 Jahren in BaWü praktiziert wird. Das war mir neu.

Hat jemand eine Ahnung, ob es für die übrigen Länder Bestrebungen zur Angleichung an Bundesrecht gibt?

Vielleicht für den ein oder anderen interessant.

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/faqs/DE/themen/oeffentlicher-dienst/beamte/bundesdisziplinargesetz/faq-reform-bundesdisziplinargesetz.html;jsessionid=CCB47AC0EF43B6BC98D5E676623F1932.live861

DrStrange

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #1 am: 04.04.2024 10:13 »
"Sind die Beamten vor willkürlichen Behördenentscheidungen geschützt?

Ja. Widerspruch und Klage gegen eine Disziplinarverfügung haben aufschiebende Wirkung, so dass der Beamtenstatus bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unberührt bleibt. Die Entfernungsverfügung ist gerichtlich voll überprüfbar, die Disziplinarbehörden haben keine Beurteilungs- oder Ermessensspielräume. Die hohen rechtsstaatlichen Standards des Disziplinarverfahrens (Unschuldsvermutung, behördliche Beweislast, Gebot des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens) werden durch die Reform nicht geändert. Die übergeordnete Disziplinarbehörde kann jederzeit korrigierend in das Disziplinarverfahren eingreifen und eine Entfernungsverfügung aufheben."

Imperator

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #2 am: 04.04.2024 10:39 »
https://www.anwalt.de/rechtstipps/bundesdisziplinargesetz-2024-entlassung-aus-beamtenverhaeltnis-ohne-klage-welchen-rechtsschutz-habe-ich-als-beamter-in-222296.html

Einen entsprechenden Artikel dazu gibt es auch bereits schon bei Anwalt.de.
Ich habe nur die Befürchtung, dass künftige Entlassungen aufgrund politischer Ansichten deutlich vereinfacht werden. Meiner Meinung nach, nicht unbedingt demokratiefördernd.
Allerdings wird es natürlich auch einfacher, staatsfeindliche Links- oder Rechtsextreme aus dem Dienst zu entfernen.
Dennoch rieche ich ein wenig Willkür in der Sache.

lumer

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #3 am: 04.04.2024 10:55 »
Disziplinarverfahren sind kein Vergnügen für irgendeine Dienststelle. Sie sind aufwändig und fehleranfällig, da staatsanwaltsähnlich ermittelt werden muss.

Wenn ich von meinem Bundesland auf den Bund schließen würde, würde ich bezweifeln, dass es – außerhalb des Bereichs der Polizei – viele formal ordnungsgemäß durchgeführte Verfahren gibt, die einem gerichtlichen Verfahren in allen Aspekten standhalten.

Oberamtsfuzzi

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #4 am: 07.04.2024 13:44 »
Disziplinarverfahren sind kein Vergnügen für irgendeine Dienststelle. Sie sind aufwändig und fehleranfällig, da staatsanwaltsähnlich ermittelt werden muss.
"staatsanwaltsähnlich" ist alles andere als ein Qualitätsmerkmal. Staatsanwälte sind weisungsgebunden.

Wenn ich von meinem Bundesland auf den Bund schließen würde, würde ich bezweifeln, dass es – außerhalb des Bereichs der Polizei – viele formal ordnungsgemäß durchgeführte Verfahren gibt, die einem gerichtlichen Verfahren in allen Aspekten standhalten.
Dass ausgerechnet die Polizei in der Lage sein soll, besonders viele Disziplinarverfahren formal ordnungsgemäß durchzuführen, möchte ich doch arg bezweifeln.

