Und wenn der Kollege hier gestern kritisiert, dass seine bessere Hälfte mit Top-1%-Examen zu viel arbeitet und zu wenig verdient, bleibt mir nur zu sagen: Viel Erfolg in der Großkanzlei. Denn besonders belastbar scheint die eigene Entschlusskraft ja kaum sein zu können. Solche Leute braucht die Justiz in der Tat nicht. Da hapert es nämlich nicht an 10% Besoldungserhöhung rauf oder runter.
Ich wollte mich eigentlich - obwohl ich selbst Staatsanwalt bin und genau die gleichen Erfahrungen gerade selbst mache und sehe, dass alle meine Kollegen sie auch machen - hierzu gar nicht äußern, weil es letztlich eh alles nur frustriert.
Aber in diesem Punkt muss ich dir als ebenfalls Überzeugungstäter aufs Schärfste widersprechen: Wir brauchen gerade die Leute, die aus Überzeugung den Job machen, obwohl wir im Vergleich mit ehemaligen Kommilitonen schlecht bezahlt werden UND selbst nach offiziellen Zahlen deutlich überlastet sind. Die Entschlusskraft liegt darin, WEITERZUMACHEN, trotz der Umstände. Nicht den Schwanz einzuziehen und den Rechtsstaat sich selbst zu überlassen.
Wie glaubst du, sähe denn die Justiz aus, wenn alle Überzeugungstäter das Boot verlassen und nur noch 6-Punkte-Kandidaten mit mangelnder Motivation und Unlust entscheiden?
Ich arbeite in einer StA, in der die Belastung nach offiziellen Zahlen des Ministeriums bei 170% liegt. Unsere Behörde pfeift aus dem letzten Loch. Wer da mit Plattitüden a la "Augen auf bei der Berufswahl" und "dann geh doch einfach" um sich wirft, hat die Situation nicht ansatzweise zu Ende gedacht. Wenn jeder gute Jurist trotz Überzeugung, dass er immer in die Justiz wollte, vorher gar nicht in den Beruf reingeht bzw. nach 3 Jahren das Weite sucht, wie sieht dann die Zukunft der Justiz aus?
Ich persönlich bleibe, weil auch ich seit der Oberstufenzeit immer in die Justiz wollte, aus Überzeugung, um meinen Teil zur Gesellschaft beizutragen. Ist es wirklich zu viel verlangt, im Durchschnitt "nur" 100% statt 200% arbeiten zu müssen? Ist es wirklich zu viel verlangt, im europäischen Vergleich der Bezahlung nicht auf dem letzten Platz zu stehen? Ist es wirklich zu viel verlangt, die Einhaltung der vom BVerfG aufgestellten Parameter zur angemessenen Alimentation zu fordern?
Ich meine nicht. Ich meine sogar, als Überzeugungstäter ist es unsere Pflicht, den Dienstherren darauf hinzuweisen, dass der Fortbestand einer funktionierenden Justiz hiervon abhängt.