Autor Thema: [Allg] Beamtentum für einen besseren Job verlassen? Meinungen sind gefragt.  (Read 13066 times)

rs

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Die Kette mit Kugel dran, die man dir bei der Verbeamtung ans Bein schnallt, wird von Jahr zu Jahr schwerer.
Nach fast 27 Jahren kann ich dir sagen: Hau ab, solange es noch geht.
Man kann es sich nicht ausdenken, was man im öD über die Jahre so erlebt.

Kreativität => ist nicht erwünscht
Umsetzung von guten Ideen => scheitert immer an irgendjemanden, der keine Veränderung will
Menschen mit Initiative => wirken auf andere gefährlich und müssen gestoppt werden
inkompetente/faule Menschen im öD => wird man nicht los und muss sich tagtäglich mit ihnen rumärgern

Mein Fazit nach 27 Jahren:
Wer damit leben kann, auch den stumpfsinnigsten Vorgaben zu folgen und keine Ambitionen hat, ist im öD  richtig. Alle anderen nicht.

Mal ein aktuelles abschreckendes Bsp, aus meinem Arbeitsleben:
Ich bekam kürzlich eine Einladung zu einer Fortbildung, auf die ich seit 19 (!) Jahren warte.
Die Dienstreise zum Fortbildungsort (und somit die Fortbildung) kann ich aller Voraussicht nach aber nicht antreten, weil ich derzeit nicht für ein Travelmanagementsystem freigeschaltet werden kann, das ich zwingend zur Buchung der Reise nutzen muss.

Wie gesagt, man kann es sich nicht ausdenken...


foo

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Jetzt würde mich aber doch interessieren, welche Fortbildung so interessant ist, dass man bereit ist auf die 19 Jahre zu warten..

Bruce Springsteen

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Einsteigerkurs Windows 98.. :-X ;D

#offtopic
#ichentschuldigemichvorab

Angelsaxe

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Wenn du Lust darauf hast - dann nimm es an. Du kannst dich durchaus wieder auf eine Stelle im ÖD bewerben und auch verbeamtet werden. Ich weiß, dass einige Kolleginnen und Kollegen über die Jahre unzufrieden werden, nachvollziehen kann ich es nicht. Ich bin äußerst gern Beamter - obwohl das viele meiner Freunde nicht verstehen (sie sehen mehr Potential in der PW - aber das ist nicht meine Motivation) ;)
Mit der Berufung in das Beamtenverhältnis erlischt ein Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn.

MrBeam

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Ich finde es schräg, von "dem" ÖD abzuraten, sofern man sich auf den Tätigkeitsbereich bezieht.
Es gibt doch so viele Jobs im ÖD uns selbst bei gleichartigen kann der Dienstort bzw. das Umfeld alles ändern.

Ich bin z.B. sehr gerne Beamter und würde nicht in die PW wechseln. Ich kann kreativ sein, neue Ideen umsetzen und bin von vielen fleißigen, motivierten Menschen umgeben.
Dazu ist mir die Sicherheit persönlich wichtig.

Nur mal, um ein (freilich ebenso wenig repräsentatives) Gegenbild zu den mehreren negativen Stimmen enttäuschter Menschen aus dem ÖD zu zeichnen.

2strong

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Ich selbst bin ebenfalls sehr gerne und aus Überzeugung Beamter und empfehle diese Berufsoption auch regelmäßig weiter. Aber hier geht es ja nicht um einen generellen Systemvergleich, sondern konkret darum, ob ich noch lange Jahre Sachbearbeitung auf Einsteigerniveau erledigen möchte oder einen 100k€ Führungsjob wahrnehmen möchte. Da ist die neu angebotene Aufgabe doch in jeder Hinsicht reizvoll.

Zauberberg

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Wie sage ich immer zu meinen Kolleginnen und Kollegen .  …. wenn man einen Vertrag unterschreibt oder eine Urkunde entgegennimmt, lässt man sich auf den beschriebenen Job und die Umstände ein. Ich habe lange versucht Verwaltungs-Beamter zu werden, weil es mein absoluter Berufswunsch. Mit viel Aufwand habe ich es geschafft und bin nun absolut glücklich im Job ! Lebe dort auch meinen Job in Führungsposition aus, die ich immer gerne haben wollte . Finde es aber absolut natürlich, wenn man sich woanders verwirklichen will. Ich denke, für mich, auch als Beamter kann man Verantwortung übernehmen, kreativ sein und Spaß am Job haben. Ich würde nie in der PW arbeiten wollen !

Freddy24

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Zauberberg: Ich gratuliere. Man kann auch ohne materielle und ideelle Anerkennung ein glückliches Leben führen, wenn man alles Negative ausblenden kann. Das können nur wenige.

2strong

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Es gibt auch im Beamtenverhältnis durchaus materielle und ideelle Anerkennung. Die findet sich natürlich weniger in der Zulassungsstelle des Landratsamtes und ist im ersten Beförderungsamt auch noch nicht vollständig ausgeschöpft.

clarion

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Ich bin erstaunt, wie tief frustriert hier einige sind.

