Autor Thema: Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit  (Read 2535 times)

sovielefragen

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Ich habe eine Ladung um bei Gericht als Zeuge im dienstlichen Zusammenhang auszusagen. Aussagegenehmigung des AG liegt vor. Gerichtstermin ist nächste Woche. Seit gestern bin ich arbeitsunfähig. Heute kam eine E-Mail, ich soll mich bei Gericht krankmelden.

Ich hatte eigentlich vor auszusagen. Dazu fühle ich mich gesundheitlich in der Lage. Nun stellt sich die Frage, was ich tun soll. Die Zeugenaussage ist eigentlich Dienstzeit. Ich bin aber arbeitsunfähig. Also kann ich nicht dienstlich aussagen. Oder doch? Weil höheres Interesse?

Was tun, sprach Zeus.

clarion

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #1 am: 01.03.2025 07:53 »
Weißt Du schon jetzt,  dass Du nächste Woche auch AU bist?

sovielefragen

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #2 am: 01.03.2025 09:46 »
Ja. Die AU geht über den Gerichtstermin hinaus.

Casa

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #3 am: 01.03.2025 10:38 »
Kläre die geplante Aussage mit deinem Arbeitgeber. Wenn der keine Probleme sieht, nimm den Gerichtstermin wahr.
Gib mir ein Minus, wenn dir meine Beiträge gefallen. :-)

UNameIT

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #4 am: 01.03.2025 10:42 »
Ein paar kleine Hinweise, das Gericht sieht AU nicht als ausreichend an.

Zitat
Auch Zeugen müssen ihre Verhinderung durch ärztliche Atteste oder andere Unterlagen beweisen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht bei einer Erkrankung nicht aus. Letzteres gilt übrigens auch für Parteien. Der Grund: Arbeitsunfähigkeit muss ja nicht unbedingt heißen, dass man nicht aussagen kann

Zitat
Oft wird dem Patienten in diesen Fällen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit dem Hinweis ausgestellt, er sei verhandlungsunfähig. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Das hat das Saarländische Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 22. Januar 2007 (Az.: 5 W 8/07-4) deutlich gemacht und darauf hingewiesen, dass die ärztlich bestätigte Arbeitsunfähigkeit zur Vorlage beim Arbeitgeber bestimmt ist und nichts über die Zumutbarkeit des Erscheinens bei Gericht besagt.

Aber auch ein Attest, in dem mitgeteilt wird, dass der Patient krankheitsbedingt verhandlungsunfähig“ ist, genügt nach der Entscheidung des Berliner Kammergerichtes vom 6. Februar 2007 (Az.: 2 Ws 99/07) nicht, um die Abwesenheit ausreichend zu entschuldigen. Konkret führt es hierzu aus:

„Denn eine Erkrankung entschuldigt nur, wenn sie nach ihrer Art und ihren Auswirkungen, insbesondere nach dem Umfang der von ihr ausgehenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigung eine Beteiligung an einer Hauptverhandlung unzumutbar macht. Die diesbezüglichen Angaben sind in dem Attest aufzunehmen, da der Senat ohne konkrete Angaben nicht feststellen kann, ob dem Erscheinen des Angeklagten in der Hauptverhandlung ein objektives Hindernis entgegenstand. […] Dass der Arzt Verhandlungsunfähigkeit diagnostizierte, ist bedeutungslos, denn dies ist entgegen der Auffassung der Beschwerde ein Rechtsbegriff, unter den allein das Gericht und nicht der Arzt die von Letzterem festgestellten medizinischen Tatsachen subsumieren kann.“

Zu berücksichtigen ist somit stets, dass nicht der Arzt, sondern das Gericht anhand des Attestes entscheidet, ob die betreffende Person in der Lage ist, den Gerichtstermin wahrzunehmen. Demzufolge muss aus dem Attest hervorgehen,

dass es zur Vorlage bei Gericht bestimmt ist,
aus welchem Grund der Patient ggf. verhandlungsunfähig ist (Art der Erkrankung und deren Auswirkungen)
und wie lange die etwaige Verhandlungsunfähigkeit voraussichtlich bestehen wird.

