Autor Thema: Grundsätzliches zur Vorgehensweise bei Höhergruppierungen  (Read 2821 times)

Carla

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Hallo Zusammen,

ich habe mich in letzter Zeit mit den Höhergruppierungen beschäftigt. Weil ich aufgrund von Verfahrensweisen und Aussagen von in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter die starke Vermutung habe, dass der TVÖD an dieser Stelle falsch angewendet wird und dies hier im Forum auch immer wieder ein großes Thema ist, möchte ich die wirklichen Experten unter Euch zusammendfassend Folgendes fragen und um Bestätigung bitten:

Die Tarifautomatik nach §12 TVÖD (VKA) ist ein Grundatz und gilt immer. Man ist stets richtig eingruppiert. Ergibt sich bspw. aufgrund einer Neubewertung eine höhere Entgeltgruppe, lag seit Einstellung - und unter der Voraussetzung, dass dauerhaft und unverändert die gleichen Tätigkeiten übertragen worden sind/waren - ein Bewertungsirrtum vor! Man wurde also vom Arbeitgeber "nur" in einer falschen Entgeltgruppe vergütet.

Eine Höhergruppierung im klassischen Sinne, d.h. mit eventuell neu beginnenden Stufenlaufzeiten kann es demzufolge nur geben, wenn man eine andere Stelle mit höherwertigen Tätigkeiten annimmt oder aber auch wenn man neue, höherwertige Aufgaben (hinzu) bekommt, aufgrund derer man mittels Tarifautomatik dann eben höher eingruppiert ist.

Thema Überleitung Entgeltordnung 01.01.2017: Hier konnte man bis zum 31.12.2017 auf Antrag eine Höhergruppierung beantragen, aber eben nur für die Änderungen, die sich aufgrund der neuen Entgeltordnung ergeben hatten. Hier griff damals noch § 17 Abs. 4 TVöD in der bis zum 28. Februar 2017 geltenden Fassung, was bedeutet, dass man nicht - wie derzeit geltend - stufengleich höhergruppiert wurde, sondern in der Regel eine Stufe zurück fiel. Vorrangegangene Bewertungsirrtümer sind an dieser Stelle jedoch nicht relevant.


Abschließende Frage: Selbst wenn eine Überleitung nach § 29b TVÜ-VKA stattgefunden hat (bspw. Entgeltgruppe 9 zu 9b und auf Antrag dann 9c) ist dies hinfällig, weil aus heutiger Sicht schon weit davor ein Bewertungsirrtum vorlag und demzufolge nach § 29a Abs. 1 TVÜ-VKA besitzstandswahrend hätte übergeleitet werden müssen?

Dieses Urteil: https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/6-azr-459-21/ und auch die darin enthaltenen Quellen und Neben-Urteile haben mich das ganze so intepretieren lassen.

Vielen Dank vorab für Eure Einschätzung

MoinMoin

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Wenn ein Irrtum vorlag, dann muss alles entsprechend nachgerechnet werden, wie es korrekt gewesen ist.
Sowohl die Stufenlaufzeiten als auch die Überleitungen in neue EGO, alles ab Übertragung der Tätigkeiten.

Wenn man seinerzeit einen Antrag nach TVÜ-VKA gemacht hat, dann hat man ihn offensichtlich so nicht machen können, da man anders eingruppiert/eingestuft gewesen ist, als man es dachte.

Ob jetzt man fordern kann, dass man rückwirkend sich nochmals entscheiden kann, ob man einen Antrag auf Basis der tatsächlichen Eingruppierung/Einstufung machen kann, obwohl der 31.12.17 schon vorbei ist;
oder ob der Antrag, der seinerzeit auf der Basis falscher Annahmen gestellte wurde was EG und Stufe angeht, rückwirkend zurückgenommen werden kann;
oder ob er mit der korrekten EG/Stufe rückwirkend umgesetzt wird;
oder ob er überhaupt nicht existiert.
Ist zu klären.

War das deine Frage?

Carla

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Vielen Dank für Deine Antwort.

Ja genau das war meine Frage, und ich finde das Urteil hat in der Randnotiz 20 eine eindeutige Antwort darauf : (Nur sehen das einige Personaler wohl nicht so)

