Autor Thema: Längere Beschäftigungsverpflichtung wegen Beschäftigtenlehrgang II  (Read 1248 times)

Gissi

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Hallo zusammen,

aktuell habe ich ein recht großes Problem wegen der üblich bekannten Rückzahlungsvereinbarung meines Arbeitgebers. Ich hoffe, hier gibt es ein paar schlaue Köpfe, die mir weiterhelfen können oder zumindest einen Gedankenanstoß geben können.

Folgendes Szenario: Ursprünglich war ich Teilnehmer des BLII von Sept. 2019- Sept. 2021. Im März 2021 (also ein halbes Jahr vor Abschlussprüfung) kam es zwischen dem AG und mir zu einer Art Vertrauensbruch, weshalb der BLII pausiert wurde, bis sich die Situation wieder beruhigt. Hierfür habe ich (notgedrungen) eine Pausierung unter Fortbestand der Rückzahlungsvereinbarung unterschrieben, da ich den BLII unbedingt abschließen wollte und die andere Variante nur der Abbruch des Lehrgangs gewesen wäre.

Zwei Jahre später, also im Herbst 2022 meldet mich der AG nach zwei Jahren Pause zwischen den Lehrgängen wieder zum BLII an, allerdings "durfte" ich gleich im zweiten Jahr starten (über einen kompletten Neubeginn des BLII wurde nie gesprochen oder mir zu Wahl gestellt). Dann kam es natürlich wie es kommen sollte: Ich habe gelernt wie ein Ochs und bin trotzdem durch die Prüfung gerasselt, weil ein BLII in einem Jahr abzuschließen schier unmöglich ist.

Der AG hat mich (großzügigerweise) von der Kostenerhebung des fehlgeschlagenen Seminars befreit, allerdings wieder unter Fortbestand der restlichen Rückzahlungsvereinbarung. Sprich ich bin trotz Nichtbestehens immer noch 3 Jahre verpflichten dort zu arbeiten.

Nun zu meiner eigentlichen Frage ob ihr denkt, dass das so rechtens ist. Der AG würde mich somit im Gesamten um ca. 7 Jahre binden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Ordnung ist. Hat jemand von euch diesbezüglich schon ähnliche Erfahrungen gemacht? Ich habe in einer Woche einen Termin beim RA um mir einen Rat einzuholen. Bevor dieser Termin stattfindet, hätte ich aber noch gerne hier einen Gedankenaustausch, der mir im Gespräch mit dem RA vielleicht noch etwas nützt  :D

Ich danke euch und LG

TV-Ler

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Der "Erfolg" (=bestehen des Lehrgangs) ist ja nun nicht eingetreten, du kannst also bei einem anderen Arbeitgeber keinen Nutzen aus diesem Lehrgang ziehen, der dir dein derzeitiger Arbeitgeber ermöglicht hat.
Vielleicht lässt sich in diese Richtung argumentieren, denn ein Arbeitgeber muss natürlich immer damit rechnen, das ein Beschäftigter den Lehrgang nicht besteht und somit die Ausgaben dafür vergeudet sind...

Sjuda

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Folgendes Szenario: Ursprünglich war ich Teilnehmer des BLII von Sept. 2019- Sept. 2021. Im März 2021 (also ein halbes Jahr vor Abschlussprüfung)

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Zwei Jahre später, also im Herbst 2022 meldet mich der AG nach zwei Jahren Pause zwischen den Lehrgängen wieder zum BLII an, (...)  Dann kam es natürlich wie es kommen sollte: Ich habe gelernt wie ein Ochs und bin trotzdem durch die Prüfung gerasselt, weil ein BLII in einem Jahr abzuschließen schier unmöglich ist.

