Autor Thema: [Allg] Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus?  (Read 13791 times)

DerVerzweifelteBeamte

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Hallo zusammen,

Kurz vorweg, ich bin inzwischen sehr erschrocken über die Leistungen im öD und muss mir zum einen mal ein bisschen Frust von der Seele schreiben - wie mein Nutzername schon verrät, sitzt der Schmerz gerade tief- , wäre parallel aber auch mal um Meinungen dazu dankbar, ob ich irgendwo falsch denke:

Zu mir: ich bin Beamter im mittleren, feuerwehrtechnischen Dienst in NRW und werde aktuell nach A9/5 besoldet. Am Monatsende habe ich ca. 2800€ netto (ohne Schichtzulagen) bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 48h abzüglich ca. 300€ private Krankenversicherung (um die kein sinnvoller Weg vorbeiführt) - also eigentlich nur 2500€ netto.
Für die Laufbahn bei der Feuerwehr war zunächst eine abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich, dann folgten 18Monate Vorbereitungsdienst für die Laufbahnprüfung, 3 Jahre berufsbegleitende Ausbildung zum Notfallsanitäter, 2 Monate Weiterbildung zum Gruppenführer und zuletzt noch die 3 monatige Ausbildung zum Leitstellendisponenten - In der Summe macht das neben weiteren internen Weiterbildungen: rund 8 Jahre Aus- und Fortbildung und 8 Jahre Berufserfahrung.
Sold: ca. 13€ netto pro Stunde im Endamt (!) des mittleren Dienstes.
(2500€ / 4Wochen / 48h)

 
Meine Freundin: 3 Jahre Ausbildung, 6 Jahre Berufserfahrung, berufsbegleitendes Studium in der gleichen Fachrichtung (soziales) mit Bachelorabschluss, nun in leitender Funktion mit ca. 15 Mitarbeitern.
Netto ca. 2.600€ bei 40h wöchentlich.
Macht: ca. 16,25€ netto pro Stunde.
(2600€/4 Wochen/40h)

Soweit alles cool, wobei wir uns inzwischen fragen, ob das bei den Preisen der letzten Monate alles so noch passt.
So bin ich vor kurzen auf das Thema der amtsangemessenen Besoldung gestoßen, dass wohl seit Jahrzehnten ein Thema ist und in der jüngeren Vergangenheit erneut für viel Diskussion sorgt. Das Land NRW scheint jedenfalls entgegen von Richtern, Gewerkschaften etc der Auffassung zu sein, dass es seine Beamten verfassungsgemäß alimentiert.

Jetzt arbeite ich nebenbei auf 520€-Basis und höre zum wiederholten Mal, dass die festangestellten Kollegen dort mit nicht mal 6 Monaten Ausbildung (Rettungssanitäter), bei einer 36h/Woche 2600€ netto verdienen. 2 Kollegen bestätigten es unabhängig voneinander.
Das macht mal eben 18€ netto OHNE Schichtzulagen!


Mal ehrlich: das ist eine Woche weniger Arbeitszeit pro Monat bei 5€ mehr PRO STUNDE im Vergleich zu mir!
Mir ist bewusst, dass das Unternehmen besser zahlt als die meisten anderen, aber kann es sein, dass der öD so weit hinterher hängt? Wie sieht das sonst so in der freien Wirtschaft aus?
Das kann doch keine gesetzeskonforme, amtsangemessene Besoldung sein?! Und auch das eine Studierte Frau mit 6 Jahren Berufserfahrung weniger verdient als jemand mit einem 6-monatigen Lehrgang….


Der Frust, der gerade in mir wächst, lässt sich kaum noch in Worte fassen…
Und ja, ich bekomme Pension und bin unkündbar, außer frage! Aber das kann doch nicht das Todschlag-Argument sein.…

Weiteres Missverhältnis:
Ich bin damals in Erfahrungsstufe 1 angefangen, die Kollegen die nun nachwachsen, haben durch die Streichung der ersten 2 Erfahrungsstufen nun nur noch 4 Jahre weniger Berufserfahrung (bezogen auf das Gehalt) - das heißt ich wurde quasi um 4 Jahre „Berufserfahrung“ bzw 2 Erfahrungsstufen betrogen! Kann das rechtens sein?