2strong

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #5 am: 07.04.2024 20:46 »
Dass ausgerechnet die Polizei in der Lage sein soll, besonders viele Disziplinarverfahren formal ordnungsgemäß durchzuführen, möchte ich doch arg bezweifeln.
Den Gedanken hatte ich auch  :D

lumer

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #6 am: 08.04.2024 08:02 »
Disziplinarverfahren sind kein Vergnügen für irgendeine Dienststelle. Sie sind aufwändig und fehleranfällig, da staatsanwaltsähnlich ermittelt werden muss.
"staatsanwaltsähnlich" ist alles andere als ein Qualitätsmerkmal. Staatsanwälte sind weisungsgebunden.
Da alle Beamten und Verwaltungsangestellten weisungsgebunden sind, sind die Disziplinarbehörden weisungsgebunden, selbst wenn die Staatsanwaltschaften nicht weisungsgebunden wären. Deshalb konnte sich "staatsanwaltsähnlich" von vornherein nicht auf irgendeine Unabhängigkeit beziehen, sondern nur auf das Ausmaß der Ermittlungen und darauf, dass alle für und gegen jemanden sprechenden Tatsachen ermittelt werden müssen.

Wenn ich von meinem Bundesland auf den Bund schließen würde, würde ich bezweifeln, dass es – außerhalb des Bereichs der Polizei – viele formal ordnungsgemäß durchgeführte Verfahren gibt, die einem gerichtlichen Verfahren in allen Aspekten standhalten.
Dass ausgerechnet die Polizei in der Lage sein soll, besonders viele Disziplinarverfahren formal ordnungsgemäß durchzuführen, möchte ich doch arg bezweifeln.
Um es deutlicher zu sagen, da es wohl nicht ankam: Übungseffekt. Je häufiger solche Verfahren durchgeführt werden, desto besser wird man darin. Mittlerweile ist die Qualität bei Diszi-Verfahren gegen Lehrer wohl auch schon angestiegen.

lotsch

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #7 am: 08.04.2024 17:29 »
"Einen derartigen Abbau von Rechtsstaatlichkeit habe ich selten erlebt“, sagt der DPolG Bundesvorsitzende Rainer Wendt gegenüber der Berliner Zeitung. Bei Disziplinarmaßnahmen, wo es etwa um Verweise oder Geldstrafen gehe, sei es grundsätzlich noch hinnehmbar, wenn eine Behörde das Verfahren führe und auch ein Urteil fälle. „Dass aber auch Entlassungen ohne gerichtliche Prüfungen ausgesprochen werden können, ist perfide. Beamte müssten sich nun als Privatpersonen einklagen.“

Wendt weiter: „Durch das neue Disziplinargesetz können die Beamten der Willkür von Behördenleitungen ausgesetzt sein. Allein diese Möglichkeit wirkt bedrohlich und einschüchternd, und das ist wohl auch die Absicht von Frau Faeser, sie will eine völlig unkritische und kuschende Beamtenschaft.“

vollständiger Artikel (Berliner Zeitung, 08.04.2024)

beamtenjeff

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #8 am: 08.04.2024 22:34 »
"Einen derartigen Abbau von Rechtsstaatlichkeit habe ich selten erlebt“, sagt der DPolG Bundesvorsitzende Rainer Wendt gegenüber der Berliner Zeitung. Bei Disziplinarmaßnahmen, wo es etwa um Verweise oder Geldstrafen gehe, sei es grundsätzlich noch hinnehmbar, wenn eine Behörde das Verfahren führe und auch ein Urteil fälle. „Dass aber auch Entlassungen ohne gerichtliche Prüfungen ausgesprochen werden können, ist perfide. Beamte müssten sich nun als Privatpersonen einklagen.“

Wendt weiter: „Durch das neue Disziplinargesetz können die Beamten der Willkür von Behördenleitungen ausgesetzt sein. Allein diese Möglichkeit wirkt bedrohlich und einschüchternd, und das ist wohl auch die Absicht von Frau Faeser, sie will eine völlig unkritische und kuschende Beamtenschaft.“

vollständiger Artikel (Berliner Zeitung, 08.04.2024)