Ich empfinde meinen monatlichen Sold durchaus als materielle Anerkennung. Er ist für mich persönlich mehr als auskömmlich. Die Tatsache,  dass ich höchstwahrscheinlich nicht amtangemessen besoldet bin, ärgert mich zwar auch sehr. Aber dieser Ärger spielt in der täglichen Arbeit keine Rolle. Mich entsetzt es nur immer wieder, dass Verfassungstreue nur dann an den Tag gelegt wird,  wenn es  nicht weh tut.

Ideale Anerkennung kann man in jedem Beruf bekommen. Und ich bin mit mir und unserem Team immer wieder zufrieden, wenn wir ein Projekt gut und erfolgreich abgeschlossen haben. Und hin und wieder gibt es auch externe Anerkennung für unsere Arbeit.

Zauberberg

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Zauberberg: Ich gratuliere. Man kann auch ohne materielle und ideelle Anerkennung ein glückliches Leben führen, wenn man alles Negative ausblenden kann. Das können nur wenige.

Vielen Dank Freddy24 für die Gratulation ! ABER ganz so ist es nicht. Ich habe durchaus materielle Anerkennung erfahren, habe schon etwas Karriere gemacht, halt mit einigem Aufwand und auch in Sachen ideeeller Wertschätzung habe ich mir diese geholt. Wie wir alle wissen, ist diese zu bekommen zunehmend schwerer. Jedoch habe ich für mich, wenn ich damit nicht zufrieden war, immer die Konsequenz gezogen und mich verändert. Denn nichts mag ich weniger als den Satz "alles blöd hier, eigentlich müßte man gehen" und dann aber über Jahrzehnte in dem Zustand verbleibe. ...ich sagte immer ..."dann mach doch" und habe selber zweimal gemacht.

Rudi_Regenbogen

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Ich bin fast 60 und schon ewig Beamter. Ein Freund von mir macht den selben Job, wie ich ihn (bis vor kurzem) sehr lange gemacht habe in der Privatwirtschaft. Gleiche Technik, gleiche Ansprechpartner usw. Aber er hat nicht annähernd diese engen Rahmenbedingungen wie ich sie hatte. Allerdings verdient er erheblich mehr als ich. Netto fast das zweieinhalbfache. Da bleibt genug übrig, um die Pensionslücke privat zu schliessen. Denk dran: Du hast noch über 35 Jahre im Beruf. Da macht es einen riesigen Unterschied, ob man einen Job sehr gerne macht, oder sich morgens ins Büro quält. Wäre ich nochmal so jung und bekäme so eine Chance, ich wäre ganz schnell weg. Und mal ehrlich: Meint wirklich irgendwer dass es im öD noch besser wird? Ich habe da meine Zweifel.

Ich gebe Dir den Rat zu wechseln. Und ich wünsche Dir, wie immer Du Dich entscheiden magst, alles Gute.

lotsch

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Bei den üblichen weihnachtlichen Familientreffen habe ich mit vielen jungen Leuten sprechen können. Das wichtigste am Job ist ihnen das Geld. Sie wollen reisen, eine schöne Wohnung, großes Auto, Ausgehen, sie wollen Kinder und den Kindern wollen sie auch etwas bieten, und sie wissen, dass das alles viel Geld kostet. Angesichts des Personalmangels denke ich, dass sich das von selbst erledigen wird. Entweder der ÖD bezahlt anständig, oder er geht unter. Das kann dann auch sehr schnell gehen und sich in einer Abwärtsspirale immer mehr verstärken.

Grandia

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Ich bin erstaunt, wie tief frustriert hier einige sind.

Ich empfinde meinen monatlichen Sold durchaus als materielle Anerkennung. Er ist für mich persönlich mehr als auskömmlich. Die Tatsache,  dass ich höchstwahrscheinlich nicht amtangemessen besoldet bin, ärgert mich zwar auch sehr. Aber dieser Ärger spielt in der täglichen Arbeit keine Rolle. Mich entsetzt es nur immer wieder, dass Verfassungstreue nur dann an den Tag gelegt wird,  wenn es  nicht weh tut.

Ideale Anerkennung kann man in jedem Beruf bekommen. Und ich bin mit mir und unserem Team immer wieder zufrieden, wenn wir ein Projekt gut und erfolgreich abgeschlossen haben. Und hin und wieder gibt es auch externe Anerkennung für unsere Arbeit.

Stimme zu 100% zu. In allen Punkten. Manchmal muss man sich auch selbst anerkennen und die Endorphine ausschütten, indem man sich zu Erfolgen still und heimlich selbst gratuliert.

Zauberberg

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Wir sollten mal eine Abstimmung anstoßen, wer ist mit seinem Beruf als Beamter zufrieden oder nicht !
Das Ergebnis der Abstimmung verkaufen wir an die schreibende Zunft mit vier Buchstaben, die interessieren sich immer für Beamte, um sie später als völlig überbezahlte, hirnlose und überflüssige Gattung darzustellen.
Von dem Erlös veranstalten wir ein Forum Treffen in Präsenz, jeder trägt dann einen Button mit seinem Forumsnamen.  ;D :) 8)