Was macht man dagegen, außer Widerspruch gegen die Besoldung einzulegen, was die Kollegen offenbar seit mindestens einem Jahrzehnt machen, ohne, dass es auch nur irgendwas gebracht hat, weil sich die Klageverfahren so in die Länge ziehen.

Ich überlege inzwischen wirklich meine Urkunde abzugeben und in die freie Wirtschaft zu wechseln, nur fürchte ich, dass durch die 10 Jahre Beamtentum und die damit verpassten Rentenansprüche zu viel auf der Strecke bleiben würde… oder kann man sich die Pensionsrücklagen auf die Rentenkasse übertragen lassen?

Meine Hypothese:
Wechsel in die Freie Wirtschaft bringt mir ca. 800€ netto mehr. Zusätzlich 12h mehr Freizeit pro Woche (!), was die 7 Jahre Mehrarbeit (FW-Beamte gehen NOCH mit 60 Jahren in Pension) mehr als ausgleichen würde.
Wenn ich 300€ davon nun zum „Leben“ nutzen und 500€ davon über 30 Jahre anlegen würde, sollte es meinen Lebensstandard (Freizeit-Plus, Gehalts-Plus) steigern und das Pensionsdefizit locker ausgleichen.

Habe ich hier was bedeutsames vergessen?
Sicherlich steckt darin ein gewisses Risiko (mögliches Krankengeld, politische und konjunkturelle Änderungen…) aber arbeitslos würde ich in der Sparte sicherlich nicht, höchstens berufsunfähig.

Mich würden eure Meinungen dazu sehr interessieren.
« Last Edit: 08.06.2024 02:47 von Admin »

bebolus

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #1 am: 04.06.2024 16:37 »
Habe ich hier was bedeutsames vergessen?

Das hohe Ansehen welches Du als Beamter in der Bevölkerung erfährst.

DerVerzweifelteBeamte

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #2 am: 04.06.2024 16:54 »
Das hohe Ansehen welches Du als Beamter in der Bevölkerung erfährst.
[/quote]

stimmt, dann bin ich nicht mehr der „faule, viel zu viel verdienende, sesselfurzende Beamte“ :D

2strong

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #3 am: 04.06.2024 21:33 »
Bei Dir rechnest Du die Nebengelder raus und bei den Sanitätern zählst Du sie mit?

DerVerzweifelteBeamte

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #4 am: 04.06.2024 21:44 »
Bei Dir rechnest Du die Nebengelder raus und bei den Sanitätern zählst Du sie mit?

Welche Nebengelder? Das sind die reinen Nettogehälter, die wir verdienen, ohne jedwede Form von Nebenjob oder Schichtzulagen?

Bastel

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #5 am: 04.06.2024 21:44 »
Warum noch lange überlegen? Urkunde abgeben, fertig.

Jochen1976

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #6 am: 04.06.2024 23:16 »
Hallo,

dein Frust ist mehr als verständlich. Der öffentliche Dienst hat in vielen Bereichen massive Defizite und scheint nicht in der Lage zu sein, die Leistungen und die Verantwortung seiner Mitarbeiter angemessen zu honorieren. Die Besoldung steht in keinem Verhältnis zu deinem Aufwand und deiner Verantwortung. Es ist ein Unding, dass du trotz jahrelanger Ausbildung und fortlaufender Weiterbildungen derart schlecht bezahlt wirst.

Ein Blick in die freie Wirtschaft zeigt deutlich, dass dort nicht nur bessere Gehälter, sondern auch bessere Arbeitsbedingungen auf dich warten. Mit deinen Qualifikationen und Erfahrungen würdest du dort sicher deutlich mehr verdienen und gleichzeitig mehr Freizeit haben. Diese Verbesserung deiner Lebensqualität kann der öffentliche Dienst einfach nicht bieten.

Auch das Argument der vermeintlichen Sicherheit im Beamtenstatus verblasst, wenn man bedenkt, wie wenig Wertschätzung du dafür erfährst. In der freien Wirtschaft bist du mit deinem Profil sehr gefragt, und das finanzielle Plus und die zusätzlichen Stunden Freizeit pro Woche sprechen eine klare Sprache.

