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Völlige Entkoppelung von Besoldung und Gehalt nach BVerfG Urteil

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Philipp:
Wir können das System gerne so ausreizen. Da die Tarifangestellten dann kollektiv in die Arbeitsverweigerung gehen werden, bliebe den Behörden nichts anderes übrig als die Angestellten dort AT zu bezahlen.
Der Vergleich mit der Privatwirtschaft kann ja auch bei Nicht-Beamten gezogen werden.

MoinMoin:

--- Zitat von: BVerfGBeliever am 04.11.2024 12:14 ---
--- Zitat von: BVerfGBeliever am 02.11.2024 10:18 ---
--- Zitat von: MoinMoin am 01.11.2024 15:21 ---Nun deine Berechnungen entstammen eben dem Taka Tuka Land

--- End quote ---

OK, dann gehen wir doch noch mal kurz nach Taka-Tuka-Land und unterstellen, dass "Fritze" (Merz) nächstes Jahr sein Herz für Kinder entdeckt und eine Kindergrundsicherung einführt.

Welche Auswirkungen hätte dies auf eine Beamtenfamilie mit zwei "mittleren" Kindern (zwischen 6 und 13 Jahren)?

1.) Der Grundsicherungsbedarf einer vierköpfigen Bürgergeldfamilie beträgt wie bekannt bis zu 3.860 € (Regelbedarf 1.850 €, Unterkunftskosten 1.550 €, Heizkosten 240 €, Bildung/Teilhabe 80 €, Sozialtarife 140 €).
2.) Somit hat eine vierköpfige Beamtenfamilie einen Anspruch auf eine Nettoalimentation von mindestens 4.440 €.
3.) Abzüglich zwei Mal 555 € Kindergrundsicherung und zuzüglich 660 € PKV-Kosten ergäbe sich eine äquivalente Netto-Mindestbesoldung von 3.990 €.
4.) Addiert man die zu zahlenden Steuern, erhält man die äquivalente Brutto-Mindestbesoldung in Höhe von 4.390 €, unter der Annahme, dass 530 € der PKV-Kosten steuerlich absetzbar wären.
5.) Diese Brutto-Mindestbesoldung würde sich entsprechend aus rund 4.050 € Grundgehalt, 170 € Partnerzuschlag sowie zwei Mal 85 € Zuschlag für die beiden Kinder zusammensetzen.

Was würde dies für einen Single-Beamten bedeuten?

- Die Brutto-Mindestbesoldung würde 4.050 € betragen.
- Nach Abzug der Steuern läge die Netto-Mindestbesoldung bei 3.300 €, unter der Annahme, dass 240 € PKV-Kosten steuerlich absetzbar wären.
- Nach Abzug der PKV-Kosten von 300 € läge die Nettoalimentation somit bei 3.000 € (im Vergleich zu obigen 4.440 € der vierköpfigen Beamtenfamilie).


Du siehst also, dass ein Single-Beamter selbst nach Einführung einer Kindergrundsicherung Anspruch auf eine Bruttobesoldung von rund 4.050 € hätte. Aktuell sind es jedoch nur 2.700 €. Somit beträgt die Lücke rund 1.350 € bzw. 50 Prozent.

--- End quote ---


--- Zitat von: clarion am 02.11.2024 22:56 ---Hallo,

bis 4.) konnte ich folgen. Worauf begründet Du 5.)

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@clarion, nach Einführung einer Kindergrundsicherung wären ja nach meinem Verständnis die Grundbedürfnisse aller Kinder durch diese abgedeckt.
--- End quote ---
Wenn diese die Höhe hat, dann ja.
 ob die 555 € Kindergrundsicherung dafür ausreichend bemessen ist, mag man bezweifeln.
Also um bei deinem Beispiel zu bleiben sind von den 4440€ mit Sicherheit nicht nur 1110€ der Anteil der für die Kinder dort drin sind.
Beim Bürgergeld von 2023 wäre 840€ der Regelbedarf der Kinder und 500€ für die Miete (bei deinem Beispiel) ~100 für die Heizkosten und ~100 für den Rest. Das wäre schon mal 220€  mehr.
also schon mal anstelle von 3990 nur noch 3560 . . .


btw In unserer Großstadt wäre die Rechnung übrigens: 1850 + 908 +282 + 80 + 140 =3750 also 690€ niedriger, ob diese als Regionalzulage gewährt werden könnte? aber wieder eine andere Baustelle, der Besoldungssystematik und der Logik die dahinter steht.