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Auch wenn das nicht das eigentliche Thema ist: du standest bereits kurz vor der Abschlussprüfung und wurdest nach der Unterbrechung wieder angemeldet. Die Zeit zwischen Wiederaufnahme und Abschlussprüfung betrug anscheinend ein Jahr.  Da gab es rechnerisch zumindest eine Überschneidung von einem halben Jahr, in dem Stoff behandelt wurde, den du eigentlich kennen müsstest. Insofern könnte man das eine halbjährige Einarbeitungs- oder Wiederholungszeit betrachten. Vorausgesetzt natürlich, die Stoff- und Stundenverteilung hat sich nicht wesentlich geändert. In diesem Fall hätte aber das Studieninsitut zumindest warnen müssen.  Den Vergleich mit einer Situation, in der man den gesamten Lehrgang innerhalb eines Jahres abschließen muss, halte ich für unangebracht. Zumal es ja sicherlich auch die Möglichkeit gab, Prüfungen zu wiederholen.

Zu den Denkanstößen:

Kann man überhaupt von einer 7-jährigen Bindungszeit sprechen? In diesen 7 Jahren ist die gesamte Lehrgangszeit enthalten. Sonderfall hier sicherlich die Unterbrechung. Trotzdem ist die Zeit bis zum (in diesem Fall außerplanmäßigen) Nichtbestehen keine Bindungszeit im Sinne derartiger Vereinbarungen. Der AG hat dich schließlich nicht gezwungen, den Lehrgang zu absolvieren.

Zur Frage, ob überhaupt ein Grund besteht, den Beschäftigten trotz Nichtbestehens zu binden, sollte man nicht nur die (nicht erreichte) Qualifikation betrachten. Zwar entfällt hier der mögliche Vorteil für einen anderen AG, da der Abschluss nicht erlangt wurde. Es besteht somit keine Gefahr, dass der Beschäftigte "weggeschnappt" wird.
Der AG im Sachverhalt hat über die Zeit des Lehrgangs trotzdem Kosten und Aufwand gehabt (Lehrgangsgebühren, vermutlich Freistellung vom Dienst unter Fortzahlung des Entgelts, Organisatorischer Aufwand zur Kompensation der Freistellungszeiten). Dieser Aufwand ist unabhängig vom Erfolg des Lehrgangs. Andernfalls würde das komplette Risiko auf den Arbeitgeber gelegt werden.


« Last Edit: 09.04.2024 10:37 von Sjuda »

TVOEDAnwender

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Zitat
Bedenken, mit dem Nichtbestehen einer Prüfung Rückzahlungsverpflichtungen zu verbinden, bestehen auch deshalb, weil der Arbeitgeber sich insoweit vor der Finanzierung der Ausbildung über die Fähigkeiten des Arbeitnehmers Kenntnis verschaffen kann und die Rückzahlungsabrede nicht dazu dienen darf, dem Arbeitnehmer unter finanziellem Druck Ausbildungserfolge abzuringen.

Lipke, Gratifikationen, Tantiemen, Sonderzulagen, 1982, S.190; ErfK – Preis, 14. Aufl.2014, § 611 BGB Rn. 43

Zitat
Nach der Rechtsprechung des BAG trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtswirksamkeit einer Rückzahlungsklausel. Sieht eine (zulässige) Rückzahlungsvereinbarung vor, dass bei erfolglosem Abschluss der Ausbildung der Arbeitnehmer zur Zurückzahlung nur verpflichtet ist, wenn er dies zu vertreten hat, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Nichtbestehen der Prüfung vom Arbeitnehmer zu vertreten ist. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus § 158 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist, wer aus einem Rechtsgeschäft Rechte herleitet, für den Bedingungseintritt, hier das vom Arbeitnehmer zu vertretende Nichtbestehen der Abschlussprüfung, beweispflichtig. Dass die Führung dieses Beweises im Fall des Scheiterns des Arbeitsnehmers an der Abschlussprüfung Schwierigkeiten bereitet, führt nicht zu einer Beweislastumkehr, sondern nur zur Modifizierung der Darlegungslast.

Hast Du denn in der Bleibeverpflichtungs- bzw. Rückzahlungsvereinbarung eine solche Regelung, dass Du bei Nichtbestehen der Prüfung die Kosten übernehmen sollst?

BAG vom 16.03.1994 – 5 AZR 339/92, Rn. 67 m. w. N.
BGH vom 29.06.1981 – VII ZR 299/80, Rn. 13