Der öffentliche Dienst bietet dir keine Perspektive, die mit der freien Wirtschaft mithalten kann. Ein Wechsel würde dir nicht nur finanziell, sondern auch persönlich viele Vorteile bringen.

Viel Erfolg bei deiner Entscheidung und deinem weiteren Weg!

Beste Grüße

clarion

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #7 am: 04.06.2024 23:23 »
Ja und bei den 800 € Netto mehr in der freien Wirtschaft sind keine Schichtzulagen inbegriffen?

Stundenlöhne werden normalerweise in Brutto angegeben! Bitte Äpfel mit Äpfel vergleichen.

Dann wären im Fall einer Familiengründung die Kinderzuschläge zu bedenken. 5.400 Euro Netto als Paar sind Euch nicht genug und daher noch ein 520 € Job???

Wenn Du anderswo wirklich so viel mehr Geld für weniger Arbeit  bekommst, worauf wartest Du denn?

2strong

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #8 am: 05.06.2024 01:48 »
Bei Dir rechnest Du die Nebengelder raus und bei den Sanitätern zählst Du sie mit?

Welche Nebengelder? Das sind die reinen Nettogehälter, die wir verdienen, ohne jedwede Form von Nebenjob oder Schichtzulagen?
Die DuZ und was Du sonst nach eigener Aussage ggf. noch unberücksichtigt gelassen hast ("ohne Schichtzulagen").
Außerdem blendest Du m. E. aus, dass sich die von Dir angesetzten 48h/Woche nur unter Einbeziehung von Mehrarbeitsstunden sowie 19h Bereitschaftsdienst ergeben. Wenn Du schon dabei bist, kannst Du auch gleich gegenrechnen, dass Du nur zwei Mal pro Woche zur Arbeit fahren musst.

Bastel

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #9 am: 05.06.2024 07:20 »

Dann wären im Fall einer Familiengründung die Kinderzuschläge zu bedenken. 5.400 Euro Netto als Paar sind Euch nicht genug und daher noch ein 520 € Job???


Ich finde es schon lustig, wie jemand mit A13 einem A9er erklären möchte, was für ihn genug ist.

Zwei Kinder bringen netto nach Abzug der PKV vielleicht 200€. Und davon muss man immer mal wieder was abzwacken, wenn die Beihilfe nicht zahlt.

Wurde nicht ausgerechnet dass die Hartzi 4-Kopf Familie je nach Region 3.500-4.000€ zur Verfügung hat? Dann ist ein Mini Job durchaus erklärbar...

DaEx

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #10 am: 05.06.2024 09:00 »

Meine Freundin: 3 Jahre Ausbildung, 6 Jahre Berufserfahrung, berufsbegleitendes Studium in der gleichen Fachrichtung (soziales) mit Bachelorabschluss, nun in leitender Funktion mit ca. 15 Mitarbeitern.
Netto ca. 2.600€ bei 40h wöchentlich.
Macht: ca. 16,25€ netto pro Stunde.
(2600€/4 Wochen/40h)

...

Mich würden eure Meinungen dazu sehr interessieren.

Hast Du evtl ne Möglichkeit auf "gehobenen"? Du kannst in Deiner Situation nicht allein auf Ausbildung und Berufserfahrung abstellen:

Hättest Du als FW-Beamter (FH-)Studium und Führungsverantwortung über 15 Kollegen wärst Du nicht in A9. Den gleichen Unterschied gibts auch in der freien Wirtschaft...

Wenn Du den Beamtenstatus behalten möchtest - wie siehts denn in den Nachbarbundesländern aus? Vielleicht wäre das auch eine Option an der Eingruppierung was zu drehen?
« Last Edit: 05.06.2024 09:07 von DaEx »

Kat95

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #11 am: 05.06.2024 11:00 »
Aber schon in deinem Post sieht man, dass auch in der freien Wirtschaft nicht alles supi ist.
Wenn ich es richtig verstanden habe, arbeitet deine Freundin ja auch in der freien Wirtschaft und der Rettungssanitäter auch oder?
Auch hier gibt es Unterschiede, je nachdem was man für einen Job hat. Und das der soziale Bereich nicht der bestbezahlteste ist, vor allem nur mit einem Bachelor, das weiß man vorher.
Ich arbeite selbst in dem Bereich und kann daher aus Erfahrung sprechen.