--- Zitat --- Somit dürfte es vermutlich gar keine Kinderzuschläge mehr für Beamte geben, um eine sachwidrige und unzulässige Besserstellung von Beamtenkindern zu verhindern (@Swen hatte hierzu irgendwann mal etwas geschrieben). In meiner Beispielrechnung war ich jedoch nicht ganz so "streng" mit den Besoldungsgesetzgebern und hatte ihnen zugestanden, einen Zuschlag von 15%, also im Beispiel zwei Mal 85 €, für die ersten beiden Beamtenkinder zu bezahlen.

--- End quote ---
Klingt für mich absolut nachvollziehbar die fehlenden 15% per Zulage regeln zu können/dürfen (und ab dem drittem Kind müssen!).
Wenn es doch für das dritte Kind zwingend notwendig ist, kann es doch für das 1+2 Kind keine sachwidrige und unzulässige Besserstellung von Beamtenkindern


--- Zitat ---Losgelöst von den konkreten Zahlen wollte ich in erster Linie aufzeigen, dass es auch bei einer signifikanten Erhöhung des Kindergelds oder der Einführung einer Kindergrundsicherung trotzdem ZWINGEND zu einer signifikanten Erhöhung der Grundbesoldungen (also insbesondere auch für Single-Beamte) kommen MUSS, um zu einer verfassungsgemäßen Besoldung zurückzukehren.
Selbst @MoinMoin scheint diesen Punkt ja mittlerweile - zumindest in Ansätzen - verstanden zu haben.

--- End quote ---
Du irrst, ich habe den Punkt, der notwendigen signifikanten Erhöhung der Besoldung nie in Frage gestellt. Nur die Basis und die sachgerechte Begründung ist halt mit der 4 K Familie fehlerhaft in der Besoldungssystematik, denn es zeigt ein hohes Maß an Widersprüchen, die gelöst werden müssen.
Und dann sprechen wir über eine Erhöhung der Grundbesoldung von 10-15% und nicht 50%.

Oder ist es für dich begründbar, dass die Wertigkeit der Besoldung eines Dienstposten von der Höhe des Kindergeldes abhängig ist. 
Also durch eine Erhöhung des Kindergeldes das Amt an Angemessenheit verliert?

Rentenonkel:

--- Zitat von: BVerfGBeliever am 04.11.2024 16:53 ---

Nochmal: Auch bei Beamten sind (ähnlich wie bei Angestellten) zumindest die ersten beiden Kinder größtenteils "Privatsache", auch und insbesondere laut den Vorgaben des BVerfG.


--- End quote ---

Genau an der Stelle hat das BVerfG klargestellt, dass es eben keine Privatsache der Beamten ist, wie sie den Lebensunterhalt für ihre Kinder sicherstellen. Das ist grundsätzlich Aufgabe des Dienstherrn, dafür zu sorgen, dass auch der kleinste Beamte mit seiner Alimentation in der Lage sein muss, den Lebensunterhalt für sich, seine Ehefrau und seine beiden Kinder abdecken zu können. Bezogen auf A4 muss er auch einen Abstand zum Grundsicherungsbedarf von mindestens 15 % haben. Allerdings ist es dem Beamten zuzumuten, zur Deckung des Unterhaltes der ersten beiden Kinder (im Gegensatz zum dritten und weiteren Kindern) auch auf leistungsbezogene Komponenten der Alimentation zurück zu greifen, so er denn dazu in der Lage ist.

Während also der Familienzuschlag ab Kind 3 zusammen mit dem Kindergeld mindestens auf dem Niveau der Grundsicherung sein muss, darf der Familienzuschlag für die ersten beiden Kinder auch geringer sein. Oder, um es umgekehrt auszudrücken, kann man diese Aussage auch rechtlich so verstehen: Der Familienzuschlag für die ersten beiden Kinder wäre demnach verfassungswidrig, wenn er sich mindestens auf dem gleichen Niveau bewegen würde, wie ab dem dritten Kind.