Ergo: Wenn du Aussagen kannst, sage aus, denn arbeitsrechtlich darfst du während der krankschreibung alles machen, was deine Genesung nicht beeinträchtigt.

sovielefragen

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #5 am: 01.03.2025 10:56 »
Ich habe meinen Arbeitgeber um die Unterlagen zu dem Fall gebeten und nur rudimentäre Unterlagen bekommen auf Grund derer ich keine sichere, (im Sinne des Amtes) brauchbare Aussage machen kann. Einem anderen Mitarbeiter ist für eine ähnliche Aussage die komplette Akte inklusive kompletter Schriftwechsel vorgelegt worden.

Im Arbeitsverhältnis liegt viel im Argen seit ich durch eine neu aufgetretene Krankheit (mittlerweile Gleichstellung) meine "arbeitsvertraglich geschuldete Leistung" gesundheitlich bedingt nicht mehr erbringen kann. Ich fürchte, dass mir ein Strick gedreht wird. Egal, ob ich aussage oder nicht.

Ich sehe es so wie UNameIT gerade wunderbar rechtlich begründet hat. Ich traue mir das trotz AU zu. Und es gibt ein übergeordnetes allgemeines Interesse an meiner Aussage. Staatsbürgerliche Pflicht und so.

Gehe ich hin, handle ich gegen die Anweisung des AG. Der bei AU nicht weisungsbefugt ist. Gehe ich nicht hin muss ich mit Strafe vom Gericht rechnen.

Ich neige dazu, meinem AG zu schreiben, dass ich beabsichtige auszusagen und schriftlich die vollständigen Informationen anfordere. Die Situation zwischen AG und mir ist eh nicht mehr zu retten.

Schmitti

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #6 am: 01.03.2025 13:01 »
An der Stelle wird die Sachverhaltsschilderung seltsam. Besteht denn die Zeugenaussage aus einem reinen Aktenvortrag? Den du, ohne die Unterlagen vom AG zu erhalten, so gar nicht vernünftig halten kannst? Was sollst du dann für wen dort bezeugen?

sovielefragen

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #7 am: 01.03.2025 13:25 »
Jetzt muss ich vorsichtig sein, wie ich das formuliere ohne Gefahr zu laufen, Datenschutzrichtlinien zu verletzen.

Es wurde ein Bußgeldtatbestand festgestellt, aufgenommen und dem Verursacher mitgeteilt. Dieser legte Widerspruch ein und jetzt steht die Hauptverhandlung an. Der Bußgeldtatbestand soll von mir aufgenommen worden sein. Ich habe zu dem Zeitpunkt gearbeitet, kann es also gewesen sein, war allerdings nicht allein im Dienst. Es kommen also auch Kollegen in Frage. Die mir zur Verfügung gestellten Beweismittel entsprechen meiner Arbeitsweise. Sie enthalten allerdings nicht meine Kennung, die es zweifelsfrei als meine Arbeit identifizieren würde. Zu 99,9% war ich das. Zumal ich davon ausgehen muss, dass der AG den richtigen Mitarbeiter vor Gericht schickt. Das würde ich daher nicht in Zweifel ziehen.

Aus den mir zur Verfügung gestellten Beweismitteln kann ich jedoch nicht erkennen, welchen von mehreren in Frage kommenden Tatbeständen ich aufgenommen habe und ob ich Anmerkungen hinterlegt habe. Auch lässt sich der Beobachtungszeitraum nicht erkennen. An den Vorfall selbst kann ich mich nicht erinnern. Es ist fast ein Jahr her.