DerBeamte925

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #12 am: 05.06.2024 13:25 »
Lösungsvorschläge: 

- Aufstieg in den gehobenen Feuerwehrdienst. Bitte prüfe selbst wie das in deinem Bundesland geht. Evtl. Auch Dienstherr dann wechseln.

- Beamtenstatus aufgeben. Ob sich das lohnt hat viele variablen. Wie Alt bist du denn?

- Schicksal hinnehmen . Leider ist es sehr schwer zu sagen was sich lohnt. Wenn ihr vorhabt 3+ Kinder zu bekommen, würde ich Beamter bleiben. Die Kinderzuschläge sind sehr attraktiv. Wollt ihr keine Kinder würde ich tatsächlich wechseln.


VG und dir alles Gute


MasterNoname89

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #13 am: 05.06.2024 13:50 »
Es ist immer eine persönliche Entscheidung wo und zu welchen Bedingungen man arbeitet. Es gibt auch den einen oder anderen der sagt, dass ihm das Bürgergeld fürs gar nicht arbeiten reicht.

Wie an anderer Stelle schon geschrieben, wirst du als Beamter nicht für deine Arbeit bezahlt sondern dafür, dass du in einem Dienst- und Treueverhältnis stehst, alimentiert. Das ist ein Unterschied und der hat viele Vor- als auch Nachteile.

Wenn du bereits im Endamt bist und keine großen Steigerungen mehr möglich sind, dann glaube ich, dass in NRW die Amtsangemessenheit nicht wirklich gegeben ist und dir früher oder später erhebliche Nachzahlungen winken. Das hängt allerdings von eurer gesamten Besoldungsstruktur ab. Das was dich mit dem Lauf der Zeit erwartet, kannst du in der Besoldungstabelle sehen und hinzu kommen ja i.d.R. regelmäßig die Übernahme der Tarifergebnisse.

In meinen Augen ist euer gemeinsames Gehalt für ein Paar recht guter Durchschnitt im mittleren bis oberen Bereich des Mittelstandes. Ich kenne allerdings eure gesamten Lebensumstände nicht.

Ich ebenfalls A9 Stufe 5 im mittleren Dienst bei der Polizei in SN muss sagen, dass man hier mit der kürzlich beschlossenen Besoldungsanpassung sehr gut nachgezogen hat. Ich habe noch zwei Kinder und profitiere vom Familienzuschlag und bei uns gibt es die freie Heilfürsorge, die hier auch noch zu Einsparungen unsererseits führt.

Mit allen Zulagen habe ich nach der letzten Erhöhungsstufe im kommenden Jahr ein monatliches Netto von knapp über 4000 €. Diese Summe hier in der freien Wirtschaft zu erhalten ist eher schwierig, vor allem in Ausbildungsberufen.

Unterm Strich musst du für dich entscheiden, was dir gewisse Sicherheiten, die das Beamtentum mit sich bringt Wert sind und ob dich die Tätigkeit erfüllt oder nicht. Es gibt kein grundsätzliches Richtig oder Falsch. Auch bei uns häufen sich in letzter Zeit die Austritte aus dem Beamtenverhältnis ... ob Zufall oder nicht kann ich nicht sagen, aber dieses Phänomen tritt zunehmend auf und betrifft oft auch ledige bzw. kinderlose Beamte.


Magda

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Antw:Wechsel in die freie Wirtschaft trotz Beamtenstatus ?
« Antwort #14 am: 05.06.2024 13:53 »
Soweit ich weiß, wird man als Beamter in der Rentenversicherung nachversichert, wenn man als Beamter ausscheidet. Aber natürlich "verliert" man da an Altersvorsorge.

Wie ist eure Familienplanung? Seid ihr verheiratet? Die Familienzuschläge sind meiner Meinung nach die wenigen Vorteile, die man als Beamter hat, abgesehen von der recht guten Pension.