Wäre es auch bei Beamten Privatsache, könnte der Dienstherr den Beamten genau wie den Angestellten auf bedarfsorientierte Leistungen wie Bürgergeld, Kinderzuschlag oder Wohngeld zur Deckung der "Privatsache" (also der Kinder) verweisen.

Weil das eben nicht so ist, kommen wir auf diese teilweise massive Unterdeckung der Alimentation. Dabei hat das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum zugestanden, wie er dieses Problem löst. Dabei hat Swen ja in vielen seiner Beiträge schon darauf hingewiesen, an welchen Stellen der Ermessensspielraum des Besoldungsgesetzgeber schon jetzt durchaus eingeschränkt ist. Weitere Einschränkungen sind mit den nächsten Urteilen zu erwarten, die hoffentlich endlich 2025 veröffentlicht werden.

In welchem Verhältnis dabei leistungsbezogene Komponenten und leistungslose Komponenten genau zueinander stehen dürfen, ist noch nicht abschließend verfassungsrechtlich geklärt. Auch ist nicht geklärt, was schlussendlich als amtsangemessen angesehen werden muss und was nicht. Zur Frage der Amtsangemessenheit kommt ja man erst, wenn man in die tiefere Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation kommt; dazu muss die Alimentation des kleinsten Beamten ja auch erst einmal die Hürde der 115 % nehmen, weil sie ansonsten ja in jedem Fall verfassungswidrig ist. Und genau an der Stelle kommen wir zu dem Thema "amtsangemessen", was ja im weiteren Sinne auch was mit dem Gerechtigkeitsgefühl zu tun hat. Dabei darf man aber nicht ausblenden, dass Recht und Gerechtigkeit nicht immer ein und dasselbe sind.

Während also der Ministerialbote mit 3000 EUR netto im Verhältnis zu PW sicherlich zu gut bezahlt würde, ist es in der Justiz durchaus anders. So sind die Jahresbezüge deutscher Richterinnen und Richter zu Beginn ihrer Laufbahn im Vergleich zu den bundesweiten Durchschnittsgehältern insgesamt nach wie vor die niedrigsten in der EU. Bei den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten ist die Situation laut der EU Kommission nicht erfreulicher: Auch ihre Einstiegsbesoldung rangiert im Verhältnis zum durchschnittlichen Bruttojahresgehalt im europaweiten Vergleich im untersten Bereich. Die Kommission empfiehlt Deutschland daher, „Maßnahmen zu treffen, um eine angemessene Besoldung der Richter und Staatsanwälte zu gewährleisten und dabei europäische Standards für die Besoldung in der Justiz zu berücksichtigen“.

Daher muss man, wenn man tatsächlich amtsangemessen besolden will, tiefer in die einzelnen Gruppen gehen und regionale Unterschiede berücksichtigen. Je nach Aufgabe des Beamten wird man dann mal mehr und mal weniger stark anheben müssen, wenn man denn das Ziel amtsangemessen ernst nimmt. Dabei ist das Abstandsgebot natürlich zu beachten. Es wäre daher aus meiner Sicht an der Zeit, eine grundlegende Reform der Alimentation der Beamten durchzusetzen und nicht nur punktuell Ausbesserungen vorzunehmen.

Die Kindergrundsicherung, auf die ich noch später eingehen möchte, kann helfen, das 115 % Ziel zu erreichen, ohne ausufernde Familienzuschläge zu gewähren. Bei der Frage der Amtsangemessenheit der Besoldung hilft die Kindergrundsicherung allerdings nicht weiter.

KlammeKassen:

--- Zitat von: AVP am 04.11.2024 09:29 ---1. Die wenigsten Familien in Deutschland haben 3 Kinder. Der Durchschnitt liegt bei ~1,4 Kinder pro Frau. Bei höherem Bildungsabschluss sogar weniger

2. Die Familienzuschläge sind zeitlich begrenzt. Von ~40 Dienstjahren wir man grob (wenn überhaupt) nur die Hälfte dieser Zeit die Kinderzuschläge erhalten

3. Bei Beamtenfamilien erhält nur ein Beamter die Zuschläge, die Jahressonderzahlung hingegen erhalten zB 2 Tarifbeschäftigte Eheleute auch zusammen 2x.