Über möglichen nachfolgenden Schriftverkehr habe ich grundsätzlich nie Informationen. Ich kann also im Grunde nur bezeugen, dass die Ausstellung des Bußgeldbescheides grundsätzlich richtig war, wenn einer der in Frage kommenden Tatbestände verwendet wurde. Eine Aussage, die dem Beschuldigten nützt. Nicht meinem Dienstherren.

UNameIT

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #8 am: 01.03.2025 13:49 »
Na dann, kein Wunder das er will, dass du aussagst. Nimm dir bitte rechtlichen Beistand zu der Sache.

sovielefragen

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #9 am: 01.03.2025 14:05 »
Nee. Der Arbeitgeber möchte, dass ich meine AU bei Gericht bekannt gebe und NICHT aussage.

Ich möchte aussagen. Weil ich das körperlich kann.

Der Fairness halber ist meine Idee, meinem AG schriftlich mitzuteilen, dass ich aussagen möchte und ihn bitte, mir die fehlenden Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Wie sie das zeitlich umsetzen ist nicht mein Problem. Aber ich hab keine Lust auf Ärger mit dem Gericht. Wer zahlt denn bitte die Strafe?

clarion

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #10 am: 01.03.2025 20:49 »
Schicke dem AG das, was Unameit gepostet hat und bitte um die Unterlagen. Und wenn der AG Dir nichts schickt,  musst Du es bei Gericht so darstellen wie hier.

Casa

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #11 am: 02.03.2025 18:05 »
Zitat
Ergo: Wenn du Aussagen kannst, sage aus, denn arbeitsrechtlich darfst du während der krankschreibung alles machen, was deine Genesung nicht beeinträchtigt.

Das mag für den Busfahrer etc. gelten, der AU ist und aussagen soll. Der AN hier ist während der Aussage womöglich in dienstlicher Funktion tätig. Die Unmöglichkeit der (vollständigen) dienstlichen Tätigkeit bestätigt die ärztliche AUB. Auf der anderen Seite hat der Zeuge im Strafrecht keine besondere Stellung, nur weil er Beamter / Beschäftigter im öD ist.
Der anzuwendende Maßstab für ein Attest / Fernbleiben ist womöglich ein Anderer.


@sovielefragen

Wenn du dich nicht erinnern kannst ist das eben so. Dafür werden Sachverhalte dokumentiert.
Ob und wem deine Aussage nützt ist unerheblich. Es gilt die Wahrheit zu erforschen und nicht darum einen - deiner Ansicht nach - Nutzen herzustellen. Der von dir avisierte Nutzen wäre in Gesamtschau sogar ein Schaden an der Rechtsordnung, wenn du etwas aussagst, an das du dich nicht erinnerst, bzw. faktisch falsch aussagst.





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sovielefragen

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #12 am: 04.03.2025 18:14 »
Wie erwartet muss bzw. darf ich aussagen trotz AU. Es bräuchte ein ärztliches Attest über Verhandlungsunfähgkeit, an das relativ hohe Anforderungen gestellt werden.

Ich habe um die Akte gebeten. Die mir aus Datenschutzgründen nicht per Email übermittelt werden kann. Nachvollziehbar. Post ist anscheinend nicht gewünscht. Einzelne Informationen wurden mir per Email mitgeteilt. Trotzdem bleiben einige wenige Fragezeichen.

Ich werde also machen, was Aufgabe eines Zeuge ist. Nach bestem Wissen und Gewissen vollumfänglich und ausnahmslos wahrheitsgemäß aussagen. Und hoffen, dass nicht nach einer der Lücken gefragt wird. Sonst ist die Antwort "das kann ich nicht mit Sicherheit sagen". Und dann darf ich hoffen, dass aus so einer Aussage keine Abmahnung folgt.

clarion

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Antw:Zeugenaussage bei Gericht während Arbeitsunfähigkeit
« Antwort #13 am: 04.03.2025 18:40 »
Und wenn du einfach in der Dienststelle anrufst und nach den Fragezeichen fragst?