Es liegt keine Höhergruppierung im Tarifsinne vor, wenn der Beschäftigte aufgrund einer falschen Bewertung der Tätigkeit durch den Arbeitgeber schon seit der Einstellung irrtümlich nach einer niedrigeren Entgeltgruppe vergütet wurde und der Arbeitgeber diesen Fehler korrigieren will. Einer solchen Änderung der Eingruppierung liegt keine Veränderung der Tätigkeit oder der Eingruppierungsregelungen zu Grunde. Aufgrund der Tarifautomatik der Eingruppierung (§ 12 TVöD-AT [VKA] iVm. Anlage 1 – Entgeltordnung [VKA]) befand sich der Beschäftigte vielmehr eingruppierungsrechtlich schon seit dem Zeitpunkt, in dem die tariflichen Eingruppierungsmerkmale der höheren Entgeltgruppe erfüllt waren, in der höheren Entgeltgruppe und hat daher in dieser seitdem durchgehend Berufserfahrung erworben (zur Tarifautomatik vgl. BAG 2. Juni 2021 – 4 AZR 387/20 – Rn. 12). Er ist daher nach der Korrektur der Eingruppierung in der höheren Entgeltgruppe der Stufe zuzuordnen, der die Zeit in dieser Tät igkeit entspricht. Die Stufenzuordnung ist nach § 16 TVöD-AT (VKA) in der höheren Entgeltgruppe neu vorzunehmen und nach der Stufenfindung die Stufenlaufzeit nachzuzeichnen (Spelge ZTR 2020, 127; vgl. auch BeckOK TVöD/Felix TVöD-AT § 17 Stand 1. September 2022 Rn. 167). § 17 Abs. 4 TVöD-AT kommt in dieser Konstellation nicht zur Anwendung (Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 17 Stand Januar 2015 Rn. 43; Conze/Karb/Wölk/Reidel 7. Aufl. Höhergruppierung, dauerhafte Rn. 1838; Spelge aaO). Bezogen auf die Vergangenheit wird der Anspruch auf Entgelt nach der höheren Entgeltgruppe allerdings durch die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 37 TVöD-AT begrenzt (BeckOK TVöD/Felix aaO).

Die Höhergruppierung ergab sich ja in dem Fall nur aufgrund der neuen Regelungen in der Entgeltordnung nämlich in dem Fall, dass sich die Entgeltgruppe 9 in 9a, 9b und 9c aufgespalten hat. Und da sagt die Überleitungsvorschrift folgendes dazu im §29a Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA: "Eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierungen findet aufgrund der Überleitung in die Entgeltordnung für den Bereich der VKA nicht statt." Das untermauert meine Interpretation eigentlich noch. Ich denke bloß weil fälschlicherweise übergeleitet wurde, kann ja nicht die Tarifautomatik außer Kraft gesetzt und der Bewertungsirrtum beibehalten werden

MoinMoin

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Mir ist nicht klar, was deine Fallkonstellation konkret ist und was da an welcher Stelle die Personaler wie anders sehen als du.
Jemand wurde 2017 nach EG9 bezahlt und entsprechend TVÜ in 9a,b,c übergeleitet.
Jetzt stellt sich heraus, dass es damals nicht in der EG9 war, sondern in der EGx und dann???


Carla

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Also jemand wurde 2017 nach EG 9 bezahlt, dann nach 9c übergeleitet und zwar mit Rückfall in eine niedrigere Erfahrungsstufe. Jetzt wurde die Stelle neu bewertet. Es stellt sich heraus, dass die Tätigkeiten von Beginn an (also schon im Jahr 2014 nach Übertragung der Tätigkeiten) viel höher hätten vergütet werden müssen (EG12). Dann wäre auch ganz anderes übergleitet worden, nämlich nach § 29a TVÜ-VKA. Es lag also nicht nur ein Bewertungsirrtum vor, sondern derjenige wäre außerdem heute schon in einer viel höheren Erfahrungsstufe und hat demzufolge sehr viel Geld verloren und verlangt u.a. nun die Korrektur der Stufenzughörigkeit. Der Personaler sagt...wurde damals nach Entgeltordnung übergeleitet...ich sage nein, weil damals auch schon der Bewertungsirrtum vorlag und gar nicht nach §29b hätte übegeleitet werden dürfen, da diese Überleitung nur einzig und allein aufgrund der Änderungen der Entgeltordnung stattfand.
« Last Edit: 28.04.2024 17:19 von Carla »

MoinMoin

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Also war die Person 2016 in der EG12 Stufe x

Und muss dementsprechend für 2017 bis heute durch gerechnet werden, inkl tvä-vka (was da wohl keine Rolle spielte für die eg12er oder?)

Klarer Fall denke ich und ein Richter dürfte da schnell mit durch sein, wenn unstrittig ist, dass er immer schon in der eG12 war.

Carla

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Danke Dir. Genau das denke ich eben auch und ich kann nicht nachvollziehen, wieso der damit betraute Personaler auf der damaligen Überleitung in 2017 beharrt und meint, dass damit sämtliche schon vorher existierende Bewertungsirrtümer einfach abgegolten sind. Da dies eigentlich sein orginärer Job ist und nicht meiner habe ich hier die Frage gestellt. In diesem höchstrichterlichen Urteil geht es genau darum, und er hat sich entweder nicht wirklich intensiv damit auseinander gesetzt, oder ich dachte ich habe/hatte irgendwo einen Denkfehler.

MoinMoin

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Nun, dass ist durchaus nichts ungewöhnliches, dass ein Personaler sich mit solchen Detailfragen nicht beschäftigen kann, weil er arg überlastet oder er inhaltlich damit überfordert ist.

