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Reform des Disziplinarrechts des Bundes

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--- Zitat von: Oberamtsfuzzi am 07.04.2024 13:44 ---Dass ausgerechnet die Polizei in der Lage sein soll, besonders viele Disziplinarverfahren formal ordnungsgemäß durchzuführen, möchte ich doch arg bezweifeln.

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Den Gedanken hatte ich auch  :D

lumer:

--- Zitat von: Oberamtsfuzzi am 07.04.2024 13:44 ---
--- Zitat von: lumer am 04.04.2024 10:55 ---Disziplinarverfahren sind kein Vergnügen für irgendeine Dienststelle. Sie sind aufwändig und fehleranfällig, da staatsanwaltsähnlich ermittelt werden muss.
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"staatsanwaltsähnlich" ist alles andere als ein Qualitätsmerkmal. Staatsanwälte sind weisungsgebunden.

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Da alle Beamten und Verwaltungsangestellten weisungsgebunden sind, sind die Disziplinarbehörden weisungsgebunden, selbst wenn die Staatsanwaltschaften nicht weisungsgebunden wären. Deshalb konnte sich "staatsanwaltsähnlich" von vornherein nicht auf irgendeine Unabhängigkeit beziehen, sondern nur auf das Ausmaß der Ermittlungen und darauf, dass alle für und gegen jemanden sprechenden Tatsachen ermittelt werden müssen.


--- Zitat von: Oberamtsfuzzi am 07.04.2024 13:44 ---
--- Zitat von: lumer am 04.04.2024 10:55 ---Wenn ich von meinem Bundesland auf den Bund schließen würde, würde ich bezweifeln, dass es – außerhalb des Bereichs der Polizei – viele formal ordnungsgemäß durchgeführte Verfahren gibt, die einem gerichtlichen Verfahren in allen Aspekten standhalten.
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Dass ausgerechnet die Polizei in der Lage sein soll, besonders viele Disziplinarverfahren formal ordnungsgemäß durchzuführen, möchte ich doch arg bezweifeln.

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Um es deutlicher zu sagen, da es wohl nicht ankam: Übungseffekt. Je häufiger solche Verfahren durchgeführt werden, desto besser wird man darin. Mittlerweile ist die Qualität bei Diszi-Verfahren gegen Lehrer wohl auch schon angestiegen.

lotsch:
"Einen derartigen Abbau von Rechtsstaatlichkeit habe ich selten erlebt“, sagt der DPolG Bundesvorsitzende Rainer Wendt gegenüber der Berliner Zeitung. Bei Disziplinarmaßnahmen, wo es etwa um Verweise oder Geldstrafen gehe, sei es grundsätzlich noch hinnehmbar, wenn eine Behörde das Verfahren führe und auch ein Urteil fälle. „Dass aber auch Entlassungen ohne gerichtliche Prüfungen ausgesprochen werden können, ist perfide. Beamte müssten sich nun als Privatpersonen einklagen.“

Wendt weiter: „Durch das neue Disziplinargesetz können die Beamten der Willkür von Behördenleitungen ausgesetzt sein. Allein diese Möglichkeit wirkt bedrohlich und einschüchternd, und das ist wohl auch die Absicht von Frau Faeser, sie will eine völlig unkritische und kuschende Beamtenschaft.“

vollständiger Artikel (Berliner Zeitung, 08.04.2024)

beamtenjeff:

--- Zitat von: lotsch am 08.04.2024 17:29 ---"Einen derartigen Abbau von Rechtsstaatlichkeit habe ich selten erlebt“, sagt der DPolG Bundesvorsitzende Rainer Wendt gegenüber der Berliner Zeitung. Bei Disziplinarmaßnahmen, wo es etwa um Verweise oder Geldstrafen gehe, sei es grundsätzlich noch hinnehmbar, wenn eine Behörde das Verfahren führe und auch ein Urteil fälle. „Dass aber auch Entlassungen ohne gerichtliche Prüfungen ausgesprochen werden können, ist perfide. Beamte müssten sich nun als Privatpersonen einklagen.“

Wendt weiter: „Durch das neue Disziplinargesetz können die Beamten der Willkür von Behördenleitungen ausgesetzt sein. Allein diese Möglichkeit wirkt bedrohlich und einschüchternd, und das ist wohl auch die Absicht von Frau Faeser, sie will eine völlig unkritische und kuschende Beamtenschaft.“

vollständiger Artikel (Berliner Zeitung, 08.04.2024)

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Guter Beitrag! Genau diese Überlegung bzgl. der Willkür von Behördenleitungen fand ich auch erschreckend. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ein solches Gesetz in Kraft getreten ist. Wie ist dies überhaupt mit EU-Recht vereinbar? Und überhaupt, wer heilt denn die entstandenen Schäden (finanziell, mental, familiär), wenn man nach einer erfolgreichen Zivilklage wieder ein Amt ausübt? Jeder der einen solchen Weg durchläuft ist danach um 10 Jahre gealtert. Und wie wird dieses Gesetz genutzt, wenn mal "andere" an der Macht sind? Mir scheint so, als wenn man inzwischen sogar noch kürzer als eine Legislatur denkt.

Eine absolute Frechheit dieses Gesetz. Auf der einen Seite Demokratie fördern, auf der anderen Seite die Rechtsstaatlichkeit einstampfen - ein Widerspruch den man inzwischen ganz offen und selbstsicher kommuniziert, unglaublich.

lumer:
Das, was Herr Wendt dort verbreitet, erscheint mir sehr populistisch.

Die "Willkür von Behördenleitungen" hängt doch nicht daran, dass die höchste Disziplinarmaßnahme nun von der Behördenleitung ausgesprochen werden kann. Das ist in Baden-Württemberg übrigens schon seit Jahren so, ohne dass man dort vom Untergang des "Ländle" spricht. Oder doch? (Lesenswert zu den geschichtlichen Hintergründen der Entlassung von Beamten: BVerwG vom 21.04.2016, 2 C 4.15.)

Ich erinnere nochmals an die Weisungsgebundenheit. Beamte mussten schon bisher das tun, was die Behördenleitung will (Ausnahme: § 36 Abs. 2 Satz 4 BeamtStG). Weshalb sollte also die Entlassung durch Disziplinarverfügung statt durch Gerichtsentscheidung nun dazu führen, dass die Beamten kuschen? Wer auf absolutem Konfrontationskurs mit der Behördenleitung ist, dem dürfte es doch egal sein, ob die Entlassung durch Gericht oder die oberste Dienstbehörde ausgesprochen wird?

Es wird übrigens auch nicht der Zivilrechtsweg beschritten, sondern der Verwaltungsrechtsweg. Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Solange also die Disziplinarverfügung nicht bestandskräftig ist, behält der Beamte seine Dienstbezeichnung und seinen Anspruch auf Besoldung. Wieso das mit dem EU-Recht nicht vereinbar sollte, erkenne ich nicht.

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