4. Im TVÖD gibt es deutlich höhere Zulagen für Wochenend-, Nacht-, und Sonntagsarbeit etc.

5. Im TVÖD gilt eine geringere Wochenarbeitszeit

6. Der TVÖD verhandelt zeitlich früher als die Landesbeamtenbesoldung. Landesbeamte haben vor 3 Tagen gerade erst ihre +200€ brutto erhalten, die +5,5% gibts erst nächstes Jahr. Der TVÖD verhandelt vorher bereits erneut um die nächsten +8%.

7. Die „günstige“ PKV der Beamten wird bei Teilzeit oder Elternzeit ziemlich teuer, da einkommensunabhängig

8. Der TVÖD hat lediglich 6 Erfahrungsstufen, höhere Stufen und die Endstufe werden viel früher erreicht als eine Stufe 12 in der Landesbesoldung

9. In den meisten Konstellationen (ohne viele Kinder) verdient man im TVÖD aktuell besser als in der Besoldung (zB E11 Stufe 4 vs A 11 Stufe 5 NBesO)

10. Die Gehälter im TVÖD sind Verhandlungssache. Hier können die Gewerkschaft viel verhandeln. Schaut man sich z.B. die Gehaltsentwicklung bei IGM an, dann ist bei gutem Organisationsgrad sehr viel möglich. Die Beamtenalimentation bemisst sich derzeit am tiefsten gerade noch so verfassungskonformen Maß (oder sogar darunter).

--- End quote ---

Anmerkungen zu

3. Wieso sollten auch nicht beide die Jahressonderzahlung bekommen, wenn beide dafür arbeiten?
Nur weil beide Beamte sind, habt ihr ja nicht zusammen mehr Kinder... Es wäre daher überhaupt nicht nachvollziehbar, wenn beide die Zuschläge bekommen würden.
Die Gleichstellung ist auch schwierig, da bei mir beispielsweise von der Jahressonderzahlung in Steuerklasse I nicht einmal 50 % übrig bleiben (das Problem der Sozialabgaben..... dass Beamte eben nicht haben; dort geht nur die Steuer von den Zuschlägen runter).

In der Regel bleibt von E10 = A10, E11 = A11, E12 = A12 bei den Beamten auch ohne Kinder netto mehr übrig, Monat für Monat; so dass die Jahressonderzahlung hier wenigstens etwas hilft, sich netto anzunähern. Den TVöD Angestellten hat man bei der Umstellung des BAT dafür ja auch sämtliche Zuschläge gestrichen (Ortszuschlag, Familienzuschlag)...


6. Das ist überhaupt nicht zu vergleichen. Dafür, dass die Länder sich in den Tarifverhandlungen von Bund und Kommunen abgespalten haben, können die Bund- und Kommunalangestellten ja nun nichts. Dass die verdi bei den Ländern noch schlechter verhandeln als bei Bund und Kommunen auch nicht.
Mit den Tarifangestellten der Länder bist du hier genau gleich, diese bekommen auch ab diesem Monat + 200 Euro und ab Februar + 5,5 %; der vorherige Abschluss war beim Land sogar besser als bei Bund/VKA


9. Ich finde es wichtiger, das Netto zu vergleichen und das ist eben nicht höher aufgrund der ganzen Sozialabgaben und auch der 1,81 % zur VBL.
Mein Brutto ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal, für mich ist entscheidend, was auf dem Konto landet.

KlammeKassen:

--- Zitat von: BVerfGBeliever am 04.11.2024 12:14 ---
Wem gegenüber soll der Single-Beamte "überalimentiert" sein? Gegenüber dem Bürgergeldempfänger? Gegenüber dem 4K-Beamten?

--- End quote ---

Die abstrakte Antwort hierzu würde lauten:
Viele Personen in der Privatwirtschaft (und auch bis EG12 aufwärts (zumindest in den unteren Stufen)) kommen in Steuerklasse I (= Single Beamter) keine 3.000 Euro Netto.

In manchen Berufen muss man sich sogar mit unter 2.000 Euro netto vergnügen.

Mindestlohn bei 174 Stunden (40 h Woche) x 12,41 Euro = 2.159,34 Euro.
--> hiervon Abzüge für Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung, Krankenkasse und Steuern => definitiv keine 2.000 Euro netto

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