Guter Beitrag! Genau diese Überlegung bzgl. der Willkür von Behördenleitungen fand ich auch erschreckend. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ein solches Gesetz in Kraft getreten ist. Wie ist dies überhaupt mit EU-Recht vereinbar? Und überhaupt, wer heilt denn die entstandenen Schäden (finanziell, mental, familiär), wenn man nach einer erfolgreichen Zivilklage wieder ein Amt ausübt? Jeder der einen solchen Weg durchläuft ist danach um 10 Jahre gealtert. Und wie wird dieses Gesetz genutzt, wenn mal "andere" an der Macht sind? Mir scheint so, als wenn man inzwischen sogar noch kürzer als eine Legislatur denkt.

Eine absolute Frechheit dieses Gesetz. Auf der einen Seite Demokratie fördern, auf der anderen Seite die Rechtsstaatlichkeit einstampfen - ein Widerspruch den man inzwischen ganz offen und selbstsicher kommuniziert, unglaublich.

lumer

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #9 am: 09.04.2024 11:48 »
Das, was Herr Wendt dort verbreitet, erscheint mir sehr populistisch.

Die "Willkür von Behördenleitungen" hängt doch nicht daran, dass die höchste Disziplinarmaßnahme nun von der Behördenleitung ausgesprochen werden kann. Das ist in Baden-Württemberg übrigens schon seit Jahren so, ohne dass man dort vom Untergang des "Ländle" spricht. Oder doch? (Lesenswert zu den geschichtlichen Hintergründen der Entlassung von Beamten: BVerwG vom 21.04.2016, 2 C 4.15.)

Ich erinnere nochmals an die Weisungsgebundenheit. Beamte mussten schon bisher das tun, was die Behördenleitung will (Ausnahme: § 36 Abs. 2 Satz 4 BeamtStG). Weshalb sollte also die Entlassung durch Disziplinarverfügung statt durch Gerichtsentscheidung nun dazu führen, dass die Beamten kuschen? Wer auf absolutem Konfrontationskurs mit der Behördenleitung ist, dem dürfte es doch egal sein, ob die Entlassung durch Gericht oder die oberste Dienstbehörde ausgesprochen wird?

Es wird übrigens auch nicht der Zivilrechtsweg beschritten, sondern der Verwaltungsrechtsweg. Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Solange also die Disziplinarverfügung nicht bestandskräftig ist, behält der Beamte seine Dienstbezeichnung und seinen Anspruch auf Besoldung. Wieso das mit dem EU-Recht nicht vereinbar sollte, erkenne ich nicht.

Mile

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lotsch

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #11 am: 01.05.2024 09:22 »
Sachsen und Brandenburg machen es dem Bund nach. Die Frage ist nur, ob das so gut durchdacht ist, denn durch die Abschaffung des Richtervorbehalts würden laut Linke "bei Disziplinarverfahren Dienstherren, auch mögliche AfD-Landräte und -Bürgermeister, ermächtigt, Menschen direkt zu entlassen". Laut der Linken-Fraktion im Brandenburger Landtag würden jetzt "Beamte schlechter gestellt als 'normale' Angestellte im Kündigungsverfahren". Der Rechtsweg werde beschränkt, da bei Entscheidungen der obersten Dienstbehörde ein Widerspruchsverfahren nicht stattfinde. Auch die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts ist nur möglich, wenn sie vom Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Das "gesamte Prozessrisiko" sei somit "auf die Betroffenen verlagert".

clarion

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #12 am: 02.05.2024 06:45 »
Angestellte, denen personenbedingt gekündigt wird,  müssen sich auch gerichtlich dagegen wehren.

Man kann sicherlich das Gesetz kritisieren. Aber das Argument der Linken ist unzutreffend.

DrStrange

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Antw:Reform des Disziplinarrechts des Bundes
« Antwort #13 am: 02.05.2024 11:42 »
Sachsen und Brandenburg machen es dem Bund nach.

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