Faith23

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Hallo,

habe auch einen Fall zu Höhergruppierung, ihr könnt mir bestimmt helfen:

In einer Abteilung gibt es mehrere Sachbearbeiter-Stellen in E10 plus eine in E11. Im Prinzip haben alle die gleichen Aufgeben, die in E11 war aber nach Aussage des ehemaligen Chefs eine Stelle für "schwierigere" Projekte und ist derzeit unbesetzt. Sie wurde jetzt ausgeschrieben mit genau den Anforderungen/Aufgaben, die auch die Sachbearbeiter in E10 erledigen, "schwierig" oder eine andere Abgrenzung zu E10 wird nicht erwähnt. Es wurde sogar zeitglich eine Stelle in E10 ausgeschrieben mit genau dem gleichen Wortlaut.

Nach meinem Verständnis kann sowas nicht sein und mit der Ausschreibung werden quasi nun alle Stellen in E11 eingeordnet, also alle Sachbearbeiter hätten Anspruch auf E11?! Oder kann man erst im Bewerbungsgespräch sagen: Ja aber in E11 müssen Sie "schwierigere" Projekte übernehmen?

TV-Ler

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Nach meinem Verständnis kann sowas nicht sein und mit der Ausschreibung werden quasi nun alle Stellen in E11 eingeordnet, also alle Sachbearbeiter hätten Anspruch auf E11?! Oder kann man erst im Bewerbungsgespräch sagen: Ja aber in E11 müssen Sie "schwierigere" Projekte übernehmen?
Aufgrund einer Ausschreibung für eine Stelle ergeben sich keinerlei Ansprüche für die Eingruppierung anderer Stellen.
Am Ende kommt es auf die auszuübenden Tätigkeiten mit entsprechenden Zeitanteilen an, die für die Eingruppierung maßgeblich sind.

MoinMoin

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Hallo,

habe auch einen Fall zu Höhergruppierung, ihr könnt mir bestimmt helfen:

In einer Abteilung gibt es mehrere Sachbearbeiter-Stellen in E10 plus eine in E11. Im Prinzip haben alle die gleichen Aufgeben, die in E11 war aber nach Aussage des ehemaligen Chefs eine Stelle für "schwierigere" Projekte und ist derzeit unbesetzt. Sie wurde jetzt ausgeschrieben mit genau den Anforderungen/Aufgaben, die auch die Sachbearbeiter in E10 erledigen, "schwierig" oder eine andere Abgrenzung zu E10 wird nicht erwähnt. Es wurde sogar zeitglich eine Stelle in E10 ausgeschrieben mit genau dem gleichen Wortlaut.

Nach meinem Verständnis kann sowas nicht sein und mit der Ausschreibung werden quasi nun alle Stellen in E11 eingeordnet, also alle Sachbearbeiter hätten Anspruch auf E11?! Oder kann man erst im Bewerbungsgespräch sagen: Ja aber in E11 müssen Sie "schwierigere" Projekte übernehmen?
Wenn der AG seine bei der Zuweisung von Projekte erkennen kann was davon "Schwieriger" ist und diesen dem 11er posten zuweist und die nicht schwierigen den 10er, dann muss man sich derzeitig fragen, wieso keine schwierige Projekte mehr auftauchen.

Wenn sich jedoch im Laufe eine Bearbeitung herausstellen kann, dass es ein schwieriges Projekt ist und man dann weiter daran arbeiten soll/muss, dann ist man eg11 und nicht eg10, weil der AG eben nicht schwierig und nicht schwierig als zwei getrennte Arbeitsvorgänge differenzieren kann.
Und dann ist es halt ein AV, der halt auch schwierig sein kann und damit ist dann (auch wenn vielleicht nur 10% der Projekte sich als schwierig herausstellen) der AV eg11

immer vorausgestzt, dasss schwierige Projekte auch wirklich eine 11er Wertigkeit haben


Faith23

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Danke für eure Antworten.
Bisher wurde noch kein Projekt in schwierig oder nicht schwierig eingeteilt von Vorgesetzten und meiner Meinung nach kann man dies auch nicht, weil jedes Projekt auf seine Art schwierig ist, die Anforderungen sind auch gestiegen in den letzten Jahren.

MoinMoin

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Danke für eure Antworten.
Bisher wurde noch kein Projekt in schwierig oder nicht schwierig eingeteilt von Vorgesetzten und meiner Meinung nach kann man dies auch nicht, weil jedes Projekt auf seine Art schwierig ist, die Anforderungen sind auch gestiegen in den letzten Jahren.
Dann gibt es auch keine zwei Arbeitsvorgänge mit leichtes Projekt und schwieriges Projekt, sondern nur ein AV mit Projekt in der tariflichen Güte  schwierig.

MoinMoin

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mit dieser virtuellen Aufteilung sind die AG schon bei anderen auf die Nase gefalle.